In letzter Zeit jagen immer wieder neue Gesichter über die Straßen oder durchs Gelände und glänzen mit herausstechenden Leistungen. Je mehr ich mich in der Laufszene tümmele, umso größer scheint mir das Potential deutscher Läuferinnen und Läufer. An jeder Ecke, in jeder Stadt und insbesondere auf den Straßen oder im Gelände sprechen die Leistungen für sich bzw. das Talent dieser Flitzer. Talent, das heutzutage als solches aber nicht die Förderung bekommt, um sich zu entfalten. Talente, die zwischen Leidenschaft und Sicherheit abwägen, ob sie den Weg des Leistungssportlers gehen oder nicht. Und das macht traurig und wütend zugleich, dass der Sport bzw. insbesondere die Leichtathletik heutzutage um jeden Cent, um mickrige Quäntchen Aufmerksamkeit und Anerkennung betteln müssen.
Am liebsten würde ich Leute wie Dirk Lange und Alexander Pohle (die Kollegen, die LaRaSch ins Leben gerufen haben), Simon Stützel (der als Moderator den Fokus richtig lenkt und versteht, wovon er spricht) oder Sebastian Keiner (das Jugendwunder auf der Bahn und der beste Kandidat, die Athletenkommission mit schlagsicheren Argumenten anzuführen) klonen, damit es von solchen Personen mehr gibt, die das ganze Sportsystem umkrempeln.
Damit Läufer wie Amanal Petros (SV Brackwede, U23), der zuletzt in Tilburg beim entscheidenden Crosslauf glänzte und sich für die Cross EM in Chia (Italien) qualifizierte, ihre Potentiale herausfordern, indem sie die entsprechende Förderung erhalten.
Es sind Menschen, die für ein und dieselbe Leidenschaft brennen – Sport bzw. in Amanals Fall das Laufen. Sie geben alles und müssen teils schweren Herzens Abstriche machen, ohne die es oftmals nicht möglich ist, vorne mitzurennen.
Wäre Amanal beim Fußball geblieben und würde das Laufen ebenso entscheidend sein wie Tore schießen, würde er mittlerweile bestimmt jene Erstligisten in Grund und Boden rennen und dafür entsprechend honoriert werden. „Entsprechend“ aber auch nur hier, weil normalerweise sind die Gehälter und Prämien für Fußballer eine Krösus-hafte Streicheleinheit. Diese als angemessen zu beurteilen, wäre mehr als realitätsfern. Aber in den Fußballligen kursiert ja schon seit Jahren eine eigene Wirklichkeit.
Aber zurück zu Amanal. Dieser hat wie gesagt als Fußballer angefangen, bis er nach den Worten seines Trainers: „Du bist zwar viel gelaufen, aber Fußball hast du nicht gespielt.“ einsehen musste, dass seine Laufstärke woanders besser aufgehoben ist. Also suchte er sich einen Verein und konnte seinen Laufdrang und -hang ausleben:
„Laufen bedeutet für mich, meine körperlichen Grenzen austesten zu können. Die Kombination aus Schnelligkeit und Ausdauer gefällt mir besonders. Beim Training kann ich die Natur genießen und manchmal auch mit Freunden entspannen.“
Dabei ist die Kälte und schlechtes Wetter die größten Herausforderungen für Amanal: „Es ist nicht einfach unter diesen Bedingungen motiviert ins Training zu starten. Im Winter ist es manchmal sogar so schlimm, dass ich meine Hände nicht mehr bewegen kann und Schwierigkeiten habe, mit dem Schlüssel die Haustür aufzuschließen.“
Wenn ich aber auf die letzten Ergebnisse schaue – wie beim Cross in Pforzheim oder Tilburg, wo es es schließlich nicht gerade warm war – scheint ihm die Kälte nicht all zu sehr auszubremsen. Ich frage mich, was wir dann in den wärmeren Monaten erwarten dürfen…
„10.000m und 5.000m sowie Crosslauf sind meine liebsten Disziplinen. 5.000.-10.000m Strecken kenne ich seit meiner Kindheit, da ich damals immer zu Fuß zur Schule gelaufen bin. Ein Fahrrad oder ein Auto gab es nicht.“
Seit mehr als vier Jahren ist der gebürtige Äthiopier nun in Deutschland. Als ich ihn nach seinen persönlichen Erfolgen fragte, nannte er mir nicht nur seinen dritten Platz letztes Jahr bei der Cross EM in Hyeres (Frankreich), sondern besonders auch die Erfolge im privaten Leben: „In der Zeit, in der ich nun hier bin, habe ich viele Freunde gewonnen und wurde sogar eingebürgert.“
Das spricht einfach für ihn. Seine Menschlichkeit, seine Offenheit – als ich ihn in Pforzheim das erste Mal persönlich treffen durfte, war seine Herzlichkeit als auch seine Lebenseuphorie ein klarer Sympathieträger.
