Und weiter geht’s in der Serie „Spitzensportreform? So denken die Athleten darüber!“ Wir geben unseren Spitzensportlern in diesen Tagen die Möglichkeit, sich in die Diskussion über die geplante Spitzensportreform einzuklinken und ihre Ansichten und Optimierungsvorschläge bezüglich Leistungssport, Sportförderung und Nachwuchsarbeit mit uns zu teilen. Die Hintergründe dieser Diskussion haben wir bereits in einem vorigen Beitrag dargelegt und möchten jetzt, durch das Einbeziehen der Athleten, näher auf die Problematik eingehen.
Nach Hendrik Pfeiffer haben wir heute mit Franzi Reng gesprochen:
Was würdest du am jetzigen System im Leistungssport verändern wollen?
Die Frage ist sehr offen formuliert – was ist das System? Was ist Leistungssport? Beides nicht unbedingt Begriffe, die für alle dasselbe bedeuten. Mancher sieht in dem System die eigene Förderung durch Eltern, Verein, Sponsoren etc. Der andere schaut nur auf die Verbände und deren Strukturen. Für den einen bedeutet Leistungssport regelmäßiges Training und Wettkämpfe zu absolvieren. Der andere sieht Leistungssport als das auf einem gewissen nationalen oder internationalen Niveau betriebene Erbringen sportlicher Leistung.
Aus meiner daher sehr subjektiven Perspektive ist für mich klar, dass ich im Leistungssportsystem starken Nachbesserungsbedarf in der Nachwuchsförderung sehe. Es sind zu wenig personelle, materielle und finanzielle Anreize vorhanden. Finanziell sollte Sport für junge Talente ja eigentlich noch kein Aspekt sein – aber blickt man hinüber zum Fußball, werden dort im Alter von neun Jahren die ersten Verträge unterschrieben. Ab dem Gymnasialalter gibt es neben einer umfangreichen Ausstattung in den Leistungszentren auch Geldprämien und Ähnliches. Ich möchte das nicht unbedingt gutheißen – aber es ist gleichzeitig auch keine Werbung für das ‚Armenhaus Leichtathletik‘. Recht viel mehr kann man sich später als Auszubildender, Student oder junger Angestellter von ihr nämlich auch nicht erwarten: Trainingsaufwände sind hoch und die beruflichen Einnahmen (sofern eine regelmäßige berufliche Betätigung überhaupt möglich ist) aufgrund seltener Vollzeitbeschäftigung gering. Ein standardisiertes System, das jungen Sportlern, die ganz am Anfang ihres Lebens stehen, verlässlich und in geeignetem Maße unter die Arme greift, gibt es nicht.
Kannst du von der Sportförderung aktuell deinen Alltag finanzieren?
Ich erhalte keinerlei ‚offizielle‘ Sportförderung. Ich habe einige wenige, Unterstützer oder Sponsoren. Die kann man an einer Hand abzählen und ich weiß ihre Unterstützung sehr zu schätzen. Davon allein kann ich meinen Alltag aber nicht finanzieren. Ich bin als Studentin auf ein Einkommen durch Arbeit und nach wie vor das Taschengeld meiner Eltern angewiesen. Anders könnte ich niemals studieren, geschweige denn Sport betreiben.
Wie würde eine optimale Sportförderung aussehen/was müsste sie beinhalten?
Das kann ich schwer sagen – ich wünsche mir da auf der einen Seite ein individuelles System, das stark auf den einzelnen Athleten eingeht. Auf der anderen Seite soll dieses System nachvollziehbar und objektiv sein. Zwei Aspekte, die nicht unbedingt gut miteinander vereinbar sind. Daher ist meine Vorstellung von einem ‚perfekten System‘ sehr unkonkret…
Was denkst du über die aktuelle Spitzensportreform?
Ich habe mich zu wenig darüber informiert, als dass ich dazu eine begründete Meinung haben dürfte. Das ist vermutlich meinem Misstrauen gegenüber solchen ‚Reformen‘ zu verdanken. Irgendwie glaubt man nicht mehr daran, dass es irgendwann besser werden soll. Und wenn, dann eben nur schrittweise und schleppend – vielleicht müsste ich noch zwanzig Jahre Leistungssport treiben, um garantiert davon zu profitieren.
Wie nah liegen Fordern und Fördern noch beieinander?
Fordern und Fördern liegen aus meiner Sicht sehr weit auseinander. Diejenigen, die fordern, tragen am wenigsten zur Förderung bei. Diejenigen, die sich – oft aus Leidenschaft für den Sport, aufgrund eigener Erfahrungen ‚am eigenen Leib‘ oder man könnte fast sagen nächstenliebender Gründe – für eine ausreichende Förderung des Sportes einsetzen, sind ja meistens gerade die, die am wenigsten Forderungen aufstellen. Sie gewähren Athleten Freiheiten, tolerieren Verletzungspausen und lassen ihre Sportler nicht sofort fallen. Sie treten aber auch selten an die Öffentlichkeit bzw. bekleiden keine offiziellen Ämter, agieren mehr im Hintergrund für die ‚gute Sache‘. Das gilt ja auch andersrum: Nicht nur die, die Leistung fordern, sind meistens die, die wenig geben. Auch die, die laut herausposaunen, dass sie mehr Geld für Sportler fordern, sind da oft nicht die größten Vorbilder… Was aber noch lange nicht heißt, dass das immer so ist!!!
Was bedeutet das für den Nachwuchs?
Für den Nachwuchs bedeutet es das Szenario oben geschildert: Klar, betreibt man noch gerne Leichtathletik. Als Sport der Spaß macht. Aber wenn der „Ernst des Lebens“ beginnt, mit Ausbildung, Beruf, Familie etc. bleibt sie außen vor. Die große Breite, die ja sowieso aufgrund schulischer Belastung (durch G8 u.Ä.) immer weiter verschwindet, geht in den älteren Leistungsklassen verloren.
Was bedeutet Sport heutzutage? Darf sich Leidenschaft entfalten oder muss sie sich hinten anstellen?
Sport bedeutet zunächst alles und nichts. Sport kann ja schon sein, dass man die Treppe anstelle des Aufzugs nimmt. Für mich persönlich ist Sport eine Leidenschaft und das wird er auch immer bleiben. Ob er sich für mich finanziell, ideell, emotional oder zwischenmenschlich „lohnt“, spielt dabei noch gar keine Rolle. In manchen Situationen im Leistungssport „darf“ Leidenschaft auch einmal hinten angestellt werden: z.B. wenn ein Profisportler bei einem Wettkampf startet, der sich finanziell für ihn mehr rentiert als sein Heimatsportfest, bei dem er schon als Knirps angetreten ist. Vielleicht hätte er zuhause mehr Spaß, ein herzlicheres Umfeld usw., aber irgendwo muss auch für ihn der Spruch gelten „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“ – Wer mit seiner Arbeit kein Geld verdient, wird eben arm. Trotzdem muss Leidenschaft immer am Anfang stehen. Wer nicht für seinen Sport „brennt“, kann als Profisportler trotz Talent, ausreichender Förderung, angepassten Strukturen und anderweitig guten Ausgangsbedingungen vielleicht sorglos leben. Glücklich wird er dann aber trotzdem niemals sein.