Frank Heinen ist einer der wenigen Fotografen Deutschlands, der die Olympischen Spiele 2016 vor Ort hautnah erleben und fotografieren durfte. Heute berichtet Frank über seine Arbeit in Rio, seinen Weg zur Fotografie und gibt Einblicke in die alltägliche Arbeit eines Sportfotografen.
Larasch: Im Jahr 2016 warst du als Fotograf in Rio bei den Olympischen Spielen, sicherlich der Traum der meisten Sportfotografen, bei Olympia ganz nah dabei zu sein. Hattest du in den Wochen das Gefühl, deinen Traum vom Fotografieren zu leben?
Frank Heinen: Ich habe es in meiner Zeit als Leistungssportler im Tanzen leider nicht zu Olympia geschafft, da meine Sportart nicht in das olympische Programm aufgenommen wurde und nur bei den Olympischen Spielen in Sydney 2000 als Demonstrationssportart zu mindestens zur Diskussion stand. So war es schon ein großer Traum von mir als Fotograf es zu Olympia zu schaffen. Olympia ist und bleibt der Traum eines jeden Sportlers und auch vieler Beteiligter, die es nicht nur als Beruf sondern auch als Berufung sehen, dort einmal dabei zu sein. Der Weg, mit der Fotografie dort hin zu kommen, war auch nicht einfach, aber es war mein großes Ziel, wofür ich lange Jahre fotografiert habe. Das Gefühl den Traum von der (Sport)-Fotografie bei den Spielen in Rio zu leben, hatte ich nur in Teilbereichen. Viele Berufskollegen würden jetzt vermutlich eher den Begriff Albtraum benutzen. Eine Kleinigkeit war dabei, dass ich viereinhalb Wochen in einem Zimmer gelebt habe, welches kein Fenster hatte, aber den Preis einer Luxusherberge, zum Glück aber war ich ja nur kurze Stunden dort.
28 Sportarten und 306 Wettkämpfe fanden 2016 in Rio statt. Wie hast du die Entscheidungen getroffen, bei welchen Events du fotografieren möchtest oder hattest du von deiner Agentur bestimmte Vorgaben?
Ich hatte von meiner Agentur keine wirklichen Vorgaben, was aber leider auch beinhaltete, dass wir keine Direktabnehmer der Bilder in Form von Zeitungen oder Verlagen hatten. Somit habe ich als Einzelkämpfer mit den großen Agenturen konkurrieren müssen, die natürlich logistisch etc. viel besser bei so einen Event aufgestellt waren. Von daher war es eigentlich mein Ziel Bilder zu machen, die die großen Agenturen vielleicht nicht machen, aber dies ist heutzutage auch nicht mehr so einfach, besonders, wenn man von den „sonstigen“ Sportevents gewohnt ist, den Wettkampf so dokumentieren zu müssen, um den schreibenden Redaktionen gerecht zu werden. Ich bin relativ schnell wieder in diese dokumentierende Richtung verfallen. Das Augenmerk ging oft in die Richtung, „wo haben die deutschen Sportler Goldchancen?“ – da geh ich hin. Man hatte auch ein wenig das Gefühl, dass es ein Kampf unter den deutschen Fotografen gab, wer bei den meisten Goldmedaillen dabei war.
Aber ich habe mir schon eine Mischung gesucht aus den Sportarten, die ich noch nie fotografiert habe bzw. selten fotografieren kann und den Topevents, wo ich einfach dabei sein musste oder wollte. Mit gefühlt 500 oder noch mehr Fotografen, wieviel es wirklich waren weiß ich leider nicht, zwei Stunden für knapp 10 Sekunden auf Usain Bolt zu warten ist schon eine Herausforderung. Erstaunlicherweise hab ich Usain Bolt Bilder sogar sehr oft veröffentlicht. Generell habe ich natürlich schon meine Sportarten, die ich seit Jahren fotografiere, besucht. So war Reitsport selbstverständlich auf meinem Programm.
Im Fernsehen sind die Pressefotografen bei solchen Großveranstaltungen meistens nur im Hintergrund zu sehen, sie müssen funktionieren bei Wind und Wetter, da es sonst keine Bilder von den Events gibt. Gab es Momente, in denen dir der ganze Trubel zu viel wurde?
