Am 6. Dezember gab der 31jährige Richard Ringer, der über 5000 m sowie über 3000 m in der Halle bereits zwei Bronze-Medaillen bei Europameisterschaften gewonnen hat und im Jahr 2018 den 10.000m-Europacup in pfeilschnellen 27:36,52 min für sich entscheiden konnte, sein Marathondebüt beim reinen Elite-Rennen im spanischen Valencia. Hierbei schaffte er in 2:10:59 Stunden auf Anhieb die Olympia-Norm. Wie er das Rennen erlebt, was sich im Marathon-Training für ihn verändert und wie er die „Corona-Zeit“ bislang „überstanden“ hat, erzählt Richard im Interview.
Das Gespräch führte Larasch-Autor Volker Goineau kurz vor den Weihnachts-Feiertagen mit Richard.
Larasch:
Hallo Richard, herzlichen Glückwunsch zur Olympia-Norm im ersten Marathon! Wie zufrieden bist du denn selbst mit deinem Debüt?
Richard Ringer:
Danke, ich bin wirklich happy. Es ist ja immer ein Unterschied zwischen den Erwartungen, die man im Vorfeld äußert und dem Empfinden hinterher. Ich bin wirklich froh, dass ich es überhaupt ins Ziel geschafft habe; schließlich weiß man gerade als Neuling im Marathon nicht, was einen jenseits der 30km-Marke erwartet. Ich bin zwar langsamer geworden, jedoch nur von einem 3:06er auf ein 3:13er Kilometer-Tempo, also war es kein richtiger Einbruch und ich konnte das Rennen somit ganz ordentlich zu Ende bringen.
Zu Beginn des Jahres 2020 warst du verletzt. Erzähl uns doch einmal, wie du den coronabedingten Frühjahrs-“lockdown“ erlebt und die Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokyo aufgenommen hast!
Also ich hatte bereits seit Juni 2019 Schmerzen in der Ferse. Ich bin dann aber irgendwie bis zur WM in Doha (Ende September/Anfang Oktober 2019, Anm. d. Red.) durchgekommen. Doch nach der folgenden Saisonpause wurde es nicht besser und so habe ich den Winter überwiegend mit Alternativ-Training verbracht: Skilanglauf, Schwimmen, Aquajogging, Radfahren; alles Mögliche halt, um mich fit zu halten. Ich habe auch das Reha-Zentrum von Johannes Eisinger in Herxheim besucht, in dem sich auch schon Hendrik Pfeiffer wieder in Form gebracht hat. Hier konnte ich auf dem „Alter-G“ trainieren, also einem Laufband, auf dem man sozusagen mit reduziertem Körpergewicht läuft. Durch die Olympia-Absage konnte ich in Ruhe wieder gesund werden und habe mir auch die Zeit genommen.
Der lockdown im Frühjahr war für uns Sportler mit geregeltem Training an der frischen Luft eigentlich ganz gut auszuhalten. Außerhalb des Trainings ist man sowieso nicht dauernd draußen, sondern bleibt auch gerne mal zu Hause. Andererseits fielen die gewohnten Reisen zu Wettkämpfen und in Trainingslager weg. Doch auch dies war mal ganz angenehm, so konnte ich meine Heimat viel mehr erkunden und genießen als sonst.
Und wie kam es zu dem Entschluss, den Valencia-Marathon Ende des Jahres 2020 zu laufen?
Mein ursprünglicher Plan war es, nach Olympia 2020 meinen ersten Marathon irgendwann im Herbst zu laufen. Daher hatte ich bereits im Frühjahr über meinen Manager in Valencia angefragt. Nach dem lockdown habe ich mich dann auch gefragt, was wohl mein nächstes sportliches Ziel sein würde. Mit Bahnrennen habe ich nicht gerechnet und so galt der Fokus dann ab Sommer dem Marathon.
Du wirst mittlerweile von Wolfgang Heinig gecoacht. Wie lief denn dein Marathon-Training? Was waren die Besonderheiten der Vorbereitung, auch im Bereich der Ernährung?
