Nach Teil 1 unserer neuen Serie „Loslassen“ haben wir uns nun mit Maren Orth unterhalten. Vor exakt vier Monaten gab die mehrfache Deutsche Meisterin über 1500m und 3000m öffentlich das Ende ihrer aktiven Karriere bekannt. Wir haben sie im italienischen Cervia getroffen, wo sie ihren ehemaligen Verein, die LG Telis Finanz Regensburg, und ihren Ehemann Florian Orth bei der Vorbereitung auf die Sommersaison begleitet hat. Was hat sie in der Zeit ohne Leistungssport bewegt? Ist ihr der Abschied schwergefallen? Wir haben nachgefragt…
Larasch.de: Maren, auch für dich die wichtigste Frage zu Beginn: Wie geht es dir?
Maren Orth: Mir geht es sehr gut. Ich kann jetzt sagen, dass ich in meinem neuen Leben angekommen bin. Die letzten Monate ist ja wirklich viel passiert von Hausbau über Umzug, dann noch die Hochzeit – eigentlich waren es ja zwei Hochzeiten…
Zwei Hochzeiten?
Wir haben standesamtlich und kirchlich geheiratet. Da war so viel los und man hat so viele Dinge zu erledigen und zu organisieren, dass es mir irgendwie gar nicht schwergefallen ist, den Sport hinter mir zu lassen.
Die Entscheidung ist dir also gar nicht schwergefallen?
Irgendwann nicht mehr. Es war allerdings ein langer Prozess: Ich wollte es 2017 ja eigentlich nochmal wissen, nachdem Rio 2016 aus so ärgerlichen Gründen nicht geklappt hat (Maren Kock wurde in der dritten Nominierungsrunde ins Deutsche Olympiateam für Rio 2016 aufgenommen, diese Entscheidung wurde eine Woche später überraschend wieder zurückgenommen, hier kann die gesamte Geschichte nachgelesen werden, Anm. d. Red.). Durch das dabei entstandene Gefühlschaos wurde es ein ewiges Hin und Her, ich habe relativ lange gebraucht, eine endgültige Entscheidung zu
fällen. Immerhin ist das Laufen seit dem achten Lebensjahr ein fester Bestandteil meines Lebens gewesen. Wenn sich das schlagartig ändert, sieht der Alltag ja plötzlich ganz anders aus. Man macht mit einem Mal lauter andere Sachen, die man früher nie tun konnte.
Das klingt ja fast nach Aufholarbeit. Hattest du manchmal das Gefühl, durch den Leistungssport in deinem bisherigen Leben, vor allem in deiner Jugend etwas verpasst zu haben?
Nein, ganz und gar nicht. In meinem Freundeskreis wurde es schon immer akzeptiert, dass ich diejenige bin, die irgendwann heimgeht, wenn es abends etwas länger wird. Ich hatte als Jugendliche eine super Clique, wo das völlig in Ordnung war.
Dann hat sich dein Umfeld vermutlich nicht großartig verändert?
Wie man es nimmt: Ich habe durch den Umzug meine Heimat Lingen, das Emsland verlassen. Dadurch sehe ich meinen engsten Freundeskreis und auch meine Familie viel seltener. Das schmerzt schon ab und zu. Meine Schwester ist erst kürzlich Mutter geworden, ich bin jetzt Patentante. Wenn man dann abends Bilder von der Familie zugeschickt bekommt, wäre man natürlich viel lieber live dabei. Aber ich versuche, mindestens einmal im Monat vorbeizukommen. Größtenteils ist mein Umfeld also trotzdem gleich geblieben.
Und fehlt dir der Leistungssport nicht ein klitzekleines bisschen?
Zeitlich wäre es jetzt gar nicht mehr möglich. Ich arbeite jetzt ja viel mehr. Komischerweise geht mir aber auch gar nichts ab. Ich habe die Laufschuhe sogar relativ lange links liegen gelassen. Ich bin eben niemand, der nur hobbymäßig weitermachen möchte, oder bei Volksläufen mittrabt. Da würde ich doch immer auf meine alten Bestleistungen schielen und mir komisch vorkommen. Wenn ich etwas mache, dann ganz oder gar nicht.