Zu viel geworden ist mir der Trubel eigentlich nicht, ich habe die Zeit komplett im wahrsten Sinne des Wortes durchgezogen und mir keine Pause gegönnt, obwohl mir die Heimat das quasi schon „befohlen“ hatte. Da griff dann wohl doch die Passion für die Sportfotografie. Ein wirkliches Touri-Programm oder einen freien Tag am Strand habe ich mir erst nach der Schlussfeier bis zum Rückflug gestattet. Ich ging nur kurz zur Christusstatue, wo ich durch eine Zufall die Goldmedaille einer englischen Ruderin noch in die Hand bekam und durch mein Architekturinteresse war ich noch beim Oscar Niemeyer Museum für zeitgenössische Kunst in Niteroi.
Das klingt nach einer anstrengenden aber prägenden Zeit in Brasilien. Das Abenteuer Olympia scheint dich fotografisch noch weiter gebracht zu haben, aber jetzt zurück zu deinen Anfängen in der Fotografie: Wann hast du mit dem Fotografieren begonnen und was war dein erstes Foto, das veröffentlicht wurde?
Ich habe schon sehr früh als Kind angefangen zu fotografieren. Und das auch direkt mit Sportfotografie. Mein älterer Bruder war bereits vor mir im Tanzsport erfolgreich und mir war das Applaudieren als Zuschauer einfach zu langweilig. So bekam ich von meinem Vater eine kleine Braun Pocket-Kamera mit einem 36 Film in die Hand und damit durfte ich ein Turnier dokumentieren. Mit jeder größeren Meisterschaft meines Bruders wurde meine Kameraausrüstung besser. Als es am 14.11.1992 zur Weltmeisterschaft im Formationstanzen nach Wien ging und mir dort das Fotografieren als 15-jähriger Fan verboten wurde, hatte mich ein Journalist mit in die Pressestelle genommen und mich mit seinem Presseausweis akkreditiert. Seit diesem Tag fotografiere ich offiziell als Pressefotograf.
Eine interessante Geschichte, von der Pocket-Kamera zum Sportfotografen also. Wir sehen, dass die Technik zwar nicht alles ist, aber trotzdem würden wir gerne wissen, mit welcher Ausrüsten du in die Sportfotografie gestartet bist.
Wie gerade erwähnt war es eigentlich eine Braun Pocket-Kamera ohne Wechselobjektive mit Film, die nichts konnte, aber ich habe schon gute Ergebnisse damit erzielt. Aber als erste wirkliche Ausrüstung würde ich dann die Minolta Dynax 7000i als Autofokus-Spiegelreflexkamera für Kleinbildfilm nennen.
Für alle weniger Technik-Begeisterten: Wie sprechen hier von Analogkameras mit Film, also ohne Speicherkarten, digitalem Sensor oder Display auf der Rückseite. Kaum vorstellbar, ohne die intelligenten Automatiken aktueller Modelle. Nachdem du aber mit dem Tanzsport begonnen hast bist du momentan meistens beim Reitsport und Fußball anzutreffen, was fasziniert dich dort besonders?
Ich sehe mich eigentlich ganz gerne als Allrounder, wobei mittlerweile Fussball, Eishockey, Radsport, Tanzsport und Reitsport meine verstärkten Sportarten sind. Als gebürtiger Aachener kriegt man den Reitsport mit in die Wiege gelegt, da geht man einfach zum CHIO. Ich wollte nach dem Autogrammjägerdasein als Jugendlicher da halt noch ein bisschen näher dran sein. Es ist faszinierend, wenn man in der Aachener Soers auf dem Turnierplatz fotografieren darf, die Höhe der Hindernisse aus kurzer Distanz sieht und die Eleganz und Kraft der Pferd und Reiter beim Überwinden dieser Hindernisse förmlich spüren kann.