Der Kontakt zu Wolfgang Heinig bestand schon seit Längerem. Jedoch wollte ich als Bahnläufer noch nach meinem eigenen, gewohnten System trainieren. Für die Marathon-Vorbereitung habe ich mich dann unter Heinigs Fittiche begeben. Allerdings hinterfrage ich auch das Training und wir tauschen uns aus. Die Vorbereitung begann im August, dauerte 16 Wochen. Nachdem ich im Sommer meist nicht mehr als 100 km pro Woche gelaufen war und noch viel alternativ trainiert hatte, bin ich in den 16 Wochen dann im Schnitt 140 km pro Woche gelaufen. Das ist nicht besonders viel, aber es war meine erste Marathon-Vorbereitung und wir wollen auch noch Reserven für die Zukunft haben. Ich habe ziemlich viele 30er und einen zügigen 35er gemacht. Und diese auch immer mit einer Vorbelastung in Form von kurzen extensiven Tempoläufen am Vortag. Insgesamt habe ich alle geplanten Einheiten während der Vorbereitung gut hinbekommen. Das Besondere am Marathon-Training ist nicht das Tempo, sondern die Länge der Belastungen, die ermüdend ist. Auch der Halbmarathon-Test am 8. November in Dresden lief gut. Hier bin ich aus dem Training heraus gestartet und habe auch erst in der letzten 2,5km-Runde Vollgas gegeben (Richard gewann das Rennen in 62:26 min, Anm. d. Red.).
Eigentlich begann die Vorbereitung mit einem 3000m-Rennen in Rehlingen, bei dem ich für Tobias Blum und den Luxemburger Bob Bertemes Tempo gemacht habe (Richard lief als Sieger des Laufs 8:06,06 min, Anm. d. Red.). Drei Tage später stand ein 25km-Lauf im 3:20er Tempo und damit der erste zügige längere Lauf an. Hierbei habe ich nur Wasser getrunken und zwar aus einer ungeeigneten Flasche. Doch im Laufe der Marathon-Vorbereitung habe ich meine Getränke-Aufnahme optimiert. Ich habe mit dem Schweizer Unternehmen Sponser einen Sponsor für Sporternährung gefunden, und habe das Kohlenhydrat-Getränk „competition“ genutzt.
Ansonsten habe ich gemerkt, dass ich während der langen Läufe viel Gewicht verloren habe, diese also ganz schön an die Substanz gingen. So habe ich hinterher viele Nährstoffe, vor allem auch Proteine, in Form von Sportgetränken zu mir genommen. Über ganz normale Lebensmittel ist es häufig schwierig, nach der Belastung genug aufzunehmen.
Wie lief denn deine Verpflegung während des Rennens in Valencia und wie hast du das Rennen insgesamt erlebt?
Ich habe während des Rennens alle 5km getrunken, wobei ich auf die kleinen, handlichen 0,33-Liter-Flaschen gesetzt habe. Somit habe ich mich ausreichend mit Flüssigkeit und Kohlenhydraten versorgt und bin nicht dem „Mann mit dem Hammer“ begegnet. Wie anfangs erwähnt bin ich hintenraus schon etwas langsamer geworden, aber nicht komplett eingebrochen. Das lange schnelle Laufen auf Asphalt ist für meine Muskulatur, insbesondere die Oberschenkel, auch noch relativ neu.
Danke für diese Einblicke, Richard! Siehst du dich denn jetzt als Marathonläufer? Und wie sehen deine Pläne für 2021 aus?
Ganz witzig, nach dem Rennen hat Arne Gabius mich angerufen und mir dazu gratuliert, dass ich jetzt ein Marathonläufer bin. Allerdings würde ich mich da noch nicht so genau festlegen. Übrigens genau so wie Arne selbst nach seinem Debüt.
Für 2021 steht mein Plan noch nicht genau fest. Derzeit (Mitte Dezember 2020, Anm. d. Red.) befinde ich mich in Dubai bei meiner Schwester, wo ich erstmal eine kurze Pause einlege, aber auch schon wieder Alternativ-Training einstreue. Danach müssen wir mal schauen. Welche Rennen werden im Frühjahr 2021 überhaupt stattfinden? Noch einen Frühjahrs-Marathon zu laufen, wäre für mich schon sinnvoll. Zum einen kann ich ja nicht sicher sein, dass ich mit meiner Zeit aus Valencia unter den schnellsten drei deutschen Läufern bleiben werde und somit für Olympia nominiert werde. Es kann gut sein, dass hierfür eine niedrige 2:10er Zeit notwendig sein wird. Außerdem wäre es für mich eine weitere Erfahrung auf der Marathonstrecke vor dem Olympia-Marathon, die mich weiterbringen kann.
Dann danke ich dir für das Gespräch, Richard, und wünsche viel Erfolg für die kommende Saison!
Titelfoto: gartzenphoto