Wir haben uns bemüht, das Hin und Her der vergangenen Tage ein wenig aus unserer Perspektive zu rekonstruieren. Das, was vorgefallen ist, ist ein ärgerliches Konglomerat aus Missverständnissen, Unklarheiten und unabsichtlichen Vermutungen. Wir, das Larasch.de-Team, waren selbst davon betroffen, obwohl wir sicherlich nichts Böses im Sinne hatten. Aber starten wir von vorn…
Das Interview dauert 21:59min. Das Video von Sabrina Mockenhaupt wurde auf dem Youtube-Kanal „Garmin DACH“ am 14.12. online gestellt und seitdem 3540 mal aufgerufen, 40 mal geliked, Dislikes gibt es keine. Im Thumbnail sieht man Sabrina Mockenhaupt weinen.
Wer weiß, dass Sabrina Mockenhaupt eine Sportlerin ist, die neben ihren Leistungen mitunter auch für ihre Emotionalität gekannt sowie geschätzt wird, wundert sich möglicherweise nicht. In Anbetracht dessen, dass sie die meiste Zeit des Videos aber fast schon ungewöhnlich gefasst ist und nur an einer Stelle gerührt ein Tränchen verdrückt, könnte man Garmin in Kombination mit dem Titel „Sabrina Mockenhaupt im Interview: Ihre größten Erfolge und ihre Zukunft“ schon fast Clickbait unterstellen.
Sei es, wie es ist – so ist sie nun mal heute, die superschöne Social-Media Welt: Schnellebig, regelmäßig aggressiv mit Werbung vollgepackt und nicht immer ganz ehrlich. Also quasi das komplette Gegenteil von Mocki selbst, die schon immer und für immer die ehrlichste Person war und sein wird, wie wir es über die Jahre miterleben konnten und wie sie es im Interview auch noch mehrmals betont.
So weit so gut. Aber worum geht es in dem Interview eigentlich? Es werden von einem Journalisten oder Reporter oder Garmin-Mitarbeiter Fragen gestellt (sie oder er ist nicht zu sehen, die Fragen werden lediglich eingeblendet, wir erfahren auch in der Info-Box nichts über sie oder ihn).
Ach ja, apropos Info-Box. Dort ist an allererster Stelle ein Satz zu lesen, der stutzig macht: „Sabrina Mockenhaupt hat heute bekanntgegeben, dass sie sich vom Langstreckenlauf auf Hochleistungsniveau verabschiedet.“ Aha. Darunter gleich ein Link auf die Garmin-Seite und – folgt man diesem – siehe da: ein Text, geschrieben von Alexander Balow, mit der nun ganz großen Überschrift: „Sabrina Mockenhaupt: Warum ihr Rücktritt ein Grund zur Freude ist.“
Der (geneigte und neugierig gemachte, nicht schon vorschnell urteilende und lediglich die Überschrift zur Kenntnis nehmende) Leser wendet sich nun dem Geschriebenen zu. Ein ganz persönlicher Text von einem Autor, der erkennbar beeindruckt ist von der Powerfrau und ihrer Karriere, aber ebenso ihrem Charakter, den Ecken und Kanten – kurzum: ihrer ganzen Einstellung. Der Beitrag schließt daher mit den folgenden Worten: „#BeatYesterday ist ihr Mantra und, wie sie selbst sagt, genau ihr Statement. #beMockivated ist ihre Inspiration, ihre Motivation für alle, die sich von ihr mitreißen lassen. Künftig dann vielleicht nicht mehr bei den großen Wettbewerben. Aber als Läuferin bleibt uns die 38-Jährige erhalten. Und als große Inspiration und als Vorbild.“
So. Und was nun? Sabrina Mockenhaupt bleibt dem Laufsport erhalten. Kapiert. Sabrina Mockenhaupt will vielleicht nicht mehr bei den großen Wettbewerben laufen. Auch kapiert. Sabrina Mockenhaupt bleibt Inspiration und Vorbild. Ganz klar. Aber – wo hat sich denn nun das angekündigte Karriereende aus der Überschrift versteckt?
Vielleicht bringt ja das fast 22-minütige Video-Interview Licht ins Dunkel. Das haben wir ja noch gar nicht angeschaut. Das Problem an der Sache, trotz mehrmaligem durchlaufenlassen, ist danach irgendwie immer noch nicht gelöst: Wir rätseln, was nun genau Sache ist.