Eigentlich bin ich eher ein Sportfotograf der „Randsportarten“, da ich als Sportler selbst erfolgreich eine Randsportart betrieben habe. Ich weiß, was diese Sportler alle leisten ohne ins wirklich grosse Rampenlicht zu kommen. Nennen wir es jetzt mal ein Stück Berufung die nicht so täglich im Fokus stehenden Sportarten und Sportler gut zu dokumentieren. Jede Sportart hat seine Spezialisten unter den Sportfotografen, die oft auch nicht wirklich gekannt werden. Ich bin es leider im Reitsport vermutlich auch nur bei den Insidern, obwohl ich schon 25 Jahre dort auf dem Platz stehe. Fussball ist und bleibt die Sportart Nr. 1 in Deutschland und ist damit auch die meistpublizierte Sportart in der Presse. Von daher bin ich natürlich seit vielen Jahren im Rhein-Main-Gebiet beim Fussball und es wurde zu einer meiner Kernsportarten.
Gab es dieses Jahr auch Momente, in denen du beim Fotografieren Pech hattest und dich noch Tage später über ein verpasstes Foto geärgert hast?
Ein einzelnes verpasstes Bild war es im letzten Jahr eigentlich nicht, obwohl ich mich natürlich schon bei einigen verpassten Bildmomente ärgere, dieses mal waren es viele Bilder eines historischen Momentes. Ich bin seit ca. 10 Jahren dauerakkreditierter Fotograf bei Eintracht Frankfurt. Dass ich dann zum Pokalfinale in Berlin nicht zugelassen wurde, habe ich als meine größte sportfotografische Niederlage bezeichnet. Als die Absage für mich kurz vor dem Finale kam, wusste ich, dass Eintracht Frankfurt den Pokal holt. Dass ich mich über ein verpasstes Spiel so ärgere, zeigt vielleicht aber auch die Passion, die man in der Sportfotografie finden kann, selbst wenn es Fussball ist 🙂 . Ich werde immer wissen, was ich am 19. Mai 2018 nicht getan habe.
Das klingt hart, einen solchen Moment nicht fotografieren zu dürfen, vor allem, da du ja schon seit so vielen Jahren dabei bist. An alle, die mit der Sportfotografie jetzt beginnen möchten, welchen Tipp kannst du ihnen für den Start mit auf ihren Weg geben?
Schult euren Motivblick für die Bewegungsabläufe der jeweilige Sportarten. Holt euch Anregungen bei den Bildern der jeweiligen Fachmagazinen der Sportarten oder was die Social-Media Plattformen der einzelnen Sportarten zeigen. Die beste Kameratechnik hilft nichts, wenn ihr den Blick für das Bild nicht trainiert.
In erster Linie bist du ja Sportfotograf, aber auch deine Studiobilder sind erste Klasse. Wie schwer fällt es dir, die Perfektion, die du im Studio umsetzt bei den Sportfotos teilweise aufgeben zu müssen, da die Situationen und das Licht von dir dort nicht beeinflusst werden können?
Danke erst einmal für das Kompliment. Ich sag jedoch erst einmal, dass es zur Perfektion bei den Studiobildern noch ein guter Weg ist. Da habe ich, wie in der Sportfotografie, noch viele Fotografen als Vorbilder, an denen es sich zu orientieren und messen gilt. Wenn man in vielen Bereichen fotografiert ist dies förderlich, da man eine schnelle Auffassungsgabe für die Dokumentation der Situationen hat, aber leider auch hinderlich, weil man nie als der absolute Spezialist in einer Disziplin angesehen wird.
Der Grundansatz meiner Studiofotografie und meiner Sportfotografie ist jedoch gleich. Ich will ein gutes Bild direkt aus der Kamera bekommen und nicht durch lange Nachbearbeitung. In der Sportfotografie im Pressebereich ist nicht zuletzt auch entscheidend, wer schnell das entscheidende Bild in möglichst perfektem Look liefert. Bei den Studiobildern kann man sich näher an diese Perfektion heranarbeiten, aber auch da möchte ich nicht stundenlang in Photoshop später Pixel schieben müssen. Im Studio kann man dies besser beeinflussen als im Sport. Ich habe analog das Fotografieren gelernt. Nennen wir meine Einstellung jetzt also ein Überbleibsel aus der analogen Zeit, wo ich 36 Bilder pro Film hatte und diese Bilder mussten sitzen.
Vielen Dank an Frank Heinen für diese einmaligen Einblicke seiner fotografischen Tätigkeiten rund um die Olympischen Spiele 2016 in Rio!
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