Nach 3 Jahren, 4 Wochen Examen und 16 Prüfungen darf ich mich nun endlich offiziell PHYSIOTHERAPEUTIN nennen.
Ich kann es noch immer nicht ganz glauben und bin unfassbar glücklich. Endlich angekommen an dem Ziel, das man sich vor Jahren gesetzt hatte.
Endlich. Nach drei Jahren Ausbildung mit vielen schönen Momenten und Erfahrungen, genauso aber auch vielen Herausforderungen. Endlich. Nach drei Jahren in denen man nicht nur Fachliches gelernt hat, sondern sich auch menschlich sehr entwickelt hat. Ich denke da noch an die 18-Jährige, gerade ihr Abitur geschafft, teilweise ziemlich verunsichert und zurückgezogen, aber endlich in der Ausbildung auf die sie seit der 10. Klasse hinstrebte.
Was mir auf jeden Fall bewusst war bzw. wurde: Es wird eine Herausforderung und ich werde an mir arbeiten und an der ein oder anderen Stelle über meinen Schatten springen müssen. Oft bekam ich zu hören ich sei „zu still“ und es gab auch Menschen, die aufgrund meiner ruhigen Art bzw. Persönlichkeit daran zweifelten, ob ich es wirklich schaffen würde. Drei Jahre später, mit nun 21 Jahren um einiges an Erfahrung reicher, kann ich sagen: Ich habe die Herausforderung bewältigt, bin menschlich gewachsen und habe an mir und meinen Schwächen gearbeitet.
Aber nicht nur die knapp drei Jahre waren intensiv, sondern vor allem auch die letzten 4 Wochen Examen als Abschluss. Im Nachhinein würde ich fast sagen, es waren die intensivsten, härtesten und emotionalsten Wochen meines Lebens:
Noch nie habe ich so viel gelernt, noch nie habe ich so wenig geschlafen, noch nie habe ich so viel geweint und noch nie hatte ich solch eine Achterbahnfahrt der Gefühlen wie in den letzten 4 Wochen meiner Ausbildung.
Zum Verständnis: Vom 24.9 – 23.10 mussten insgesamt 16 Prüfungen bewältigt werden, schriftlich, praktisch und mündlich. Das hieß: Insgesamt 16 mal Aufregung.
Man könnte meinen, als Sportlerin komme ich gut mit Aufregung und Druck zurecht. Solange es um den Sport geht, mag das so sein. Denn was passiert schon, wenn ich ein schlechtes Rennen habe oder nicht die Zeit erreiche, die ich eigentlich rennen wollte? Ganz genau: Relativ wenig. Es ist ärgerlich, aber nicht weiter schlimm.
Beim Examen ist das für mich komplett anders und genau deswegen war auch die Aufregung so groß wie keine andere. Eine Aufregung, die bei mir teilweise ins Unermessliche stieg, die ich mal besser, mal schlechter im Griff hatte und die ich am ganzen Körper zu spüren bekam. Es gab Prüfungen da war es schlimmer und Prüfungen, in denen es besser ging. Aber so richtig gut kam ich nie zurecht. Ich hatte einfach jedes Mal Angst, alles Gelernte zu vergessen. Und jedes Mal war ich froh, wenn es vorbei war. Manchmal war die Anspannung so hoch oder man war so erschöpft, dass auch mal Tränen geflossen sind. Gerade in der letzten Woche, in der ich kaum zum Schlafen kam. Zu groß der Druck und das ständige Gedankenkarussell, das sich im Kopf drehte. Immer wieder der Wechsel zwischen Optimismus und Pessimismus. Zugegeben: Ich dachte öfter ans Durchfallen als dass ich es schaffen würde oder könnte, fielen mir nach der Prüfung doch oft eher die eigenen Fehler auf anstatt das, was gut lief. Eine Rückmeldung und Bewertung gab es erst ganz zum Schluss des Examens. Im Nachhinein betrachtet wahrscheinlich gut so, aber im Examen hat diese Ungewissheit mich doch belastet.
Naja, und dann, nach fast 4 Wochen war der Tag gekommen:
Der Tag an dem man erfahren sollte ob man es geschafft hat. Aber zuerst noch ein letztes Hindernis: Die Physiologie-Prüfung die ich aufgrund meines Nachnamens fast als Letzte absolvieren musste. Mittlerweile war ich komplett übermüdet durch meinen Schlafmangel. Jederzeit hätte ich überall direkt einschlafen können.
