Heute folgt der zweite Teil meiner alphabetischen Anekdoten-Sammlung. Auf die unangenehmsten Situationen blickt man ja am Besten mit einem Schmunzeln zurück. Und was könnte für einen Sportler anstrengender sein, als tatenlos in einem Bett liegen zu müssen? So viel steht fest: Da kann keine schweißtreibende Trainingseinheit mithalten…
I wie Infusion
Alles was mit Nadeln, Pieksen und Stechen zu tun hat, mag ich nicht. Schon bei dem beiläufigen Satz des Anästhesisten „Wir legen Ihnen da mal einen Zugang“ zuckte ich zusammen, als hätte er mir Schläge angedroht. Da half nicht mal mehr die Beruhigungstablette. Beim Einschleusen in den OP glaubte ich, nun ganz genau zu wissen, wie es ist, am Rande eines Nervenzusammenbruchs zu stehen. Ich behielt diese Erkenntnis trotzdem lieber für mich. Vielleicht sollte ich, anstatt mir vor Angst in die Hosen zu machen ja einfach weglaufen? Das Einzige, was hier lief, war allerdings das Anästhetikum. Durch den Zugang. In mich rein. Ab diesem Moment habe ich eine Erinnerungslücke.
J wie Janosch
Kennt jemand von euch das Buch „Ich mach dich gesund, sagte der Bär“? Ich habe die Geschichte als Kind vorgelesen bekommen und am Tag vor meiner Abreise ins Krankenhaus hat es mir eine Freundin das Buch von Janosch als Mutmacher vorbeigebracht. Es handelt von dem kleinen Tiger, der plötzlich krank wird und nach etlichen missglückten Versuchen seiner Freunde, ihn durch teils sehr eigenwillige Methoden wieder fit zu machen, schließlich zu Doktor Brausefrosch ins Krankenhaus muss. Der Arzt macht ihn aber im Nu wieder gesund und verordnet außerdem das Allheilmittel „dreimal pro Tag allerbeste Leibspeise mit Lieblingskompott“. Ich kann euch sowohl diese Medizin als auch das Buch nur wärmstens empfehlen, wenn es euch auch mal nicht so gut geht. Mir hat es auf jeden Fall in den letzten Tagen öfter mal ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.
K wie Krücken
Ich bin ja schon auf Krücken ins Krankenhaus gekommen. Im Prinzip also nichts Neues für mich. Höchstens der große Vacoped-Stiefel, den ich nach der OP noch verpasst bekommen habe. In diesem Aufzug muss ich nun noch die nächsten vier Wochen durch die Gegend staksen. Es gibt angenehmere Dinge, vor allem für Hände und Ellenbogen. Die sind nach längeren Strecken nämlich meistens blau oder bekommen Blasen. In Teamarbeit haben mein Physio Fabian und mein Freund Vinzenz deshalb ein ausgeklügeltes System entwickelt, das mehr Grip, weniger Reibestellen und keinerlei blaue Druckflecken beim Krückengang ermöglicht. Das Konstrukt besteht aus Schaumgummi, Tennis-Griffbändern sowie einer Menge Klebetape. Und ich muss sagen: Ich bin überzeugt! Vielleicht sollten wir vorsichtshalber ein Patent anmelden…
L wie Ladekabel
Für einen Menschen, der wie ich schnell Entzugserscheinungen zu spüren bekommen, wenn er nicht regelmäßig Mails und Nachrichten checken kann, war das Krankenzimmer ein eher ungünstiger Aufenthaltsort. Ich konnte mein Handy immer nur für einen Teil des Tages nutzen, da sich die Steckdose für das Ladekabel meterweit von meinem Bett entfernt befand. Und für jemanden, der sich nach der OP zwar theoretisch, praktisch aber nur mit Einschränkungen aus der Waagrechten herausbefördern kann, ist das wirklich sehr ärgerlich. Außerdem musste ich, um eine einigermaßen konstante Internetverbindung zu genießen, stets mit dem WC-Stuhl aus meinem Zimmer hinaus in Richtung des Aufzugs rollen, wo ich dann immer für eine Viertelstunde online ging, währenddessen aber mindestens zehnmal in meiner Konzentration gestört wurde, wenn wieder jemand (wohlgemerkt äußerst höflich) fragte, ob man mir beim Einsteigen in den Fahrstuhl behilflich sein könne. Mein Abwinken wurde meist mit einem verwunderten Stirnrunzeln quittiert. Aber was soll’s? Der WC-Stuhl war ohnehin schon peinlich genug.
