Wer fördert in Deutschland leistungsstarke, aufstrebende und ehrgeizige Athleten? Sind internationale Erfolge der einzig sinnvolle Maßstab? Was können Sportler tun, um ihre finanzielle Situation zu verbessern? Diesen Fragen gehen wir in einer dreiteiligen Serie mit Hendrik Pfeiffer auf den Grund.
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Folge 3: Duale Karriere – sinnvoll oder überfordernd?
Neben der Betrachtung auf der sportlichen Ebene darf zudem nicht die berufliche Perspektive vernachlässigt werden, die meiner Meinung nach in Deutschland zumindest in Sportarten abseits des Fußballs mit in Betracht gezogen werden muss.
Während beispielsweise in Kenia in vielen Fällen der einzige Weg aus der Armut im Laufen liegt und dort diesem Lebensentwurf in vielen Fällen alles untergeordnet ist, ist die duale Karriere in Deutschland auch im Hinblick auf die Verantwortung sich selbst gegenüber essentiell.
Selbstverständlich gibt es auch hier Ausnahmen, die es sich erlauben können, wie zum Beispiel Gesa Krause. Sie hat die Erfahrung gemacht hat, dass ab einem gewissen Leistungsniveau schlichtweg keine Kompromisse mehr mit der Uni eingegangen werden können und entschied sich auf Kosten des Studiums für die Bundeswehr. „Nach einem halben Jahr musste ich schmerzlich feststellen, dass für mich nicht beides auf einem optimalen Niveau zu schaffen war“, schreibt die Hindernisläuferin auf ihrer Homepage.
Glücklicherweise habe ich in diesem Bereich die Erfahrung gemacht, dass es hier einen gewissen Spielraum gibt, der der aktuellen Situation angepasst werden kann. Mein Ziel ist, mein Journalistik-Studium während der Sportkarriere möglichst weit voranzutreiben, dabei aber möglichst wenig die Sportkarriere einzuschränken.
Glücklicherweise kommt mir die TU Dortmund in diesem Bereich sehr entgegen und ermöglicht mir, das Studium individuell zu strecken. In Verletzungsphasen erhöhe ich meine Präsenzzeiten an der Uni und fahre sie herunter, wenn es auf die Saisonhöhepunkte zugeht. Bis zu meinem aktuellen Leistungsvermögen hat das gut funktioniert, wie es beim Sprung in die absolute Weltklasse – wie im Fall Gesa Krause – aussieht, werde ich hoffentlich noch erfahren.

Enormes Potenzial birgt meiner Meinung nach auch der Kontakt zur freien Wirtschaft. Da die Politik selbst in einem reichen Land wie Deutschland nicht wirklich bereit ist, den Leistungssport in Deutschland angemessen zu fördern, bietet die starke Wirtschaft in Deutschland eine große Chance und zwar explizit für beide Seiten.
Diese Erfahrung habe ich am eigenen Leib machen können. Während meiner Verletzungspause im Herbst 2016 kam ich mit dem Projekt „Zwillingskarriere“ der Sportstiftung NRW in Kontakt, das die Karriere für Spitzensportler in großen Unternehmen mit der Sportwelt in Einklang bringen soll.
Im Zuge dessen begann ich meine Tätigkeit als Werkstudent im Bereich Corporate Communications beim Stahlhändler Klöckner & Co SE in Duisburg. Die Besonderheit dieses Pilotprojekts: Es handelt sich um eine flexible Stelle im Umfang von 10 Stunden pro Woche, die wiederum flexibel auf das Jahr in Kombination mit Homeoffice verteilt werden.
So war es mir möglich, Anfang des Jahres zwei vierwöchige Höhentrainingslager in Kenia und USA wahrzunehmen, ohne den Kontakt zum Unternehmen zu verlieren und konnte weiterhin Aufgaben im Homeoffice wahrnehmen.
Auf der anderen Seite habe ich während meiner Verletzungsphase in Vollzeit gearbeitet. Der große Vorteil: Ich bekomme wertvolle Berufseinblicke, die andere Profiathleten erst nach ihrer Karriere sammeln können und habe zudem eine finanzielle Sicherheit, die in diesem Fall endlich mal nicht von sportlichem Erfolg abhängt.
