Ich möchte euch einen Einblick in diese Prozedur geben, die wir traditionell am Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT) in Leipzig durchführen.
Nach der recht langen Anreise am Vorabend erwartet mich schon früh am Morgen ein eng getakteter Zeitplan, denn „Mr. IAT“, Olaf Ernst, der die Läufer häufig auch in den Trainingslagern begleitet, legt großen Wert auf einen geregelten Ablauf. Das bedeutet für mich, dass um 6:45 Uhr der Wecker klingelt – denn schon um 7 Uhr steht die erste Untersuchung an. Nach der Abgabe einer Urinprobe befragt mich ein Arzt vor Ort in einer internistischen Sprechstunde, um mögliche gesundheitliche Probleme aufzudecken und entnimmt eine Blutprobe. Von dort aus geht es direkt zum EKG, bei dem eine Minute lang der Ruhepuls gemessen und auf Unregelmäßigkeiten beim Herzschlag geachtet wird.
Als nicht mehr ganz so angenehm entpuppt sich der folgende Termin, bei dem der komplette Körper vermessen wird – von der Größe über das Gewicht bis zur Armspannweite. Außerdem kommt eine „Fettzange“ zum Einsatz, mit der diverse Hautfalten von Kopf bis Bein gemessen werden. Ein ungesunder Lebensstil wird hier sofort aufgedeckt. Weiter geht’s mit einem Herzultraschall, bei dem gecheckt wird, ob das Herz den sportlichen Belastungen weiterhin gewachsen ist. Zu guter Letzt überprüft eine Orthopädin die Beweglichkeit des Körpers und gibt Tipps zur Optimierung der Körperhaltung. Nach diesem medizinischen Komplettpaket bleibt nur wenig Zeit für das wohlverdiente Frühstück, denn nur zwei Stunden später wird es ernst: Der Laufbandtest steht an, bei dem die Laktatschwellen ausgelotet werden, der Laufstil analysiert wird und die Sauerstoffaufnahme gemessen wird.
Also bloß keine Zeit verlieren! Im Eilschritt geht es zu unserem „Stammbäcker“, bei dem es schwerfällt, einigen süßen Versuchungen zu widerstehen. Doch natürlich hat der Test Vorrang. Nach dem leichten Frühstück stelle ich mich langsam auf die anstehende Belastung ein. Als Marathonläufer ist mein Schicksal, dass ich in der Regel 4×4000 Meter bei steigender Geschwindigkeit auf dem Laufband absolvieren muss, während die Distanz für Mittelstreckler eher 4×2000 Meter beträgt. Da meine Form schon recht gut ist, wird die Anfangsgeschwindigkeit auf 4,75 Meter/Sekunde festgelegt, wobei nach jedem Block um 0,25 Meter/Sekunde erhöht wird. Das heißt, dass der letzte Block ungefähr im Tempo von 3 Minuten pro Kilometer absolviert werden muss – mit 12 Kilometern in den Beinen eine echte Herausforderung, die schon sehr an ein hartes Tempoprogramm erinnert.
Also nehme ich mir vor, während der ersten Stufe bei knapp über 3:30 Minuten/Kilometer und der zweiten Stufe (ca. 3:20) möglichst viele Körner zu sparen. Nach jedem Block gibt es eine einminütige Pause, in der das Team um Olaf Ernst Laktat abnimmt. Außerdem muss auf den letzten 500 Metern jeder Stufe eine Plastikmaske über den Mund gelegt werden, sodass das Atemgas gemessen werden kann. Beim moderaten Anfangstempo ist dieser etwas unangenehme Vorgang natürlich kein Problem, doch bei den schnellen Stufen muss man darauf achten, nicht aus dem Rhythmus gebracht zu werden.
Langsam geht es zur Sache: 8 Kilometer sind absolviert und das Tempo erhöht sich auf knapp über 3:10 Minuten/Kilometer, als schon im Bereich meines Marathon-Tempos. Nach wie vor ist das Gefühl gut, auch wenn ich auf dem Laufband schon ordentlich schwitze. Mental stelle ich mich schon auf die finale Stufe ein, die sich der 3 Minuten/Kilometer-Marke nähert. Unter den wachsamen Augen meines Trainers und dem IAT-Team lässt sich aber auch diese Stufe problemlos abspulen. Nach drei der vier ausstehenden Kilometer freue ich mich langsam auf den „Feierabend“, denn der gefürchtete V02max-Test, bei dem sich die Geschwindigkeit des Laufbands alle 30 Sekunden bis zum Umfallen erhöht, steht für mich während der Marathonvorbereitung zum Glück nicht an.
Doch ich habe die Rechnung ohne meinen Trainer gemacht. Da die Laktatwerte während der Abnahmen in den Pausen sehr niedrig waren, sollte es für mich noch weiter gehen – „Versuch mal in die nächste Stufe einen Kilometer hineinzulaufen“. 5,75 Meter/Sekunde, also ca. 2:54 Minuten/Kilometer ist nach 16 gelaufenen Kilometern schon ein Wort. Also ging es weiter. Nachdem ich meinen Schritt gefunden hatte, war ich optimistisch, auch diesen Kilometer hinter mich zu bringen. Doch die mentale Folter war längst noch nicht beendet. Noch zwei Mal wurde die Distanz erhöht, sodass ich am Ende drei Kilometer in der fünften Stufe absolvierte. Während ich mich schon auf einen vierten Kilometer einstelle wurde ich schließlich dann doch erlöst. „Das reicht, die Stufe heben wir uns für’s nächste Mal auf“.
Nach dem Duschen lag die Auswertung des Leistungsstests schon bereit. Laktatkurve nach rechts verschoben, eine gute VL3 und VL2 (Geschwindigkeitsschwelle, bei der der Körper 2 bzw. 3 Laktat übersteigt) und eine niedrigere Herzfrequenz als beim letzten Mal – anhand dieser Werte kann die Trainingssteuerung optimiert werden. Nach einem kohlenhydratreichen Essen in der direkt nebenan liegenden Unimensa machten wir uns mit den neuen Erkenntnissen im Gepäck auf den Rückweg. Einige Tage später kommt dann auch die medizinische Auswertung der Tests am frühen Morgen bei mir an, zum Beispiel der Körperfettanteil, medizinische Befunde und allgemeine Daten.