M wie Medikamentendose
Als ich noch jünger war, fand ich diese länglichen Plastikdöschen mit der Aufschrift „Morgen, Mittag, Abend, Nacht“ total faszinierend. Ich wollte unbedingt auch so eine Dose wie meine Großeltern haben, aus sie zu jeder Mahlzeit ein paar bunte Pillen essen mussten. Jetzt fand ich es einfach nur nervig. Nimmt man das Zeug nun vor oder nach dem Essen? Mit Wasser oder ohne? Und wofür um alles in der Welt sind die einzelnen Dinger eigentlich gut? Fragen über Fragen, mit denen ich mich meistens so sehr beschäftigt habe, dass ich es am Ende meistens einfach komplett vergessen habe, die Tabletten zu nehmen.
N wie Narkose
Nachdem ich die OP überstanden hatte und aus der Narkose erwacht war, fühlte ich mich großartig. Ich hatte keine Schmerzen und alles war auf einmal so leicht. Lange konnte ich mich zwar nicht wachhalten, aber so versuchte ich als Gegenmaßnahme, ständig andere Patienten im Aufwachraum anzusprechen. Als man mich dann eine Stunde später wieder zurück in mein Zimmer geschoben hatte, verlangte ich sofort nach meinem Handy (aufgrund von Entzugserscheinungen wie bei Buchstabe L erwähnt). Ich wollte unbedingt ganz viele Nachrichten verschicken (natürlich Sprachmemos, die kleinen Buchstaben auf dem Display konnte ich nämlich irgendwie nicht so gut erkennen) und anrufen musste ich auch. Ich wusste zwar noch nicht wen und worüber wir sprechen sollten, aber es war bestimmt sehr dringend. All diejenigen, zu denen ich in dieser post-operativen Phase Kontakt aufgenommen habe, waren jedenfalls prächtig amüsiert. Bevor ich das realisiert habe, war ich aber schon wieder eingeschlafen.
O wie Operationstisch
Um halb acht Uhr morgens wurde ich bettlägrig aus meinem Zimmer durch irgendwelche Flure geschoben und in einem kleinen Raum von meinem kuscheligen auf ein unbequemes Bett gewälzt, das wohl eher ein Brett war. Und auf diesem lag ich nun, ein bisschen wie ein Tier vor der Schlachtung. Fast schon gnädig hatte man mir zwei aufgewärmte Kunststoffdecken übergeworfen, so fror ich wenigstens nicht auch noch. Ansonsten war meine Situation nämlich insgesamt eher unkomfortabel: Ich lag immerhin auf einem OP-Tisch. Man würde mich jetzt gleich aufschneiden und später wieder zusammennähen. Die Angst ist ein bisschen vergleichbar mit der vor einem Wettkampf (wenn man so ein Nervösling ist, wie ich): Man macht sich Sorgen, obwohl man meistens eigentlich keinen Grund dazu hat. Es geht ja doch eher selten etwas schief.
P wie Pizza
Dass Krankenhaus-Essen nicht gerade kulinarische Hochgenüsse zu bieten hat, ist ja nichts Neues. Dass es den Tagesbedarf eines Leistungssportlers nicht deckt, ebenfalls. Als ich mein erstes Abendessen serviert bekomme, war ich trotzdem ein bisschen traurig: Vier Scheiben Knäckebrot, drei Radieschen, Tomaten und Käse. Alles? Zugegeben, es war ein Berg an Käse. Der allein rettete die Mahlzeit aber trotzdem nicht. Was also tun? Ich habe mir zum Trost eine Pizza bestellt, die meinen Abend eindeutig gerettet hat. Lustigerweise hatte der Pizza-Bote nicht nur eine, sondern gleich einen Stapel von mindestens ein Dutzend Schachteln dabei. Er musste wohl nicht nur mein Abendessen, sondern auch von ein paar anderen Krankenhaus-Insassen komplettieren.
Dieser Text ist Teil 2 von „Franzis OP-ABC“.
Hier geht’s zu Teil 1.
Morgen erscheint der letzte Teil der Serie.