Unser Olympiakalender ist aus dem Anliegen heraus entstanden, der „medialen Krise des Laufsports“ (Hendrik Pfeiffer) einen proaktiven und innovativen Ansatz zur Förderung der Laufszene und ihrer Athlet*innen engegenzustellen. Die Erlöse des Kalenders fließen unmittelbar in unsere Athletenförderung ein und ermöglichen es, unser bisheriges Engagement und die Medienpräsenz von Athlet*innen im Lauf- und Ausdauersport zu erhöhen.
Wir wollten von den „Betroffenen“, Deutschlands Top-Läufer*innen, direkt erfahren, wie sie die Problematik ihres Sports und ihrer persönliche Situation als Athlet*in einschätzen:
Dazu Jens Nerkamp:
Zu den weiteren Athletenstimmen
Jens, stell Dich doch einfach kurz vor: Was waren bisher Deine größten Erfolge und welche Ziele hast Du in den nächsten Jahren?
Mein Name ist Jens Nerkamp, Marathonläufer mit einer Bestzeit von 2:14:54h aus dem Jahr 2019 in Berlin, wo ich als bester Deutscher das Ziel erreichen konnte. Daneben bin ich Deutscher Vizemeister im Halbmarathon 2018 und EM Teilnehmer von 2016 in Amsterdam im Halbmarathon. Mein Ziel ist es, noch ein paar Marathons auf hohem Niveau laufen zu können und mich eventuell für eine EM oder WM empfehlen zu können.
Wie finanzierst Du Dich aktuell, wer sind Deine Unterstützer und kannst du ein paar Rücklagen bilden oder gibst Du mehr aus, als Du durch den Sport „verdienst“? Würdest Du Deine Situation als prekär bezeichnen?
Meine Situation ist mehr als prekär. Ich kenne mein eigenes Potential, kann es jedoch nicht vollends ausschöpfen, da mir hierfür zum Teil die Möglichkeiten fehlen. Ich bin wahrscheinlich ein extremer Idealist, trotzdem an diesem Sport festzuhalten. Meine größten Unterstützer sind meine Eltern, die an mein Potential glauben und mir einen großen Teil dieses Sportlerlebens ermöglichen. Darüber hinaus habe ich mit der Immovation AG einen Sponsor gefunden, der mir auch in schwierigen Zeiten zur Seite steht und gute Leistungen entsprechend honoriert und es gibt einige Perspektiven für die Zukunft. Seit 2012 werde ich außerdem von meinem Trainer Winfried Aufenanger und dem Kassel Marathon gefördert. Hier arbeite ich als Trainer im Gesundheitsmanagement mit und helfe bei diversen Veranstaltungen. Hierfür bekomme ich eine kleine Entlohnung. Rücklagen sind so jedoch kaum möglich und selbst die Finanzierung von mehreren größeren Trainingslagern oder Rehamaßnahmen (gerade in Verletzungszeiten) sind nur schwer zu finanzieren. Umso stolzer bin ich auf meine erbrachten Leistungen. Larasch unterstützt mich natürlich auch mit einer kleinen Summe.
Im Podcast von „Auslaufen“ gibt es die Rubrik „ Was müsste verbessert werden in der Leichtathletik oder im Laufsport“. Wie ist Deine Meinung dazu, worin genau das aktuelle Problem liegt und wie kann dieses behoben werden?
Ich glaube, ein grundlegendes Problem der Leichtathletik ist, dass wir in der Gesamtbevölkerung kaum sichtbar sind. Natürlich gibt es Angebote wie Larasch oder TV-Übertragungen von größeren Meisterschaften und Berichterstattung in Zeitungen etc, aber außerhalb der „Spitzensport-Blase“ kennen die meisten Menschen nur Fußballer und vielleicht noch Usain Bolt. Ein Beispiel: Die Laufsportszene in Deutschland ist riesig, sie wächst immer weiter und gerade in der Corona-Zeit sind viele Menschen joggen gegangen, aber das Interesse an Spitzensport ist bei diesen Menschen eher gering. So kennen die meisten Hobbyläufer Namen wie Richard Ringer, Arne Gabius, Amanal Petros, Katha Steinruck, Gesa Krause etc. nicht und ich habe selbst erlebt, dass ambitionierte Läufer auf Bundesebene häufig keine Ahnung haben, wer sonst noch so an der Startlinie steht. Diese Unsichtbarkeit und das Desinteresse an Spitzensport in der Bevölkerung machen es noch schwerer, die Leichtathletik und vor allem das Laufen sichtbarer zu machen. Selbst Weltklasse-Athleten verschwinden nach ihrem Erfolg schnell wieder in die Bedeutungslosigkeit bei der großen Mehrheit.
Natürlich mache ich mir häufig Gedanken darüber, wie man aus diesem Schatten-Dasein heraustreten kann, aber dafür muss das Image des deutschen Spitzensports verändert werden. Sport, abseits vom Fußball, muss wahrscheinlich nahbarer werden. Man muss das Interesse an diesen Sportarten wecken, dazu muss es sichtbare Formate geben, die nicht nur in der „Blase“ Aufmerksamkeit erlangt, sondern auch darüber hinaus. Deutsche Top-Läufer*innen müssen sich profilieren können!
Was hältst Du von der Idee, beispielsweise wie „Krautreporter“, die Laufdisziplinen über eine kontinuierliche Fördermitgliedschaft zu stützen und damit mehr mediale Reichweite und direkte finanzielle Unterstützung zu bekommen?
Das wäre eine Möglichkeit. Die Reichweite und das Interesse am Laufsport und den Athlet*innen selbst müsste für diese Förder-Formate extrem steigen, damit eine gute Finanzierung möglich ist.
Was wären konkrete Maßnahmen? Ist es die Unterstützung in Social Media, mehr Livestreams von den Events, Attraktive Wettkampfformate oder Schaffung neuer Serien oder hast Du ganz andere Ideen?
Aus meiner Sicht wären attraktive, neue Laufformate mit mehr Eventcharachter, Spannung und „Unterhaltung“ ein entscheidender Schritt. Es müsste interessante Events geben, die (vor allem ) auch für die Zuschauer – vor Ort oder am Bildschirm – ein echtes Erlebnis bieten: Vom Wettkampf-Format und Location über qualitatives Kommentieren des Renngeschehens bis zur Übertragungsqualität und möglicher Interaktion mit den Athlet*innen.
Danke Jens für Deine offene Meinung und dass Du unser Olympiakalender-Projekt unterstützt!
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