Am späten Vormittag sitzt Michael Krell schon seit einiger Zeit im Büro in Nürnberg und hat alle Hände voll zu tun. Ein Ex-Triathlet am Schreibtisch, beschäftigt mit seinem Computer anstelle von Laufintervallen. In der Hand den Telefonhörer anstelle der Trinkflasche. Ausgeklügelte Trainingspläne schreibt er nur noch für andere, anstatt sie selbst zielstrebig in die Tat umzusetzen.
Larasch: Michael, wie ist das für dich, jetzt anstelle des Trainings viel mehr Zeit am Schreibtisch zu verbringen? Fehlt dir irgendwas?
Michael Krell: Nein, tatsächlich nicht. Irgendwann kommt man als Sportler ja an einen Punkt, an dem man alles erreicht hat, was man persönlich als Ziel hatte. Dann schleppt man erstens automatisch einen Riesen-Rucksack mit sich rum, genau diese Leistung immer wieder abrufen zu müssen, bloß nicht nachzulassen. Und zweitens ist man auch irgendwo zufrieden mit dem, was man geschafft hat. Ich habe meinen Ehrgeiz jetzt in einem anderen Bereich. Natürlich waren früher ganz andere Umfänge möglich – und das, obwohl ich zeitgleich berufstätig war – aber jetzt konzentriere ich mich vor allem auf’s Coaching und meine Bücher. Da gibt es eine Menge zu tun und ich freue mich ja sehr, dass beides so gut angenommen wird.

Wie kann man sich das vorstellen? Die Leute kommen auf dich zu und du schreibst dann Trainingspläne für sie?
Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Auch wenn, oder gerade weil bei mir das meiste über Online-Coaching läuft, müssen natürlich vorab wichtige Dinge abgeklärt werden, bevor ich einen Trainingsplan für einen Sportler schreiben kann. Da muss zuerst viel telefoniert werden, ich will die Person kennenlernen. Im Anschluss brauche ich auch ein paar Ausgangswerte, für die ich eine Testserie entwickelt habe. Darauf aufbauend lege ich die Umfänge und Intensitäten für den individuellen Sportler fest. Die Chemie zwischen Coach und Sportler muss stimmen, ich brauche genaue Daten über den Athleten und – was besonders wichtig für mich ist – sein Zeitbudget.
Weil Triathlontraining sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Kann es dann sein, dass jemand zu wenig Zeit hat? Wie sind drei Sportarten auf einmal denn überhaupt in einen „normalen“ Alltag mit Berufstätigkeit zu integrieren?
Mindestens 95% der Sportler, die ich betreue sind Berufstätige. Zu wenig Zeit gibt es eigentlich in keinem Job, und meist ist es eher eine Frage der Prioritäten. Man könnte auch sagen, dass gerade das mein Spezialgebiet als Coach ist, da ich früher zu meiner aktiven Zeit selbst erlebt habe, wie es ist, eine 40-50 Stunden-Woche zu arbeiten und sich parallel auf eine Langdistanz vorzubereiten. Da ist großes Organisationstalent und viel Disziplin gefragt. Und natürlich gibt es Dinge zu beachten und manches, was man lieber nicht tun sollte.
Gibt es denn auch Berufe, die sich gar mit Triathlon nicht vereinen lassen?
Das würde ich jetzt von vornherein nicht sagen. Aber prinzipiell eher schlecht geeignet sind natürlich alle Berufe, die körperlich schon sehr fordernd sind. Wer völlig erschöpft in den Feierabend geht, kann danach nicht noch ein anspruchsvolles Lauftraining absolvieren. Am häufigsten und am motiviertesten im Triathlonsport sind die „Managertypen“, die beruflich viel Verantwortung tragen, aber eben die meiste Zeit am Schreibtisch verbringen. Da ist dann das Verlangen nach körperlichen Herausforderungen besonders groß. Die Leute merken irgendwann: „Ich brauch Bewegung – nur wie?“ Wenn die Arbeit scheinbar nie zu Ende ist, wenn auch abends noch Mails gecheckt werden, fällt es ihnen schwer, Sport in ihren Alltag zu integrieren. Eine halbe Stunde am Tag reicht schon, um Trainingsfortschritte zu erzielen und gleichzeitig dafür zu sorgen, selbst zufriedener und ausgeglichener zu sein. Interessanterweise verhindern gerade diese 30min täglicher Sport oftmals einen Burnout, da der Körper hierbei am effektivsten Stresshormone abbaut. Darum dreht es sich auch in meinem neuen Buch „Das Maximalprinzip“.
Maximaler Erfolg mit überschaubaren Aufwand sozusagen? Wie soll man sich das im Triathlon vorstellen, wo es scheint, als könnte man nie genug trainieren?
Gerade wenn die Zeit zum Trainieren knapp bemessen ist, kommt es auf die Qualität des Trainings an, das muss man berücksichtigen. Ich weiß das aus meiner Zeit auf der Langdistanz: Ich habe meist nie länger als 15 Stunden pro Woche trainiert, insgesamt für alle drei Disziplinen, aber dafür umso intensiver und mit optimalen Inhalten.Ich bin kein Verfechter von „viel hilft viel“, sondern eindeutig von „weniger ist mehr“, das wird in meinem Buch deutlich. Was außerdem essentiell wichtig ist, ist ausreichend Regeneration zwischen den Einheiten.
Regeneration in welcher Form? Bestimmte Entspannungstechniken, vielleicht Yoga?
Die beste und effektivste Regenerationstechnik ist nach wie vor schlafen. Hier sparen wir immer am schnellsten. Wer morgens früh in die Arbeit muss, geht eben noch früher laufen und muss dementsprechend noch viel früher aufstehen. Da kann es schon mal vorkommen, dass Intervalle morgens um vier gestartet werden. Ohne ausreichend Schlaf ist das auf Dauer nicht durchzuhalten. Hierbei sollte man dann konsequent sein und früh genug schlafen gehen, mal einen Mittagsschlaf einbauen… Man sollte bedenken: Wer jeden Mittag eine halbe Stunde schläft, der hat am Ende der Woche mit 6,5 Stunden schon fast wieder eine ganze Nacht reingeholt. Wenn man so vorgeht, ist das mehr wert als große aktive „Erholungsmaßnahmen“. Davon abgesehen, sind Triathleten mehr die Grobmotoriker, da sehe ich bei Yoga und Co. schon mehr das Verletzungsrisiko als den gewünschten Effekt der Entspannung. Dann lieber noch ein paar Minuten abends dehnen, bevor’s abends in’s Bett geht.
Michael grinst. Er kennt den Triathlon nun schon jahrelang aus beiden Perspektiven: Aus der ehrgeizigen Sportlerperspektive und aus der Trainerperspektive, der immer wieder zum Bremsen mahnen muss. Gerade in den von ihm organisierten Trainingslagern, wenn die Sportler abseits vom Berufsleben endlich Zeit haben, muss er darauf achten, dass sie nicht übertreiben und aus einer 15h plötzlich eine 50h-Trainingswoche machen. Doch darauf hat er ein Auge – stets nach dem Motto „weniger ist mehr“ oder nach seinem Credo gesagt: „weniger ist maximal“.
Erhalte mehr Tipps vom Profi-Coach für Dein Training!
Mehr zum Thema Triathlon gibt es hier