Benedikt Hoffmann, einer der besten deutschen Bergläufer, hat sich in der Corona-Zeit eine – salopp gesagt – verrückte wie extreme Herausforderung überlegt: Ein Laubandmarathon mit 4.219,5 Höhenmetern. Wir finden das Projekt, mit dem er gleichzeitig Spenden erlaufen möchte, eine spannende und coole Idee und werden Benedikt per Livestream bei seinem Weltrekordversuch (sub 4 Stunden) am 4. Juli 2020 begleiten. Vorab wollten wir natürlich wissen, was ihn motiviert und wie er sich auf seine Bergchallenge vorbereitet:
Benedikt, Stell doch kurz das Projekt vor, vor allem wie Du darauf gekommen bist!
Die Vorfreude auf die Laufsaison 2020 war groß – doch dann kam die Coronakrise und hat das soziale und wirtschaftliche Leben ausgebremst.
Klar, auch das Sportleben war voll getroffen. Jeder wünscht sich, dass es irgendwann weiter geht mit Wettkampfsport! Ich glaube, die Regeln unseren geliebten Leistungs- und Breitensport betreiben zu können müssen neu gedacht werden – zumindest für einige Monate.
Am 4. Juli 2020 war der Zermatt-Marathon (42,2 KM, 1.944 HM) in meinem Wettkampfkalender fest eingeplant, nachdem ich 2019 dort gewinnen konnte. Leider wurde auch dieser Bergmarathon wie auch alle anderen Events abgesagt. Da habe ich mich gefragt, welche Alternativen es für mich geben kann und mir kam die Idee, einen Bergmarathon auf dem Laufband zu simulieren. Auf dem Laufband fehlt zwar der Genuss der spektakulären Berglandschaft, aber die sportliche Herausforderung ist gegeben. Für den „Kopf“ ist es sogar noch härter: Der Laufschritt ist monoton, die Umgebung immer dieselbe. Dennoch: Als Leistungssportler liebe ich es, an die Grenzen zu gehen!
Welche genaue Geschwindigkeit peilst Du an und hast Du bereits Erfahrung sammeln können, eine solche Distanz bei 10% Steigung zu absolvieren?
Die optimale Geschwindigkeit im Vorfeld zu ermitteln, ist ganz schwer einzuschätzen. Man kann sich an einer möglichen Marathonzeit orientieren und die dann auf die 4.195 Höhenmeter umrechnen, die gelaufen werden müssen.
Bei einer Marathonzeit von 2:20 h im Flachen ergibt das 3:44 h. Diese Rechnungen sind aber kritisch, denn für solche Umrechnungen gibt es verschiedenste Formeln. Zudem ist die Belastung auf dem Laufband eine Steigung zu laufen sehr, sehr speziell. Mehr Hinweise haben mir im Vorfeld Trainingseinheiten auf dem Laufband gegeben bei denen ich stets den Puls im Auge hatte. Zudem bin ich noch einen Halbmarathon bei 10% auf dem Laufband in 1:55 Stunden gelaufen. Dieses Tempo von 5:27 Min/km möchte ich mindestens auch für den Marathon anpeilen. Dann lande ich am Ende bei ca. 3:50 Stunden. Wenn ab Kilometer 25 noch Luft nach oben ist – umso besser!
Du bist als Bergläufer schon bei zahlreichen WMs und EMs für Deutschland an den Start gegangen. Welcher Anstieg in der Natur war bisher Dein längster und welche Höhenmeter hast Du dabei zurückgelegt?
Beim Stilfserjoch-Marathon 2019 waren 2.500 Höhenmeter auf den letzten 31 Kilometern zu bewältigen – es ging nahezu konstant hoch. Das war mein längster Anstieg am Stück.
Gibt es eigentlich einen Pass, der Deinem Projekt recht nahe kommt? (Konstante Steigung, ca. 4.200hm am Stück?)
Ich kenne so einen Pass nicht. Mag sein, dass der Himalaya oder die Anden so etwas zu bieten haben. Auf Teneriffa bin ich vor ca. 10 Jahren häufig mit dem Rennrad vom Meer aus zur Seilbahnstation des Teide gefahren. Dort hat man zumindest 2.700 Höhenmeter.
Wie bereitest Du Dich aktuell auf die spezielle Belastung vor? Hast Du Dir auch besondere Trainingsreize überlegt, um die sehr einseitige Belastung ohne Krämpfe usw. zu überstehen?
