Wer fördert in Deutschland leistungsstarke, aufstrebende und ehrgeizige Athleten? Sind internationale Erfolge der einzig sinnvolle Maßstab? Was können Sportler tun, um ihre finanzielle Situation zu verbessern? Diesen Fragen gehen wir in einer dreiteiligen Serie mit Hendrik Pfeiffer auf den Grund.
Folge 1: Mangelhafte Unterstützung des DLV?
Stellen wir uns vor, es ist Olympia – und niemand geht hin.
Von diesem Szenario sind wir in der Leichtathletik glücklicherweise noch ein Stück entfernt, doch in Teilen des Athletenlagers herrscht nicht erst seit gestern Frust.
Frust über zu wenig Unterstützung auf dem schwierigen und kostspieligen Weg zu den Olympischen Spielen. Immer wieder kommt es zu heftigen verbalen Reaktionen gegen den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), wenn es um finanzielle Unterstützung oder um Nominierungsrichtlinien für internationale Meisterschaften und der Kaderzugehörigkeit geht.
Wenn einer der erfolgreichsten deutschen Trainer im Laufbereich, Kurt Ring aus Regensburg, die Aussage „viele Top-Athleten verrichten […] ihren Job des von der sportlichen Führung gewünschten Vollprofis auf Hartz IV-Niveau bei einer 60-Stunden Woche und meist fehlender Sozialabsicherung“¹ öffentlich trifft, sollte man diesem offenbar stark ausgeprägten Frust Beachtung schenken.
Denn wie kann ein Verband die teilweise stark verschärften deutschen Normen für internationale Meisterschaften, die eine Endkampfplatzierung des Qualifikanten sicherstellen sollen, rechtfertigen, wenn sich die eigenen Athleten häufig mit anderen Dingen als dem Sport beschäftigen müssen?
Die Betonung liegt, wenn es nach Ring geht, auf dem Wort ,müssen‘, denn „in Sportarten wie der Leichtathletik tragen die talentierten Topathleten/Innen unter Hintanstellung ihrer Ausbildungs- bzw. frühen Berufskarrieren das volle Risiko für ihr Engagement im Hochleistungssport“, so Ring.
Dass in Person von Philipp Pflieger einer der besten deutschen Marathonläufer in diesem Jahrtausend und Marcel Fehr einer der vielversprechendsten Mittelstreckentalente der letzten Jahre nicht mal mehr im Bundeskader sind, könnte man ebenfalls hinterfragen. Dazu Ring: „Wer nicht fördert, kann auch nicht fordern.“
Wie viel Wahrheit steckt in dieser Aussage?
Fakt ist, dass nur ein Bruchteil der deutschen Spitzenleichtathleten gut von ihrem Sport leben kann und nur in Ausnahmefällen Rücklagen für die Jahre nach der Karriere beiseitelegen, geschweige denn eine echte Altersvorsorge aufbauen kann.
Um international konkurrenzfähig zu sein, ist eine solide finanzielle Basis aber unabdingbar. Beispielsweise verbringt der norwegische Marathon-Europarekordhalter Sondre Moen fast zwei Drittel des Jahres in der kenianischen Höhenluft – so etwas will bezahlt werden.
Auch in meinem Fall ist mein wichtigstes Standbein bei weitem nicht der DLV, sondern mein Verein TV Wattenscheid, der seine Athleten nach Kräften unterstützt, sowohl mit Trainingslagerzuschüssen als auch mit einer monatlichen Aufwandsentschädigung. Hinzu kommen Physiotherapie, Zuschüsse bei der Sportbekleidung für die Athleten, die keinen individuellen Ausrüstervertrag besitzen, und natürlich die sportliche Infrastruktur. Diese Möglichkeiten haben bundesweit aber nur eine Handvoll Vereine und selbst mein Club ist alles andere als finanziell auf Rosen gebettet.
Auf sportlicher Ebene nehmen auch Stiftungen einen großen Stellenwert bei meiner persönlichen Förderung ein: Die deutsche Sporthilfe ist in Kombination mit dem von ihr initiierten Deutsche Bank-Sportstipendium für Studenten eine feste Säule meiner Existenz. Hinzu kam vor allen in den kritischen Übergangsjahren nach dem Abitur und in der U23-Klasse finanzielle Unterstützung der Sportstiftung NRW, die dafür gesorgt hatte, dass ich meinen Eltern nur in kleinem Rahmen aus der Tasche liegen musste. Mit diesem Modell gehöre ich allerdings schon zu den privilegierteren Athleten, da ich leistungsbedingt meistens in der höchsten Förderstufe, dem ehemaligen Junior-Elite-Team des DLV, gelistet wurde.
Auch wenn mir dadurch seitens des DLV ein Großteil der Trainingslager finanziert wurde, wäre ich ohne die Unterstützung meiner Eltern vor allem in den U23-Jahren aufgeschmissen gewesen. Denn auch der Alltag muss ja irgendwie bestritten werden.
Athleten auf einem ähnlichen Level, die nur wenige Sekunden langsamer sind, kommen nicht in den Genuss der DLV- und Stiftungsgelder und sind erst recht stark von ihren Eltern abhängig. Doch gerade zu diesem Zeitpunkt müssten die Weichen für eine professionelle Sportkarriere gestellt werden. In dieser Situation kann man den Talenten nicht verübeln, wenn sie sich für ein Vollzeit-Studium und das Berufsleben entscheiden. An dieser Stelle geht der deutschen Leichtathletik enormes Potenzial verloren.
¹Quelle Zitat Kurt Ring: http://blv-sport.de/index.php?id=377&tx_ttnews%5Btt_news%5D=2195&cHash=acae61d5225bf199384b672ff31c990a )