Eine Lektion, die mich die Trainingslager in Kenia gelehrt haben, ist, dass eine flache Strecke mit wenigen Höhenmetern nicht unbedingt eine „gute“ Strecke ist. Klar, wer im Wettkampf auf Zeitenjagd geht, sollte sich für einen gering profilierten Kurs entscheiden. Doch das heißt nicht, dass in der Wettkampfvorbereitung nur auf flachen Strecken trainiert werden sollte. Wer wie viele der besten Läufer der Welt im Home of Champions im kenianischen Iten trainiert, sucht vergeblich nach Abschnitten ohne Steigung. Genau das ist eins der Geheimnisse, warum das Training unter diesen Bedingungen so effektiv ist. Ein anspruchsvolles Profil schult nicht nur die allgemeine Ausdauer, sondern auch die Fähigkeit, in den entscheidenden Situationen umzusetzen und nochmal antreten zu können. Der ständige Wechsel von aufwärts und abwärts verhindert zudem eine einseitige Belastung der Gelenke. Das Training in Kenia hat mir sozusagen die Augen geöffnet, da ich früher die wenigen Steigungen auf meinen Heimstrecken im Ruhrpott lieber gemieden hatte.
Das habe ich mittlerweile korrigiert. Gerade bei uns im Ruhrgebiet bieten sich nahezu ideale Bedingungen, seinen Dauerlauf durch das Einbauen der alten durch den Bergbau entstandenen Halden aufzuwerten. Die markanten Zeugen des Bergbauzeitalters sind überall bei uns verteilt und bieten einen guten Mix aus giftigen Anstiegen und langgezogenen Steigungen. Zudem sind sie oft begrünt, bieten einzigartige Blicke über die Region und verfügen über nicht asphaltierte gelenkschonende Wege. Ein großer Vorteil ist auch, dass sie durch die alten mittlerweile zu Radwegen umgebauten Bahntrassen verbunden sind und man so auf dem Weg von Halde zu Halde den Autoverkehr fast komplett meiden kann. Mittlerweile habe ich ein breites Portfolio aus landschaftlich sehr schönen und durch den gezielten Einbau der Halden auch kräftig profilierten Strecken zusammengestellt – alles innerhalb von 15 Minuten Fahrzeit mit dem Auto.
Gerade in der Marathonvorbereitung, wenn in der Woche um die 200 Kilometer zusammengekommen, bin ich sehr froh, dass ich immer aus eine große Streckenauswahl wählen kann. Je nach Bedarf suche ich meine Strecken aus: Bei schnellen Einheiten, bei denen es um das Einhalten bestimmter Zeitvorgaben geht (z.B. Tempodauerläufe, Tempoprogramme), setze ich auf die bewährten flachen Strecken im Stadion, am asphaltierten Kemnader See in Bochum oder auf den flachen asphaltierten Bahntrassen in Wattenscheid. Bei meinen normalen Dauerläufen und marathonspezifischen Longruns streue ich jedoch bewusst möglichst viele Halden-Höhenmeter ein und meide soweit es geht asphaltierte Strecken. Im Aufbautraining – zum Beispiel nach Verletzungen – setze ich zudem oft ein Laufband ein. Hier besteht der Vorteil, dass man nicht Hindernisse und Unebenheiten im Boden stolpern kann und man die Geschwindigkeit und Belastung optimal steuern kann. Auch bei extremen Wetterbedingungen bin ich froh, dass ich mich auf unser Woodway-Laufband am Olympiastützpunkt in Wattenscheid zurückziehen kann.
Falls ihr mal im Ruhrgebiet seid und eine coole Strecke sucht, hier sind meine Laufspots im Pott:
Gelsenkirchen/ Wattenscheid: Halde Rheinelbe (mit Anbindung an die Erzbahntrasse in Richtung Bochum und Essen)
Gelsenkirchen: Halde Zollverein 4/11 (kann mit Halde Schurenbach und einem Sightseeing-Run durch das Weltkulturerbe Zollverein verbunden werden)
Gelsenkirchen: Halde Pluto – Grimberger Sichel – Rhein-Herne-Kanal
Gelsenkirchen: Rungenberghalde – (Radweganbindung an Rhein-Herne-Kanal)
Essen: Schurenbachhalde – Halde Eickwinkel (kann mit Sightseeing-Run durch den Nordsternpark, Halde Zollverein 4/11 und einem Sightseeing-Run durch das Weltkulturerbe Zollverein verbunden werden)
Herten: Halde Hoheward (kann gut mit Halde Hoppenbruch verbunden werden)
Gladbeck: Halde Heringstraße – Mottbruchhalde
Bottrop: Halde Haniel
Bottrop: Halde Beckstraße („Tetraeder“)