Nach Jonas Koller haben wir auch EM-Marathonläuferin Fabienne Königstein, ehemals Amrhein, interviewt. Wir haben nachgefragt, was sich bei ihr in den mittlerweile gut 1,5 Jahre seit der Heim-EM sowohl sportlich als auch abseits des Laufens getan hat und welche Ziele sie sich für die Olympiasaison 2020 gesetzt hat.
Fabienne Königstein: Zielzeit: 2:33:44 beste Deutsche, Platz 11
Fabienne, wir erreichen Dich gerade im Höhentrainingslager in Kenia. Bevor wir zu Deiner aktuellen Vorbereitung kommen, möchten wir mit Dir gern noch einmal auf den EM-Marathon in Berlin zurückblicken. Mit welchen Gefühlen erinnerst Du Dich an die EM in Berlin zurück?
Ich denke oft und gerne an Berlin 2018. Immerhin waren die Europameisterschaften auch mein letzter Marathon-Wettkampf. Seit 2018 hatte ich ja leider auch mit Verletzungen zu kämpfen gehabt. Vor allem in diesen Phasen waren die Erinnerungen an den Marathon in Berlin für mich eine große Motivation und Energiequelle. Und sind es noch: Wenn ich an die EM denke, weiß ich, warum ich immer noch dabei bin; bereit bin, mich täglich zu quälen und nach meinem Studium jetzt nochmal voll auf den Sport zu setzen.
Nimm uns doch mal mit, wie es Dir unmittelbar nach der EM ergangen ist und mit welcher Perspektive Du in den Winter 2018/2019 und die kommende Saison startetest?
Nach der EM war erst einmal Urlaub angesagt und danach begann der langsame Aufbau für die nächsten Wettkämpfe. In der direkten Vorbereitung auf die Cross-EM im Dezember in Tilburg habe ich mich sehr gut gefühlt. Mit meinem Rennen und Bronze im Team war ich sehr zufrieden. Zumal ich in der Woche vor der EM noch krank und bis zuletzt nicht sicher war, ob ich starte. Die Bronzemedaille war also eine tolle Belohnung und Jahresabschluss für 2018.
Im Januar 2019 war ich dann das erste Mal im Höhentrainingslager in Kenia. Für mich eine tolle Erfahrung; nicht nur von den Trainingsbedingungen, sondern auch vom Austausch mit den Athleten und der Stimmung insgesamt habe ich sehr profitiert.
Welche Ziele hattest Du Dir konkret für die Saison 2019 vorgenommen?
Nach meinem Höhentraining war der Berliner Halbmarathon das erste Wettkampfhighlight, um als erste Standortbestimmung und Zwischenziel auf dem Weg zu den Deutschen Meisterschaften in Düsseldorf zu dienen. Dort wollte ich dann auch versuchen, die Olympianorm für Tokyo zu laufen. In Berlin habe ich dann den direkten Effekt vom Höhentraining richtig positiv gemerkt: In einem für mich von Beginn an schnellen Rennen bin ich Bestzeit (71:39min) gelaufen und hatte gleichzeitig das Gefühl, richtig gut „rollen lassen“ zu können. Das war definitiv eine neue und motivierende Erfahrung; auch im Hinblick auf Düsseldorf.
Hier geht es zur Review des Düsseldorf-Marathons 2019
In Düsseldorf haben wir Dich dann aber nicht an der Startlinie gesehen. Was war los?
Ja. Das war ein herber Dämpfer. Drei Wochen vor Start war ich wegen Problemen im Fuß beim Sportmediziner. Das MRT hat dann sehr schnell und schonungslos die Diagnose Ermüdungsbruch im Fersenbein gebracht. Also kein Marathonstart und somit kein Angriff auf die Olympianorm, stattdessen mindestens 2 Monate Laufpause.
Wie hast Du die Phase verarbeitet und wie konntest Du die Zeit für Dich privat „nutzen“: Stichwort „Königstein“
Ja, meine Hochzeit im Frühjahr war in der Zeit ein Highlight und auch in gewisser Weise Ablenkung für mich. Da habe ich mir dann auch mal 2 Wochen Auszeit „gegönnt“. Insgesamt würde ich sagen, bin ich sehr positiv durch die Laufpause gekommen: Die ersten 6 Wochen habe ich nur im Wasser trainiert, das konnten durchaus mal 3-4h/Tag bedeuten. Anschließend kamen Rad und Crosstrainer sowie fokussiert Physiotherapie zum Aufbau der Fußmuskulatur und Strukturen dazu.
Wie bist Du nach der Pause dann wieder ins eigentliche Lauftraining eingestiegen?
