Winter ist Crosslaufzeit. Der Reiz dieser Art von Wettbewerb ist der Kampf Mann gegen Mann bzw. Frau gegen Frau. Zeiten oder genau vermessene Strecken spielen höchstens eine untergeordnete Rolle, viel mehr sind Kraft, Ausdauer und Willensstärke gefragt. Durch die Anforderung verschiedener Fertigkeiten werden beim Cross außerdem die Platzierungen, verglichen mit den Vorleistungen eines Bahn- bzw. Straßenwettkampfes, teilweise ordentlich auf den Kopf gestellt, d. h. der Ausgang des Rennens hält oftmals eine Überraschung bereit.
Jedes Jahr findet in Kerkrade, gleich hinter der deutsch-niederländischen Grenze bei Herzogenrath, der Abdijcross auf dem Gelände der Abtei Rolduc statt. Hier werden an drei Tagen vom Ladies Night Fun Run über Trail bis hin zum eigentlichen Crosslauf die unterschiedlichsten Strecken angeboten. In den Niederlanden hat der Crosslauf einen deutlich höheren Stellenwert als in Deutschland. Seit diesem Jahr darf sich der Abdijcross zu den EAA Cross Permit Rennen dazuzählen; das ist sozusagen ein Qualitätssiegel des Europäischen Leichtathletikverbandes.
Ich folgte in diesem Jahr wieder der Einladung von den Organisatoren um Wim Sangen und Marcel de Veen und machte mich einen Tag vor dem Wettkampf zusammen mit meinen Teamkollegen Tom Ring und Leonardo Ortolano auf den Weg nach Kerkrade, um an dem international gut besetztem Langstreckenrennen über 10500m teilzunehmen. Der Parcours beim Abdijcross ist sehr anspruchsvoll, denn er hat alles, was ein guter Cross braucht. Tiefes Geläuf, Schlamm, Kehrtwenden, Gefälle und eine steile, langgezogene Rampe, verteilt auf zwei kurzen, einer mittleren und vier großen Runden. Durch die winterlich-nasse Witterung wurde der Wettkampf noch einmal erschwert.
Also: die langen Nägel unter die Schuhe, Trikot an und es konnte losgehen. Etwa 50 Athleten tippelten wartend auf der Startlinie, um der Kälte etwas entgegenzusetzen. Und dann erfolgte der Startschuss. Einfach so, ohne großes Kommando und alle rannten los, als wäre das Rennen schon nach 200m vorbei, aber das ist beim Cross nicht ungewöhnlich, denn jeder kämpft schon kurz nach dem Start um den besten Ausgangspunkt. Ein Grund, warum Cross von Anfang bis Ende hart ist. In Kerkrade war ich schon nach kurzer Zeit von Kopf bis Fuß voll mit Schlamm, aber auch das ist Cross. Ich ordnete mich in den ersten zwei Runden auf Platz 14 ein, wohlwissend, was noch auf mich zukommen würde, aber immer mit Kontakt zur Führungsgruppe. Diese musste ich jedoch schneller ziehen lassen als mir lieb war. Egal, mein Ziel war eine Platzierung unter den besten 15.
Im weiteren Verlauf konnte ich immer weiter aufholen und kämpfte mich zwischenzeitlich auf Platz neun. In der letzten Runde versuchte ich auf den trockeneren Waldpassagen ordentlich Druck zu machen, um Mostafa Benslimane und Zerom Ghebrihiwet abzuschütteln. Ich beschleunigte selbst auf der steilen bergab-Passage, blieb jedoch in der Kehrtwende irgendwie im Boden hängen und stürzte. Obwohl ich gleich wieder auf die Beine kam und das Rennen fortsetzte, konnten die beiden wieder aufschließen. Ab jetzt wurde es ein Kopf an Kopf Rennen in dem jeder versuchte seinen Vorteil zu suchen. Mostafa schaffte es als erster eine kleine Lücke aufzureißen, da er einfach besser im tiefen Geläuf zurechtkam. Zerom und ich kämpften bis zum Schluss um jeden Meter, wo ich leider den Kürzeren gezogen habe und knapp hinter ihm die Ziellinie überquerte. Es war ein hartes, aber tolles Rennen. Leider hat mir das tiefe Geläuf zu große Schwierigkeiten bereitet, was wahrscheinlich auf meinen Laufstil zurückzuführen ist, denn durch meinen langen Laufschritt und den Abdruck über den Vorfuß, habe ich keine gute Frequenz im Schlamm realisieren können. Meine Versuche meinen Laufstil den Gegebenheiten anzupassen, haben nur mäßig funktioniert. Mit einer ähnlichen Zeit wie im letzten Jahr und Platz 11, bei im Vergleich deutlich schwereren Bedingungen, kann ich sehr zufrieden sein und zeigt mir, dass ich schon eine gute Grundlage im Training legen konnte. Bester Deutscher wurde Thorben Dietz, der wieder ein superstarkes Rennen mit Platz 7 krönte. Ein gutes Rennen zeigten auch Tom Ring und Leonardo Ortolano auf Platz 21 bzw. 28. Die beiden waren vollends begeistert von der Strecke und der Veranstaltung. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie wieder nach Kerkrade kommen, ist groß. Sieger des Rennens wurde David Nilsson aus Schweden vor Dame Tasama und Onesphore Nkunzimana (beide Belgien).
Ich gebe es ganz ehrlich zu, zwischen dem Crosslauf und mir besteht eine kleine Hassliebe. Oft würde ich gerne darauf verzichten, ich sehe jedoch den enormen Mehrwert für das Grundlagentraining und der Wettkampfhärte. Der Crosslauf ist ehrlich und zeigt einem schonungslos die eigenen Grenzen und Baustellen auf. Von daher wird der Abdijcross bestimmt nicht der einzige Crosslauf dieses Jahr bleiben.
Welche Hassliebe habt ihr? Oder was war euer härtester Crosslauf-Moment?
Bis bald,
euer Jens