Mein Training war in den ersten zwei Monaten von hohen Umfängen in Laufschuhen und auf dem Rad geprägt – mit möglichst vielen Höhenmetern. 150-170 Wochenkilometer habe ich dabei zurückgelegt. Die letzten sechs Wochen gestalte ich das Training nun immer spezifischer. Ich versuche, mich an die Steilheit von 10% zu gewöhnen, indem ich viele Intervallläufe bergauf trainiere. Meinem Ideenreichtum ist dabei keine Grenze gesetzt. Zum Beispiel laufe ich häufig einen 1km langen Anstieg mit 120 Höhenmeter hoch, schiebe dabei mein Rennrad hoch, um dann schnell wieder bergab zu fahren. Davon mache ich 8-10 Wiederholungen. Das ist kein Zuckerschlecken! Hinzu kommt einmal pro Woche eine Trainingseineit auf dem Laufband, damit ich die richtige Einstellung im Kopf finde und mich an den Schritt auf dem Laufband gewöhne.
Was ist der größte Unterschied für Dich zwischen dem Laufen auf dem Laufband und in der Natur?
Das Laufen in der Natur ist viel abwechslungsreicher. Das Streckenprofil, der Laufuntergrund, aber auch das Klima ändert sich ständig – was läuferisch enorm viel Flexibilität abverlangt. Motivierend ist natürlich, dass die Landschaft sich ständig ändert. Laufen auf dem Laufband ist dagegen völlig monoton. Zudem laufe ich den Marathon ja bei einer konstanten Steigung. Das ist muskulär herausfordernd. Für das Laufbandlaufen spricht allerdings, dass man quasi unter „Laborbedingungen“ laufen kann. Für einen Leistungssportler hat das auch Vorteile, um an seine physiologischen Grenzen zu gehen.
Wie bereitest Du Dich mental auf die Monotonie während des Laufs auf dem Laufband vor?
Die fehlende Abwechslung ist tatsächlich ein Problem. Schon bei dem Halbmarathon den ich auf dem Laufband gelaufen bin, habe ich viel an Bergmarathons gedacht, die ich in der Vergangenheit gelaufen bin – das motiviert. Zudem hilft die Gewissheit, dass viele zu Hause sich über Youtube meinen „Bergmarathon“ verfolgen.
Du rufst parallel zu Spenden an das Deutsche Kinderhilfswerk auf? Was ist Dir daran besonders wichtig?
Seit Beginn der Coronakrise erlebe ich als Lehrer hautnah, dass die Umstellung auf das digitale „Homeschooling“ für viel Kids ein Problem darstellt, da sie unter anderem nicht über die notwendige digitale Ausstattung verfügen. Daher habe ich mich entschieden für das Deutsches Kinderhilfswerk e.V. zu spenden. Ganz konkret soll das gespendete Geld in das Förderprojekt Corona-Nothilfe-Pakete fließen. Dabei werden bedürftige Vereine, Institutionen, Beratungsstellen und soziale Einrichtungen unterstützt, um das Bildungsangebot von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Eine Förderung die mir als Lehrer besonders am Herzen liegt. Zudem ist das Deutsche Kinderhilfswerk ein vertrauenswürdiger Partner für eine Spendenaktion.
Gehört das Laufbandtraining fest zu Deinem Trainingsalltag als Ultra- & Bergläufer oder ist es höchstens die Ausnahme und aktuell ein einmaliger Ausflug?
In meiner Heimatregion gibt es nur Anstiege bis 300 HM. Daher nutze ich hin und wieder auch ein Laufband, um mich durch Intervalltraining bei 6-10% Steigung für Bergläufe vorzubereiten. Es ist aber nur in der ganz spezifischen Vorbereitung von Bedeutung.
Hoffst Du noch auf reale Wettkämpfe in der Saison 2020?
Oh ja! Die Stimmung von einem Stadtmarathon oder einem Berglauf ist nicht zu toppen. Die Verbände haben für die Durchführung nationaler und internationaler Meisterschaften für den Rest der Saison aber die Verantwortung nicht übernehmen wollen. Alle Meisterschaften für meine Disziplinen sind abgesagt. Kommerzielle Veranstaltungen wie diverse Stadt- und Bergmarathons sind hingegen mutiger – deren Planungen laufen ja schon. Hoffen wir, dass es noch eine Straßen- und Berglaufsaison 2020 im Herbst gibt!
Danke Benedikt! Wir freuen uns, Dein Projekt zu begleiten und sind gespannt auf den 4. Juli! Bis dahin ein gutes Training!
Hier geht’s zur Projekt „Worldrecord-Marathonclimb“