„Ich fördere dich“ – in dem Maße wie sich Annett Horna in den vergangenen Jahren selbst gefordert hat, nämlich mit Herz, voller Energie und Zuversicht. So wie sie also ihr eigenes Potential an die Hand nahm, möchte sie nun anderen Lauf-Potentialen unter die Arme greifen.
Talente im Alter zwischen 18 und 25 Jahren aus der zweiten Reihe, die in den Startlöchern stehen und es aus irgendeinem Grund noch nicht geschafft haben, in die nationale Spitze zu laufen.
Das Projekt „ichförderedich“‘ ist eine Idee von Annett und ihrem Freund Marcus Schöfisch (Deutscher Marathonmeister 2016). Vom 1. bis zum 24. Dezember haben Athleten (der Disziplingruppe Laufen) die Möglichkeit, sich auf deren Webseite für ein „Sponsoring“ zu bewerben, welches eine monatliche Unterstützung von 100 Euro sowie eine persönliche Betreuung (das beinhaltet kein Training, eher Motivation und Beratung) über ein Jahr lang beinhaltet.
Eine Unterstützung, die auf mehr abzielt als nur Geld. Eine Förderung, die auf Regelmäßigkeit, Menschlichkeit und Vertrauen basiert. „Die Athleten, die wir auswählen, können sich sicher sein, dass wir zu hundert Prozent an sie glauben – und Glaube kann manchmal auch Berge versetzen.“
Gleichzeitig soll die kleine finanzielle Spritze dazu beitragen, den notwendigen Nebenschauplätzen – wie eine gesunde Ernährung, Physiotherapie und Trainingslager – ebenfalls einen Besuch abzustatten.
„Du bist international einfach nicht konkurrenzfähig, wenn du dir diese Dinge nicht leisten kannst. Natürlich sind 100 Euro monatlich jetzt nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber ein Anfang!“
Ein Startschuss, der vielleicht hellhörig macht und diese selbstlose Initiative als Beispiel nimmt, das „Fördersystem“ zu überdenken.
„Die Bezeichnung ist irreführend. Es ist ein Belohnungssystem.“ Erst wenn du Erfolg hast, bekommst du eine Förderung. Für die im Vorfeld investierte Zeit und Kraft wirst du aber nicht entschädigt. Du bist also auf dich allein gestellt.
„Die Athleten müssen wieder im Mittelpunkt stehen“ und nicht vorrangig der Erfolg. Denn dieser bleibt aus, wenn der Athlet auf eigene Faust den Forderungen gerecht zu werden versucht.
„Ich habe 15 Jahre lang Leistungssport gemacht. Ich habe dieses Sportlerleben geliebt. Das ist etwas, was nicht jeder hat, es ist etwas Besonderes. Doch ich weiß, dass ich unheimlich Glück gehabt habe, dass ich diesen Lebensweg einschlagen durfte.“
Ehrgeiz und gänzliche Hingabe allein reichen nicht. „Ohne meine Förderer hätte ich meine Leidenschaft nicht in diesem Maße ausleben können.“ Das sind die Vereine TSV Bayer 04 Leverkusen, der LC Rehlingen, der SV Halle und ihre Trainer, die allesamt ihre ganze Freizeit für sie geopfert haben und das teilweise ehrenamtlich!
Mit derselben Bedingungslosigkeit möchte nun auch Annett junge Talente unterstützen. Sie möchte „etwas von dem Glück abgeben, das mir zuteil geworden ist. Die Leichtathletik muss lebendig bleiben und der Nachwuchs gefördert werden.“
Der Sport liegt ihr einfach am Herzen. Nicht nur während ihrer aktiven Zeit, sondern auch jetzt, wo sich ihre Leistungssportkarriere dem Ende neigt und ihr Referendariat bevorsteht. Junge Athleten bzw. zwei ausgewählte, sollen jetzt von ihrem Erfahrungsschatz profitieren und von Annetts Leidenschaft, Zuspruch und gewonnener Einsicht zehren.
Stichwort Einsicht, körpereigene Rücksicht! In der Zeit als Leistungssportlerin hat sie nämlich nicht immer nur glückliche Erfahrungen sammeln dürfen, jedoch stets welche, die entscheidend prägten.
Eine wesentliche Erfahrung war dabei die mit der Magersucht. Um besser zu werden, hat sie in ihrer Jugend eigenständig Dauerläufe ins Training integriert und sich zudem vorgenommen, auf die Ernährung zu achten.
„Letzteres hieß leider, dass ich, anstatt mich gesund zu ernähren, einfach gar nicht mehr bzw. kaum noch aß. Das Schlimme an der Magersucht ist, dass sie sich anfangs nicht negativ auf deine Leistungsfähigkeit auswirkt. Du wirst besser und besser… bis das System eben umkippt. Das ist bei mir zum Glück nicht passiert. Ich habe es rechtzeitig geschafft, da herauszukommen.“
Ein Problem, das leider viele Läuferinnen aber auch Läufer heutzutage betrifft. Sie wiegen sich in einer gefährlichen Sicherheit, die sie mit anfänglichen Leistungssteigerungen rechtfertigen. Fest steht, dass diese Leistungsfähigkeit aber nicht weiter exponentiell steigt, sondern eines Tages rapide abstürzt.
Annett bringt also auch dahingehend Vernunft und Stärke mit, sich den potentiellen Zwängen, die der Leistungssport mit sich bringt, robust zu widersetzen. Die Einsicht, dass Leistung nicht erbracht werden kann, wenn einerseits der Mensch dabei außen vor gelassen wird oder der Athlet selbst einem Ziel nacheifert, bei dem er sich selbst verliert.
Ziele sind notwendig, aber vor allem die dahinterstehende Motivation ist erfolgsentscheidend.
Außerdem müssen mit dem von außen gestellten Leistungsanspruch, die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stehen und den Athleten langfristig unterstützen. Nur so hat der Athlet erst die Möglichkeit, jene Anforderungen zu erfüllen. Man muss sich als Athlet sicher sein können, auch bei Misserfolgen aufgefangen zu werden und zukünftig nicht leer dazustehen.
Dieses Gefühl von Sicherheit und Verständnis möchte Annett ihren „Schützlingen“ mitgeben und hofft gleichzeitig darauf, dass zukünftig auch andere Talente unter fairen Bedingungen ihren Traum leben dürfen. Wobei Talent da alleine natürlich nicht reicht, sondern harte Arbeit!
Und das ist genau das, was das Laufen auch sie gelehrt hat, nämlich „dass man seine Träume leben kann, sofern man eben auch hart dafür arbeitet“ und gleichzeitig die entsprechende Unterstützung erhält.
„Manchmal muss man sehr geduldig sein, bevor einem etwas Großartiges widerfährt. Und auf diesem Weg müssen die Sportler unterstützt werden. Vielleicht kann man durch dieses Projekt wieder mehr Unterstützer gewinnen.“
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