Ein Läufer mit einem wertvollen Kern.
Das macht allerdings wieder wütend. Amanal ist nämlich nicht der einzige, der es als Sportler und Mensch verdient hätte, eine entsprechende Gegenleistung für seine Leistung zu bekommen. Eine Leistung, die er tagtäglich abliefert – unabhängig von dem Erfolg am Tag X.
Aber dieses Problem ist leider nichts Neues.
Damit jemand wie Amanal, dessen größtes Ziel die Teilnahme an der Olympiade 2020 in Tokio ist, einen erfolgreichen Schulabschluss sowie eine erfolgreiche sportliche Karriere hinlegen kann, bedarf es einer langfristigen Förderung und Absicherung. Damit der Schritt nämlich, sich für eine Leistungssportkarriere zu entscheiden, nicht weitere (Existenz-)Fragen aufwirft.
Aber Amanal bringt bereits viel Kraft und den Ehrgeiz mit, seine Ziele strebsam anzugehen. Das hat er auch dem Laufen selbst zu verdanken, das ihn lehrte: „Stark sein bedeutet, nach dem Fallen immer wieder aufzustehen“. Das hilft ihm in vielen Situationen und gibt ihm die Kraft, weiterzumachen. Der Sport lehrte ihn aber nicht nur stark zu sein, sondern auch die notwendige Disziplin und Geduld aufzubringen.
Bei Schokomuffins allerdings hört diese Disziplin auf: „Das ist eine meiner Schwächen 😀 Schokomuffins – die machen mich verrückt.“
Amanal ist jemand, der eigentlich bei jeder Frage nicht nur an den Sport denkt, sondern auch an jene, die bei allem hinter ihm stehen.
So antwortet er auf die Frage, wer oder was ihn motiviert: „Abebe Bikila, ein äthiopischer Marathonläufer, der 1960 in Rom sogar ohne Schuhe einen Marathon lief. Aber es motiviert mich auch, wenn meine Freundin mir etwas Gutes zu essen kocht. Oder Zuschauer und Fans an der Strecke sind immer eine große Motivation für mich.“
Amanal hat das Herz am rechten Fleck. Und mit seinem Erfolgsrezept: „Tägliches Training, viel Wasser trinken und ausreichend Regeneration auf dem Sofa.“ wird er seinen Weg gehen!
Dafür wünschen wir dir nicht nur Gesundheit und Durchaltevermögen, sondern auch die Zeit, um einfach auch mal entspannt mit deiner Freundin durch die Stadt zu bummeln. „Auch wenn ich dabei oft angesprochen werde, sodass meine Freundin irgendwann alleine weitergeht und mit mir redet, obwohl ich stehengeblieben bin.“ – solange es einem von euch rechtzeitig auffällt, ist ja alles gut 😉
An dieser Stelle ein Dank an jene, die immer hinter uns stehen und uns auf einem nicht immer leichten Weg unterstützen!