Parallel dazu profitiert mein Arbeitgeber neben meinen im Studium erlernten Fähigkeiten vor allem von einem Perspektivwechsel. Als Leistungssportler, gerade als Marathonläufer, bin ich es gewohnt, zielstrebig und diszipliniert projektbezogen zu arbeiten, versorge die Mitarbeiter des Unternehmens mit gesundheitlichen und sportbezogenen Tipps und kann zudem das Unternehmen in den Medien platzieren.

Jüngstes Beispiel: Ich habe beim Vivawest Marathon einen neuen Guinness-Weltrekord Halbmarathon im Klöckner-Anzug aufgestellt, um auf dieses Modell einer dualen Karriere aufmerksam zu machen. Das Medienecho war enorm. Im Vorjahr gewann ich unter der Flagge des Klöckner-Firmenlaufteams Fit4Steel den Duisburger TARGOBANK-Lauf, wodurch unser Unternehmen eine hohe Bühnenpräsenz erlangte und im Anschluss einige Initiativbewerbungen bei unserer deutschen Landesgesellschaft eingingen, da wir uns als moderner Arbeitgeber präsentieren konnten.
Im Gegensatz zum klassischen Sportsponsoring entsteht durch dieses Modell eine direkte Win-Win-Situation für beide Seiten. Ein Modell, das in Deutschland noch kaum etabliert ist, aber gerade im Hinblick auf die vielen Talente, die sich für den Einstieg ins Berufsleben und gegen den Sport entscheiden, langfristig der Schlüssel für ein erfolgreicheres Abschneiden Deutschlands bei Olympischen Spielen und anderen Meisterschaften sein kann.
Auch, wenn innerhalb dieses Modells vielleicht nicht der Sprung in die absolute Weltklasse gelingt, da es sich ja immer noch um einen Kompromiss zwischen Sport und Arbeit und in meinem Fall zusätzlich noch Uni handelt, werden die Talente so zumindest an internationales Niveau herangeführt. Sie haben dann immer noch die Option, sich für einen bestimmten Zeitraum zu 100 Prozent zum Beispiel als Teil der Bundeswehr-Sportfördergruppe zu professionalisieren, bevor es dann wieder zurück ins Berufsleben geht. Der Kontakt zum Unternehmen ist zu diesem Zeitpunkt ja schon vorhanden.
Vor diesem Hintergrund sehe ich auch die Medien in der Verantwortung, dem Dschungel an individueller Ausgangssituationen Rechnung zu tragen und Leistungen dementsprechend einzuordnen.
Mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch erinnere ich mich an die Berichterstattung über Konstanze Klosterhalfens siebten Platz bei der diesjährigen Hallen-WM über 3000 Meter. Siebte der Welt! Im Alter von 21 Jahren umgeben von Weltstars wie der Weltrekordhalterin Genzebe Dibaba lief sie einen großen Teil des Rennens von der Spitze weg zu einer stattlichen Platzierung auf globaler Ebene.
Spiegel Online titelte: „Klosterhalfen über 3000 Meter chancenlos“. Ich finde: Keine schlechte Leistung neben ihrem Studium in Köln. Dass Leute wie Genzebe Dibaba noch die Schulbank drücken müssen, bezweifle ich.
Leider ist diese Art der Berichterstattung ein Beispiel von vielen und führt in der öffentlichen Wahrnehmung dazu, dass sich die nicht so etablierten Sportarten weiter marginalisieren. Denn wer möchte eine „chancenlose“ Athletin fördern, auch wenn sie in den vergangenen Jahren gefühlt jeden möglichen nationalen Nachwuchsrekord eingefahren hat.
Viele Medien abseits der Fachpresse differenzieren kaum, sondern drucken nur die reinen Zahlen ab. Dass Richard Ringer im Frühjahr trotz Halbtagjobs zu einer Spitzenzeit von 27:36 Minuten über 10 000 Meter stürmte, war Spiegel Online nicht mal eine Meldung wert. Klar, der Weltrekord ist über eine Minute schneller, aber der Weltrekord mit Halbtagjob sicherlich nicht.