Nein, jetzt mal ehrlich! Meine 39:30 Minuten kann man normalerweise nicht im Elite-Feld ansiedeln. Das Einzige, was man mit dieser Zeit aus dem besagten Feld erntet, sind stolze Momentaufnahmen im Startbereich, wo man sich noch neben den Profis wiederfindet. Nach dem Startschuss genießt man mit Glück noch wenige Meter die Gunst des elitären Windschattens ehe man die Spitze abreißen lässt und sich wie gewohnt unter den Ottonormal-Verbrennern einfindet.
Den Moment kann mir trotzdem keiner nehmen und die neue Bestzeit über 10km auch nicht. Fest steht: als ‚Elite-Läuferin‘ ist die Motivation deutlich höher und man verlässt bereits im Training zwangsläufig die gewohnte Komfortzone, um an seiner Form zu feilen.
So versucht man, nicht nur seinem Spitznamen gerecht zu werden, sondern jedes Mal eine Sekunde länger an der Spitze dranzubleiben. Schließlich bedeutet jede Sekunde, die man schneller läuft, gleichzeitig auch persönliche Bestzeit.
Aktuell habe ich zwei „elitäre Starts“ bestritten und damit tatsächlich auch zwei aktuelle PBs.
Die erste fiel in Berlin bei der City Night über 5km – die Uhr stoppte bei 18:51 Minuten. Die zweite fiel am Samstag in der drittgrößten Stadt Sachsens beim 1. Internationalen Chemnitzer Citylauf – die besagten 39:30 Minuten.
Aber diese Wettkämpfe brachten nicht nur neue Bestzeiten mit sich, sondern auch weitere Vorzüge…
Als Reporterin samt Presseausweis genieße ich während eines Wettkampfs zwar schon gewisse Privilegien, aber als Pseudo-Elite-Läuferin bekommt noch weitere Extras geboten: die Startunterlagen werden feierlich übergeben und man muss nirgends anstehen, ein extra Zelt im Start-Zielbereich wahrt deine sieben Sachen sicher und anschließend findest du dich im Restaurant wieder und kannst entleerte Speicher kostenfrei auffüllen.
In Chemnitz wurde dies mit einer Übernachtung im Athletenhotel, einem Shuttle-Service und persönlichem ‚Bodyguard‘ noch einmal getoppt.
Kurz ein paar mehr Details, wie es zu jenem Schirmherr kam…
Nachdem ich beim Zieleinlauf über Lautsprecher überraschend zu Ohren bekam, dass ich zweitschnellste Frau wurde, war meine Geleitperson auch prompt zur Stelle.
Sie stellte sich mir als Beauftragte der NADA vor – kürzen wir die Dame als Frau N. ab – und wollte bzw. musste eine Dopingkontrolle durchführen.
Bitte?
Okay… kurz einmal reseten. Sauerstoff aus den Beinen in den Kopf lassen. Den zweiten Platz realisieren und sich dann noch einmal vergewissern, ob nicht vielleicht eine Verwechslung vorliegt.
„Na, das stimmt schon so!“
Ich musste nicht nur einmal schmunzeln, aber die Story war für die rasende Reporterin natürlich perfekt. Frau N. fand daran natürlich nichts besonderes – aber wir uns gegenseitig zumindest schon einmal sympathisch.
Das machte es mir auch einfacher, sie in meine gewohnte Privat- bzw. zum Teil auch Intimsphäre vorzulassen.
An dieser Stelle kommen wir zum Urintest (für die, die es interessiert → weiterlesen; für alle anderen → Ende).
Frauen gehen zwar häufiger gemeinsam auf Toilette, aber – und damit muss ich den meisten Vorstellungen der Männer leider widersprechen – beim Prozedere des Wasserlassens ist jede Frau immer noch auf sich allein gestellt.
Zumindest das Beiwohnen der Dopingkontrolleurin war also indirekt keine ungewohnte Situation, aber auch sie konnte es nicht beeinflussen, wann und wie viel Flüssigkeit ihren Weg nach Draußen (bzw. in einen kleinen Becher) findet.
Das ‚wann‘ ist bei mir normalerweise kein Problem. Ich kann und muss eigentlich immer – häufig zu Leiden meiner Mitmenschen, die unterwegs mehrmals anhalten müssen oder die Stop-Taste beim ‚entspannten Filmschauen‘ mehr als einmal auf Funktion testen. (Ich glaube, das sind zwangsläufig jene Pausen, die mir normalerweise im Alltag fehlen – also, bitte seht es mir nach 😉
Komischerweise konnte diese Blasenschwäche bei der Dopingkontrolle aber nicht als Stärke eingesetzt werden. Ich trank Literweise aber dank jenem Druck von Außen wollte sich einfach kein innerer aufbauen lassen. Meine gewohnte Pollakisurie (überdurchschnittliche häufige Blasenentleerung) ließ mich also im Stich.
Ganze zwei Stunden dümpelten wir vor uns hin und anstatt mich endlich zu duschen (Begründung: „Dabei könnte ich willentlich oder aus Versehen Wasser lassen!“ What??? Naja, unkontrolliert laufe ich derzeit zumindest noch nicht aus) oder sich zu den anderen ins Restaurant zu gesellen, saß ich neben meinem Schatten auf der Treppe und smaltakte vor mich hin.
90ml mussten es doch nur werden. Aber ich musste nicht!
Gegen 21:30 Uhr regte sich dann aber endlich etwas in meiner Vesica urinaria (wenn wir schon in vulgäre Sphären vordringen, können wir ja zumindest dank Fachbegriffe eine seriöse Haltung wahren).
→ Die Miktion wurde eingeleitet!
Das Ergebnis: stolze 112ml! Und auch die erforderte Mindestdichte war trotz zwei Liter Wassers im Vorwege gegeben.
Nach etlichen streng kontrollierten Um- und Abfüllungen, Versiegelungen und Rechts-Zusprechungen, entzog ich mich schließlich wortwörtlich erleichtert dem Personenschutz und durfte mich wieder frei in Gesellschaft begeben.
Fazit: eine solche Aktion erlebt man nicht alle Tage und so kam natürlich auch die Sportjournalistin in mir auf ihre neugiereigen Kosten. Die rasende Reporterin machte ihrem Namen und ihrem Motto: „Mitten drin anstatt nur dabei“ also mal wieder alle Ehre.