Wer fördert in Deutschland leistungsstarke, aufstrebende und ehrgeizige Athleten? Sind internationale Erfolge der einzig sinnvolle Maßstab? Was können Sportler tun, um ihre finanzielle Situation zu verbessern? Diesen Fragen gehen wir in einer dreiteiligen Serie mit Hendrik Pfeiffer auf den Grund.
Hier geht’s zu Folge 1.
Folge 2: Sportfinanzierung = Eigenverantwortung ?
Die entscheidende Frage ist, wie viel Eigeninitiative man den Athleten für ihre Existenzabsicherung zumuten kann und wie viel staatliche Unterstützung eingefordert werden darf. Immerhin bietet der Staat durch die Sportfördergruppen von Bundeswehr und Bundespolizei zwei Modelle an, die den Sportlern eine professionelle Sportkarriere ermöglichen.
Der große Haken: Wer nach seinem Karriereende nicht lebenslang Polizist sein will oder das System Bundeswehr nicht mit seinem Gewissen vereinbaren will, bleibt außen vor, zumal die Platzkontingente äußerst gering sind.
Hier besteht meiner Meinung nach Nachbesserungsbedarf im Hinblick auf eine Ausweitung auf andere Berufe. Man darf nicht vergessen: Der Großteil des Lebens spielt sich nach der Sportkarriere ab.
Was ebenfalls problematisch ist: Alle bislang angesprochenen Modelle – von Bundeswehr über Stiftungszuschüsse bis hin zu Vereinsförderung – sind strikt an Leistung gebunden.
Während sich in der Regel eine durch Verletzungen ausgefallene Saison mit einem wohlwollenden Umfeld noch kompensieren lässt, wird es bei weiteren Verletzungen kritisch. Man droht, von heute auf morgen einen Großteil seines Einkommens schlagartig zu verlieren. Dieser Gedanke hat durchaus eine Rolle gespielt, als ich mich 2016 trotz angeschlagener Gesundheit für mein Marathon-Debüt in Düsseldorf entschieden hatte, anstatt die Saison vorzeitig abzubrechen. Ich wollte schlichtweg nicht mit leeren Händen dastehen.
Auch hier müsste den Athleten eine größere Sicherheit zugestanden werden. Dazu trägt die neue Spitzensportreform, die die bislang wenig erfolgreiche Sportarten schlichtweg fallen lässt und plakativ gesagt nur noch den Erfolg fördert, jedenfalls nichts bei. Dass die globale Konkurrenzsituation im 100 Meter-Lauf oder Marathon überhaupt nicht mit beispielsweise dem medaillenträchtigen Bobsport vergleichbar ist, wird schlichtweg ausgeklammert. Was zählt, sind Medaillen – eine fatale Denkweise.
Glücklicherweise stärkt mir in meinem jetzigen Verletzungsfall mein Verein erneut den Rücken, doch ich vermag nicht zu sagen, ob ich Ende des Jahres noch im Kader bleibe. Der Sprung in die Sportfördergruppe Bundeswehr wurde mir durch meine Verletzung verwehrt, was sich wiederum negativ auf die nächsten Jahre auswirken wird. Vor dem Hintergrund der verpassten EM, finanziellen Einbußen durch Wettkampfabstinenz und der zeit- und kostenaufwendigen Reha fühlt sich dies wie eine Vierfachbestrafung an.
Stichwort reduzierte Kaderplätze durch die Spitzensportreform, der auch schon unser 2:12 Stunden-Marathonmann und Olympiateilnehmer Phillipp Pflieger zum Opfer gefallen ist: Diese Ungewissheit sollte Athleten erspart bleiben und ihnen stattdessen mehr Vertrauen entgegengebracht werden. Wer es so weit gebracht hat, hat höchstwahrscheinlich nicht die Absicht, das System finanziell auszunutzen, sondern ordnet alles dem Erfolg unter.
Bei allen Schwierigkeiten kommen auf der sportlichen Ebene jedoch einige Möglichkeiten, die der Athlet ausschöpfen kann, hinzu, wenn er seine Phantasie nutzt.
Glücklicherweise gibt es hierzulande immer noch Menschen, die auch abseits des Fußballs andere Sportarten unterstützen. Wie sich sicherlich bereits herauslesen lässt, muss man sich die persönliche Finanzierung in einer Individualsportart wie der Leichtathletik als eine Vielzahl verschiedener Mosaikstückchen vorstellen, die man mit Kreativität ergänzen kann.
So bin ich beispielsweise Botschafter für den Köln Marathon, bei dem ich einige meiner bis dato größten Erfolge erzielt habe und blogge für Larasch. Ich biete zudem Trainingsberatungen an und setze so mein durch den Leistungssport angeeignetes Know-How ein.
Mit solchen Projekten lässt sich das ein oder andere Trainingslager bezahlen. Viele Athleten reizen darüber hinaus die Möglichkeiten der sozialen Medien, allen voran Facebook und Instagram, aus und bauen dort enorme Reichweiten auf, wie beispielsweise die Sprinterin Alica Schmidt oder Hindernis-Ass Gesa Krause.
Auch Crowdfunding wird zunehmend als projektbezogene Einnahmequelle entdeckt. So haben sich die DM-Aspiranten Denise Schuhmacher und Toni Riediger (beide Schalke 04) ihren Traum vom Höhentrainingslager in St. Moritz als Vorbereitung auf die Deutsche Meisterschaft in Nürnberg erfüllen können.
Bis zu einem gewissen Punkt gilt: Jeder ist seines Glückes Schmied. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass sich mit jeder PR-Aktion der Fokus vom reinen Training abwendet. Hier gilt es, eine sinnvolle Balance zu finden. Nur aus eigener Kraft erreicht kaum ein Athlet die finanzielle Basis für eine Karriere auf Weltniveau. Hier ist der Staat in der Pflicht. Denn bei aller Kritik am DLV kann der Verband nun mal nur das Geld ausgeben, das er zur Verfügung hat.