Meine Ferse hat sich nach der Heilung wirklich wieder gut und komplett schmerzfrei angefühlt. Den Aufbau haben wir bewusst behutsam gestaltet, um den Strukturen – also Muskeln, Sehnen, Bändern – die nötige Anpassungszeit zu geben. Angefangen habe ich zum Beispiel mit 15min Joggen auf Rasen. In Kombination mit Physiotherapie und Alternativtraining haben wir die Umfänge dann im Sommer über 6-8 Wochen sukzessive gesteigert. Ich habe mich dann entschieden, bei den Deutschen 10km-Meisterschaften in Siegburg zu laufen. Dort bin ich ohne große Erwartungen an den Start gegangen und war über meine 33er-Zeit sehr positiv überrascht.
Die DM war Anfang September. Deinen geplanten Start beim Frankfurt-Marathon Ende Oktober musstest du trotzdem absagen. Wie kam es dazu?
Die Absage in Frankfurt ist mir schon sehr schwergefallen. Schon kurz vor der 10km-DM habe ich muskuläre Probleme in der Wade gespürt, konnte die Beschwerden aber im Wettkampf weglaufen. Allerdings zeigte sich im weiteren Verlauf eine Verhärtung des Wadenmuskels, vermutlich eine indirekte Folge des Ermüdungsbruchs. Gemeinsam mit meinen Ärzten habe ich versucht mittels schmerzadaptierten Trainings, medizinischer und physiotherapeutischer Behandlung eine angemessene Wettkampfform aufzubauen. Drei Wochen vor dem Marathon mussten wir jedoch einsehen, dass dies nicht gelingen konnte. Also habe ich die Saison abgebrochen, die Beschwerden auskuriert und einen erneuten Aufbau Mitte November begonnen.
Trotz der sportlichen Rückschläge hast Du im Februar einen großen Haken setzen können: Den Abschluss Deines Studiums in Molekularen Biowissenschaften mit der Masterarbeit „The association between consanguinity, Native American ancestry proportions and common childhood diseases in Chile”
War die Absage des Herbstmarathons da in gewisser Weise auch von Vorteil, um Dich komplett auf die akademische Arbeit zu konzentrieren?
Im Kopf mit Sicherheit. Wenn ich voll im Training und der Wettkampfvorbereitung bin, fokussiere ich mich auch mental sehr auf die Einheiten und habe natürlich auch Leistungsansprüche an mich. Diesen Druck hatte ich im Herbst nicht und somit mehr Energie, mich auf die Masterarbeit zu konzentrieren. Mehr Zeit zum Schreiben war allerdings nicht: Trainiert habe ich ja trotzdem und Alternativtraining ist deutlich zeitaufwändiger als „normales“ Lauftraining.
Hast Du aktuell schon Pläne, wie Du akademisch/beruflich jetzt weitermachen willst?
Mein Beruf ist jetzt der Profisport. Für eine Marathonläuferin bin ich noch jung und habe mein Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Was nach meiner Karriere kommt, weiß ich noch nicht. Jedoch kann ich mir aktuell eher vorstellen dem Sport verbunden zu bleiben, als in einem Labor zu stehen.
Und sportlich? Du hast sicher die starken Leistungen der anderen Deutschen zu Beginn des Jahres in Osaka, Barcelona und Sevilla mitverfolgt. Wie siehst Du die Konkurrenz und Deine Saison 2020; auch mit der Perspektive Olympia?
Aktuell gibt es einige sehr gute Marathonläuferinnen in Deutschland. Ich versuche aber schon, bei mir zu bleiben und mich nicht verrückt zu machen. Mein Ziel ist natürlich die Qualifikation und Teilnahme am olympischen Marathon in Sapporo. Im Frühjahr wird man sehen, welche Leistungen für Olympia reichen. Ich denke die Konkurrenz, vor allem um den dritten Startplatz hinter Melat Yisak Kejeta und Katharina Steinruck, wird spannend und da möchte ich natürlich gern mitmischen.
Welche Rennen hast Du jetzt im Frühjahr also geplant und wo wirst Du versuchen, die Olympianorm anzugreifen?
Eigentlich wollte ich direkt aus dem Höhentraining heraus die Halbmarathon-WM in Polen laufen. Am vergangenen Freitag hat der DLV mich als eine von vier Frauen nominiert. Leider wurde die WM am gleichen Tag vom Weltverband wegen des Corona-Virus auf Oktober verschoben. Das ist schade, weil ich gern im März im Nationaltrikot gelaufen wäre. Aber als Athlet muss man momentan flexibel und gleichzeitig fokussiert sein. Ich werde mir also einen anderen Halbmarathon suchen und hoffen, dass dieser auch stattfindet.
