Und weiter geht’s in der Serie „Spitzensportreform? So denken die Athleten darüber!“ Wir geben unseren Spitzensportlern in diesen Tagen die Möglichkeit, sich in die Diskussion über die geplante Spitzensportreform einzuklinken und ihre Ansichten und Optimierungsvorschläge bezüglich Leistungssport, Sportförderung und Nachwuchsarbeit mit uns zu teilen. Die Hintergründe dieser Diskussion haben wir bereits in einem vorigen Beitrag dargelegt und möchten jetzt, durch das Einbeziehen der Athleten, näher auf die Problematik eingehen.
Nach Hendrik Pfeiffer und Franzi Reng, heute die Meinung von Marathoni Philipp Pflieger:
Was würdest du am jetzigen System im Leistungssport verändern wollen?
Meiner Meinung nach liegt der Knackpunkt in Sachen Sportförderung gegenwärtig vor allem im Bereich der Förderung während der Karriere. Nicht jeder Athlet möchte zur Sportfördergruppe der Bundeswehr/Polizei, sondern sich anderweitig seiner dualen Karriere widmen. Warum also einen Umweg über die Behörden nehmen und nicht „deutsche Sportbotschafter“ direkt, ohne zwischengeschaltete Institutionen, durch den Staat/das Innenministerium fördern? Weniger Bürokratie und mehr individuelle Freiheit für die Sportler. So könnte man sich auch dem neuerdings wieder heiß diskutierten Thema Sozialversicherung für (ehemalige) Leistungssportler/Olympiateilnehmer annehmen.
Kannst du von der Sportförderung aktuell deinen Alltag finanzieren?
Nein, von staatlicher oder verbandsbezogener Förderung kann ich nicht leben. Das sind in meinem Falle ‚Peanuts‘. Ich finanziere mich über meine Sponsorenverträge, Kooperationen, Vorträge und natürlich Rennen.
Wie würde eine optimale Sportförderung aussehen/was müsste sie beinhalten?
Ich denke Medaillenprämien sind sicherlich eine nette Sache, aber die wenigsten von uns sehen Geld als ihren Antrieb/ihre Motivation. Natürlich ist es schön, wenn Leistung – auch finanziell – honoriert wird. Das ist in der heutigen Zeit einfach Teil des Spitzensports und wird sich wohl auch nicht mehr ändern. Das Problem, dass ich schon seit Jahren sehe, ist der wahnsinnig hohe Drop-Out an Talenten während/nach Abitur & Studium. Es gibt in Deutschland nach wie vor einen riesigen Pool an großartigen Talenten, aber durch mangelnde Förderung und zunehmen Anforderungen in Sachen Studium/Berufsausbildung überlegen sich eben viele, warum man sich diese zweifache, teils ja sogar dreifache Belastung (mit Nebenjob) noch antun soll. Ich kenne auch ehemalige Kollegen (Silvio Schirrmeister, war 2012 in London Teil des Olympia-Teams über 400m Hürden), die irgendwann mit einem diagnostizierten Burn-Out-Syndrom aufgehört haben.
In meinen Augen wichtig wäre diese Talente während Karriere und Berufsausbildung in so weit abzusichern, dass sie Rücken & Kopf frei haben sowohl ihrer Passion nachzugehen, als auch an ihrer Karriere nach dem Sport zu arbeiten.
Was denkst du über die aktuelle Spitzensportreform?
Für mich geht die aktuelle Spitzensportreform komplett in die falsche Richtung. Wie schon gesagt, ja: Leistung muss/soll honoriert werden, dementsprechend einleuchtend ist es natürlich, bereits erfolgreiche Sportarten stärker zu unterstützen. Dagegen sehe ich es als höchstproblematisch an, derzeit schwächelnde Sportarten ihrer Förderung zu beschneiden. Einer Pflanze, die dringend Wasser benötigt, die Zufuhr zu kappen, erscheint vermutlich nicht nur mir als kompletter Unfug.
Wie nah liegen Fordern und Fördern noch beieinander?
Naja, also wenn man den Worten unseres Bundesinnenministers so folgt, werden Forderungen nach Medaillen und Top-Platzierungen immer wieder sehr offensiv formuliert. Auch Teile der Medien stehen, was so manche Schlagzeile anbelangt, dem im nichts nach, wobei sich das zumindest meinem Eindruck nach in den letzten Jahren zu einem menschlicheren Maß hin entwickelt hat.
Ich halte halt die Entwicklung immer mehr Medaillen für am besten weniger Geld zu fordern, für sehr fragwürdig. Bei allem Leistungsanspruch, den ich natürlich auch an mich selbst habe, denke ich doch, dass der aktive Lifestyle, den wir vorleben – auch was FairPlay etc. anbelangt, für die Gesellschaft absolut bereichernd ist, auch wenn das natürlich nicht in Medaillen zu bemessen ist.
Was bedeutet das für den Nachwuchs?
Ich denke, dass sich nach wie vor viele Kids hierzulande für Sport begeistern lassen. Vielleicht nicht mehr so viele wie früher einmal, aber Sport und Kinder gehört für mich einfach irgendwie zusammen. Ob man aber heutzutage Kinder/Jugendliche guten Gewissens – und auch in Anbetracht des durch die massiven Dopingauswüchse korrumpierten System – noch für eine Zukunft im (Hoch-)Leistungssport ermutigen soll, da bin ich mir nicht mehr sicher. Sport: Ja! (Hoch-)Leistungssport: Vielleicht?
Was bedeutet Sport heutzutage? Darf sich Leidenschaft entfalten oder muss sie sich hinten anstellen?
Ich denke Sport und Leidenschaft gehen auch heutzutage noch Hand in Hand. Dafür bedarf es in meinen Augen aber nicht zwangsläufig den Leistungssport. Im 21. Jahrhundert gibt es ja ein so vielfältiges Sportangebot, auch innerhalb der verschiedenen Sportarten (wenn ich da alleine an die Möglichkeiten beim Laufsport denke), dass es sicher wirklich für jeden eine Möglichkeit gibt, sein sportliches Feld zu finden und sich zu entfalten. Hauptsache man zieht sein Ding durch!