Gibt es dann vielleicht andere Sportarten, die du jetzt ausprobieren möchtest?
Nein, ich wüsste nicht welche. Ich bin dem Laufen ja trotzdem weiterhin verbunden. Ich sehe das Oster-Trainingslager hier in Cervia auch ein bisschen als Motivation, wieder selber ein bisschen joggen zu gehen. Wenn auch nicht leistungsmäßig, ist das Laufen nach wie vor etwas, das ich unheimlich gerne mache. Jetzt eben nur für mich allein, für meine Gesundheit, für meine Fitness.
Wie beobachtest du dann deinen Ehemann Flo, der ja nach wie vor sehr fokussiert trainiert, gerade hier im Trainingslager?
Ich versuche einfach, ihn so gut es nur geht bei dem zu unterstützen, was er macht. Hier im Trainingslager mit der großen Gruppe ist das entspannter. Zuhause begleite ich ihn dann aber öfter auf dem Rad oder sorge dafür, dass abends nach dem Training gleich etwas Warmes auf dem Tisch steht. Aber ich bekomme jetzt selbst zum ersten Mal auch so richtig zu spüren, was es bedeutet, mit einem Leistungssportler zusammen zu sein, wenn man selbst nicht mehr leistungsmäßig trainiert. Das hat schon auch etwas mit Aufopferung zu tun.
Gibt es denn dann irgendwelche Ziele, die du gerne noch erreicht hättest, mit denen es nun aber einfach nicht mehr geklappt hat?
Naja, die EM in Berlin wäre für mich schon noch etwas gewesen, das ich gerne in Angriff genommen hätte. Ursprünglich hatte ich ja mal gesagt, dass ich nach 2018 nicht mehr weitermachen will. Aber je mehr ich mich dann mit dem Gedanken auseinandergesetzt hatte, aufzuhören, hat sogar dieses Highlight vom Nationalmannschaftseinsatz im eigenen Land seinen Reiz für mich verloren. Ich habe nicht mehr dafür gebrannt. Es wäre sicher noch was gegangen, viele Läufer gehen ja gegen Ende ihrer Karriere auf längere Distanzen, haben da noch Steigerungspotenzial, aber für mich ist das etwas, wofür ich mich extrem überwinden müsste. Man muss dazu bereit sein, lange und zähe Einheiten auf sich zu nehmen. Das war irgendwie noch nie so mein Ding. Vielleicht hat mir auch die Trainingsgruppe dafür gefehlt, die ich ja auch nur in den Regensburger Trainingslagern genießen konnte. Ich bin außerdem ja sogar eine der ganz wenigen, die vor Jahren den Schritt von der längeren 5000m-Distanz zurück auf die Mittelstrecken gewagt hat.
Wie blickst du dann abschließend auf deine Karriere zurück?
Ich bin trotz allem rundum zufrieden. Sicher gibt es Dinge, die man anders hätte machen können. Entscheidungen, die ich aus Gefühl und nicht nur taktischen Überlegungen gefällt habe. Aber genau deshalb bin ich mir immer treu geblieben. Ich kann sagen, dass ich immer das gemacht habe, wofür ich gebrannt habe, was ich wirklich wollte. Und deshalb kann ich mir selbst nichts vorwerfen. Für bestimmte Dinge, die passiert sind, habe ich keine Verantwortung, zum Beispiel eben dass ich so kurzfristig doch nicht mit nach Rio durfte. Das hat nichts mit meiner persönlichen Leistung zu tun. Ich habe immer mein Bestes gegeben.
Das klingt nach einem positiven Resümee. Wir wünschen dir alles Gute für die Zukunft und hoffen, dass wir dir als Begleiterin von Flo noch gelegentlich bei den großen Rennen des Landes über den Weg laufen!