Wir hören zum Einen Sätze wie: „Ich habe mit Heinz Weber den Grundstein für eine Karriere hingelegt, die so nicht zu erwarten war.“ Ist die dann jetzt vorbei oder läuft sie weiter, wie eben auch Mocki weiterläuft?
Es finden sich zum Anderen Formulierungen wie: „Von Rücktritt rede ich ja gar nicht, ich will ja weiterlaufen, nur auf einem anderen Niveau.“ Welches Niveau, ist Mocki aber selber nicht klar. Da will sie keinen „Druck mehr verspüren“. Verständlich.
Aber kaum sind ihre stattlichen 45 Deutschen Meistertitel zur Sprache gekommen, wirft Mocki plötzlich die überraschende Aussage in den Raum: „Ich will jetzt nix sagen, wer weiß, was ich noch mache, es ist nicht gesagt, dass nicht noch der ein oder andere dazukommt. Aber der kommt wenn, dann nur überraschenderweise.“
Überraschungstitel hat die Sportszene ja besonders gern, klingt allerdings auch nicht nach dem angekündigten Karriereende, oder? Es stellt sich ja auch niemand an die Startlinie einer Meisterschaft, der nicht zumindest Ambitionen auf eine leistungsstarke Performance hegt. Wie es in einer Sportlerkarriere nun mal der Fall ist. Sein sollte.
Aber mit den jüngeren Athletinnen um den Sieg wetteifern? „Das hat mir auch bis vor kurzem richtig viel Spaß gemacht, aber irgendwo habe ich mir jetzt dann auch gedacht: Warum? […] Warum muss man unbedingt noch zeigen, dass man vielleicht noch da ist oder vielleicht da noch besser ist. Ich freu mich, dass jetzt Nachwuchs kommt. […] Und da sage ich wieder, da kann eigentlich auch jeder für sein Leben daraus lernen, mess dich nie unbedingt immer mit der Jugend, sondern freu dich über dein Alter, was du erreicht hast und über deine Erfahrung und lass es gut sein und lass die Jugend endlich rennen.“
Was lässt Mocki denn nun gut sein? Wettkämpfe will sie doch noch machen, vielleicht sogar einen deutschen Überraschungs-Titel gewinnen, aber die Jugend soll auf jeden Fall vorne weglaufen? Der Zuschauer kommt nicht mehr hinterher, erst recht nicht, wenn dann die Frage gestellt wird: „Bedeutet dein Rückzug vom Hochleistungssport jetzt, dass du ab heute nicht mehr läufst?“
Die Antwort ist im Prinzip uninteressant, weil sie in den Minuten zuvor und auch in dem Beat-Yesterday-Text fast schon mantramäßig wiederholt wurde: Nein, Mocki läuft weiter. Nein, Mocki liebt das Laufen. Und ja, das ist erfreulich. Ja, das ist schön.
Aber die Frage sei erlaubt, was denn nun mit dem Rückzug vom Hochleistungssport dann eigentlich gemeint ist, wenn doch noch ein Deutscher Titel rausrutschen kann. Ist es ein Rückzug vom Hochleistungssport hin zum bloßen Leistungssport (wo auch immer die Grenze liegt)? Ist es ein Rückzug vom Hochleistungssport zum Hobbysport? Die Konsequenzen aus dieser Ratlosigkeit, mit der wir und wohl auch andere Zuschauer zurückblieben, hatten schlichtweg gravierende Folgen.
Und das alles liegt nicht mal unbedingt an Mocki, oder daran, dass sie sich möglicherweise missverständlich ausgedrückt hat, schließlich ist das Video geschnitten und wir wissen nicht, was ihr Gegenüber tatsächlich gesagt und gefragt hat. Vielleicht hat sie sich sogar sehr präzise erklärt und wir haben die Hälfte davon nicht zu sehen bekommen. So viel steht fest: Mocki kann mindestens zwei 22-Minuten-Videos füllen. Aber dieses eine, das es gibt, liefert viel Unklarheit in Kombination mit den zugehörigen, teils auch verlinkten Veröffentlichungen.