Das Training hier in Kenia läuft aktuell voll nach Plan und ich habe vor, bei den Deutschen Meisterschaften in Hannover zu starten.
Stichwort Training: Momentan befinden sich ja viele deutsche Läufer/innen in Kenia zur Vorbereitung auf die Olympiasaison. Wie ist die Stimmung bei Dir und unter Euch Athleten?
Kenia bietet für mich ein optimales Umfeld für Training und Regeneration. Es gibt neben dem Laufen nicht viel Ablenkung, aber eben ausreichend Zeit und Maßnahmen zur Regeneration. Und mit den anderen Athleten macht es sehr viel Freude: Abends sitzen wir öfter zusammen und haben eigentlich immer spannende und unterhaltsame Themen oder machen mal einen Spieleabend.
Die Stimmung ist gut, aber die Zeit hier im Trainingslager ist kein Urlaub, sondern harte Arbeit.
Ich genieße die Sonne und Landschaft hier im Training und empfinde es durchaus als Privileg, hier trainieren zu können. Aber die Trainingstage sind schon intensiv und kräftezehrend.
Wie sieht konkret Dein Trainingsalltag und Deine Trainingswoche in Kenia aus?
Mein Tag startet gegen 7:00 Uhr mit Frühstück, wo ich auch einige andere Deutsche treffe. Die erste Einheit absolviere ich meist ab 9:00 Uhr; das ist dann entweder eine Tempoeinheit oder längerer Dauerlauf. Im Anschluss nutze ich die Zeit für Stretching, Athletik oder das Kältebecken. Mittagessen gibt es gegen 12:30 Uhr. Den Nachmittag verbringe ich mit Schlafen und Physiotherapie, bevor es gegen 16:30 Uhr die zweite Trainingseinheit gibt. Für mich ist das meist ein normaler Dauerlauf oder eine Kraft- und Athletik-Einheit. Den Tagesabschluss bildet dann das Abendessen, nach dem wir oft noch in einer gemütlichen Runde zusammensitzen. Und um 22:00 Uhr gehen bei mir eigentlich die Lichter aus.
In der Woche komme ich so auf 130-150 Laufkilometer und zusätzliche 3-4h Alternativtraining. Die Intensitäten konzentrieren sich auf 3 Schlüsseleinheiten in der Woche: einmal kürzere Tempoläufe auf der Bahn, einmal längere Tempoläufe und ein qualitativer langer Dauerlauf.
Zum Abschluss hätten wir gern noch drei Tipps von Dir als Marathon-Profi. Was sind Deine Top 3 Empfehlungen bezüglich der optimalen Schuhwahl im Marathontraining und Wettkampf?
Grundsätzlich würde ich allen Läufer/innen empfehlen, zu Beginn des Marathontrainings eine Laufanalyse beim Spezialisten machen zu lassen. Der kann mögliche Fehlstellungen und auch das gesamte Laufverhalten beurteilen und gegebenenfalls mit Einlagen unterstützen. Im Idealfall für verschiedene Schuhe im Training und für den Wettkampf.
Im Marathonwettkampf selbst setzte ich auf einen leichten, aber dennoch stabilen Schuh. Den sollte man im Voraus entsprechend einlaufen und wenn möglich, an einem Vorbereitungswettkampf oder unter wettkampfähnlichen Bedingungen im Training testen.
Und ich versuche, je nach Ziel der Trainingseinheit, die Schuhe zu variieren. Auf der Bahn habe ich natürlich einen leichteren, dynamischen Schuh an als beim Dauerlauf. Hier in Kenia habe ich aktuell 6 Paar Laufschuhe dabei, um ausreichend zu wechseln und Druckstellen bzw. Fehlbelastungen vorzubeugen.
Fabienne, Vielen Dank für Deine Zeit! Wir wünschen Dir noch gute Einheiten in Kenia und freuen uns, Dich im Frühjahr dann an der Startlinie zum Marathon zu sehen!
Unsere Empfehlung:
Im PODIUM Magazin gibt es einen ausführlichen Beitrag über Fabienne Königstein.
Kurz in eigener Sache:
Larasch wird sowohl in Düsseldorf wieder vor Ort sein, um den Livestream des Marathonsrennens zu produzieren. Parallel sind wir natürlich auch beim HAJ in Hannover mit einem Videoteam vor Ort und haben uns hierfür ein paar kleine Besonderheiten und Zusatzformate überlegt. Sofern Corona nicht für Absagen sorgt, dürft ihr gespannt
sein. Demnächst mehr dazu.