Der Sport, der mir sonst total wichtig war, hatte nur noch einen geringen Stellenwert. Die ersten drei Wochen des Examens ging ich noch regelmäßig laufen, weil es mir half. In den letzten zwei Wochen kaum. Ich war einfach zu fertig und die Energie, die noch da war, brauchte ich um das Lernen weiter durchziehen zu können bis zu diesem letzten Tag.
Der Tag, der echt heftig war, war gleichzeitig aber auch erlösend. Meine Anspannung vor der letzten Prüfung war wieder groß, aber nicht mehr so schlimm wie die letzten Wochen. Ehrlich gesagt wollte ich es einfach nur noch hinter mich bringen und war froh, als ich durch war. Die Stunde danach bis zur Verkündung fühlte sich dann ewig an und die Minuten bevor ich den Raum betrat noch viel länger. Zum Verständnis: Wir wurden nacheinander in den Raum der Direktorin gerufen und bekamen dort das Ergebnis durch einen Vertreter des Regierungspräsidiums mitgeteilt. Natürlich wieder in alphabetischer Reihenfolge. Ihr könnt glauben: Noch nie fand ich meinen Nachnamen so nervig wie im Examen 😀 .
Als es dann aber nun endlich soweit war, war ich, Überraschung, mal wieder total angespannt und in dem Moment, wo die Tür des Büros aufging war mein Puls gefühlt so hoch wie auf der Zielgeraden eines 10.000m-Rennens. „Hallo Frau Ritzel, möchten Sie sich hinsetzen?“, fragte mich der Mann vom Regierungspräsidiums ganz nett und ich entgegnete einfach kurz vorm Umfallen: „Nein danke, ich möchte es einfach nur wissen.“
Voller Angst, Aufregung stand ich dort und erwartete gespannt die Verkündung. Und dann fiel der Satz: „Herzlichen Glückwunsch, sie dürfen sich nun Physiotherapeutin nennen“. Das Gefühl in diesem Moment unbeschreiblich und schwer in Worten zu fassen. Ich konnte es fast gar nicht glauben hatte ich mich doch eher die ganze Zeit auf das Gegenteil eingestellt. Ich war einfach nur völlig erleichtert, überglücklich und hätte riesige Freudensprünge machen können, die ich anschließend vor dem Büro auch machte. Alles an Anspannung löste sich. Aber auch hier, bis auf diesen Moment, wieder ein Wechselspiel der Gefühle: Die Freude über die eigene Bestandene Prüfung andererseits Mitgefühl, Traurigkeit (und auch Wut) nicht mit allen feiern zu können. Ich will es gar nicht weiter vertiefen. Es war einfach wieder heftig.
Im Endeffekt kann ich mit ein paar Tagen Abstand sagen, dass es wohl eine der intensivsten Zeiten meines Lebens war und ich glaube, das merkt man auch beim Lesen dieses Textes.
Mir persönlich hilft es in solchen Phasen immer, Gedanken und Gefühle niederzuschreiben, um diese zu verarbeiten. Nach etwas längerem Überlegen habe ich mich nun auch entscheiden diese zu veröffentlichen.
zum einen, um eventuell dem ein oder anderen klar zu machen, dass hinter dem Beruf Physio mehr steckt als das bloße „Massieren“.
Zum anderen, um mitzuteilen, was mich persönlich etwas ärgerte: Lasst euch nicht einreden das Ihr etwas nicht schaffen könnt aufgrund eurer Persönlichkeit. Jeder Mensch ist einzigartig, jeder Mensch wählt verschiedene Wege, setzt sich verschiedene Ziele und jeder Mensch kann diese erreichen.
Anschließend, also „last but not least“ will ich Danke sagen. Vor allem meiner Mutter, meiner Schwester und Kathi, Elisa und den Leichtathletik-Mädels, die immer für mich da waren; sei es durch Zuhören, durch Mut zu sprechen oder auch mal eine ordentliche Ladung selbstgebackener Cookies. Und nicht zu vergessen: Danke an meinen Kurs für die gesamten drei Jahre und vor allem den Zusammenhalt in den letzten vier Wochen.
So beginnt nun ab Mitte November wieder ein neues Kapitel mit der Arbeit als Physiotherapeutin. Ich freue mich und hoffe
gleichzeitig diesen Einstieg gut meistern zu können und vor allem Freude zu haben an dem was ich tue.
Zusätzlich werde ich auch sportlich neu beginnen und hoffe spätestens 2021 wieder fähig zu sein anzugreifen.
Eure Lena