Und dann gibt es zu guter Letzt da noch einen weiteren Text, der am selben Tag auf laufen.de erschienen ist: „Sabrina Mockenhaupt beendet Profi-Karriere“ heißt es da in der Überschrift. Der Inhalt des Textes ähnelt in manchen Teilen dem Interview auf Youtube so stark, dass der Verdacht naheliegt, Autor Frank Steinsiefer sei wohl mit im Raum gesessen, möglicherweise hat er sogar die Fragen gestellt. Im Prinzip ist es aber auch nicht weiter von Belang.
Viel gewichtiger waren dagegen die Konsequenzen, die der DLV aus dieser medialen Kommunikation eines neuen Lebensabschnittes für Sabrina Mockenhaupt zog: Nur kurze Zeit später ereilte Mocki ein Schreiben, in dem sie ihre Rücktrittserklärung unterschreiben sollte. Mocki war gekränkt und ließ ihre Fans und Follower auch freigiebig daran teilhaben. Der positive Nebeneffekt war zweifelsohne, dass jeder klip und klar lesen konnte, wie es um Mockis Zukunft denn nun wirklich steht: „Ich beende meine sportliche Laufbahn nicht, sondern trete erstmal kürzer!“
Trotzdem war der Drops zu diesem Zeitpunkt schon gelutscht, denn längst hatten nicht nur laufen.de, Leichtathletik.de, weitere Medien und genau so auch das Larasch-Team in seinem Wochenrückblick die falsche Interpretation der Message aus der Video-Text-Kombi verbreitet à la „Mocki lässt’s gut sein“.
Mocki nutzte die darauffolgenden Tage, um ausführlich auf Facebook, Instagram sowie Live-Videos zu erklären und zu verdeutlichen, dass sie der Schritt des DLV und die fälschliche Berichterstattung nicht verstehe. Sie erklärte, dass nicht nur sie dem Verband Unterstützung zu verdanken habe, sondern auch dieser in den vergangenen Jahren mehrmals auf sie als verlässliche und mannschaftsorientierte Athletin hatte zählen können.
Die Verantwortlichen des DLV reagierten umgehend und entschuldigten sich bei Mocki für das forsche Vorgehen, dass allerdings wohl auch auf Erfahrungen aus der Vergangenheit beruhte.
Scheint also, als wäre der meiste Ärger aus der Welt geschafft. Weit gefehlt! Aus der fehlerhaften Berichterstattung, der Meinungsäußerung mancher Fans aber auch Kritiker entbrachen hitzige Diskussionen, über die berichtenden Medien und an erster Stelle den rücktrittsfordernen DLV entlud sich ein Shitstorm, der vielleicht dann für ein Missverständnis als doch etwas unverhältnismäßig bezeichnet werden könnte. Machen wir’s also lieber wie Mocki und schalten wir alle mal einen Gang runter.
Mocki bleibt uns erhalten, das ist doch eigentlich wunderbar. Die Mitteilung vom Schritt zu etwas mehr Ruhe und weniger Leistungsdruck, hätten vielleicht wir auch einfacher haben können. Aber sei es wie’s ist – getreu Mockis Motto #beatyesterday – für’s nächste Mal haben wir alle (Sportler, Sponsoren, DLV, Medien und damit natürlich auch Larasch.de) daraus gelernt.
Wobei wir selbstverständlich hoffen, dass nicht schon bald der nächste DLV-Athlet nach diesem Beispiel kürzer tritt. An die von der Grande Dame des Langstreckenlaufs neu für sich entdeckten (und durchaus lukrativeren) Sportarten Golf, Skifahren, Fitness-Training und die Hyrox-Challenge wollen wir nicht zu viele abgeben. Da sind wir ganz ehrlich, so wie Mocki.
Die Larasch-Redaktion
Hier geht’s zum Video von Garmin.
Hier geht’s zum Text von Alexander Balow.
Hier geht’s zum Text von Frank Steinsiefer auf laufen.de vom 14.12.
Hier geht’s zum Text von Frank Steinsiefer auf Leichtathletik.de vom 18.12.
Hier geht’s zu unserem letzten Wochenrückblick mit der „Falschmeldung“ vom Karriererücktritt.
Hier geht’s zu Mockis Statement auf Facebook.
Hier geht’s zu Mockis Statement auf Instagram.