ADAMS – Für Bundeskaderathleten gehört dieses Wort zum Alltag wie Essen, Schlafen und Trainieren. Es handelt sich um die Online-Plattform der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, auf der sie ihre Aufenthaltsorte registrieren müssen, um zwischen 6 und 22 Uhr jederzeit für eine Dopingkontrolle angetroffen werden zu können. Exakte und gewissenhafte Eintragungen kosten Zeit, Nerven und trotzdem bleibt ein Restrisiko für einen „missed test“, wenn sich Termine spontan ändern. Steht vielleicht gerade dann ein Kontrolleur vor meiner Tür, wenn mein Zug mal wieder Verspätung hat? Wenn das Training doch ein bisschen länger dauert? Wenn ich noch mit Kommilitonen zum Kaffeetrinken gehe?
Diese Sorgen kennt auch Jonas Plass. Es ist gerade einmal knapp ein halbes Jahr her, dass er seine sportliche Karriere beendet hat, die mit Deutschen Meistertiteln oder der Teilnahme bei den Olympischen Spielen 2012 in London durchaus erfolgreich war.
Aus der Welt des Spitzensports hat er sich deshalb aber noch lange nicht verabschiedet. Im Gegenteil: Er hat nun zwar eine andere, aber mindestens genau so wichtige Funktion eingenommen. „Ich sehe mich ein bisschen als Vermittler. Damit mein Vorhaben gelingt, muss ich mit allen sprechen. Ich will versuchen, für alle Seiten Verständnis aufzubringen“, erklärt er. Doch was genau ist sein Ziel?
Es trägt den durchaus verheißungsvollen Namen „Paradise“ und soll Sportlern genau das ermöglichen, was ihnen momentan durch ständiges Melden von Aufenthaltsorten verwehrt bleibt: Flexibilität, Spontanität, Entscheidungsfreiheit, mehr Privatsphäre und das alles, ohne Gefahr zu laufen, eine Dopingkontrolle zu verpassen.
Denn nach drei „missed tests“ tritt das ein, was für einen sauberen Sportler die Hölle auf Erden wäre: Eine Doping-Sperre. Ganz ohne den Gebrauch verbotener Substanzen.
Dann doch lieber das Paradies: Für Jonas Plass sieht das so aus, dass Sportler rund um die Uhr einen GPS-Modul bei sich tragen, über den ihre Positionsdaten abgerufen werden können, sobald eine Doping-Kontrolle bevorsteht. Dieses Modul trägt den Namen eves, es ist also in mehrfacher Hinsicht ein Gegenpart zum in großbuchstabigen ADAMS.
„Unser Projekt dient zwar momentan noch vorwiegend der Forschung, aber natürlich wollen wir auch die Umsetzung erreichen. Wir entwickeln derzeit ein Wearable, wie es Athleten mit sich führen könnten“, erklärt Jonas Plass. Ihm schwebt ein schmales Armband vor, ähnlich den bekannten Fitness-Trackern, in das ein Chip integriert wird.
Das Problem daran: „Die Entwicklungskosten von Hardware bis zur tatsächlichen Einführung sind auf jeden Fall sehr hoch. Wir bemühen uns daher um Kooperationen, aber selten interessieren sich Unternehmen für den kleinen Nischenmarkt des Spitzensports. Die Sichtweise auf ein Engagement unter Marketing-Gesichtspunkten und ohne schnellen Profit haben leider die wenigsten“, bedauert der ehemalige Leistungsträger des DLV. Aus eigener Erfahrung weiß er: „Das Einzige, das Athleten nicht gebrauchen können, sind zusätzliche Kosten.“
Darum ist es für ihn wichtig, so viele Sportverbände wie möglich zu überzeugen und gemeinsam mit der NADA, vielleicht sogar in Zusammenarbeit mit Anti-Doping-Agenturen anderer Nationen, an der Durchsetzung des Projektes arbeiten. „So sinken die Stückpreise erheblich und weitere Entwicklungskosten können geteilt werden. Aber bis dahin muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden. Ein Dialog ist enorm wichtig“, betont Jonas Plass. Wieder ganz aus der Vermittlerperspektive.
Denn er hat schnell gemerkt, dass schon bei dem Stichwort GPS-Tracking überall Alarmglocken zu schrillen beginnen: „Viele sorgen sich um ihre Daten, befürchten einen Verlust an Privatsphäre. Da möchte ich erst einmal beruhigen, denn im Prinzip tritt genau das gegenteilige Szenario ein: Nur im Fall einer Kontrolle dürfen die GPS-Koordinaten des Athleten überhaupt abgerufen werden. Und erst, wenn sich der Kontrolleur der Testperson in einem Umkreis von vier Kilometern genähert hat, erhält er Zugriff auf dessen exakte Position. Solange also kein Test bevorsteht, ist auch niemand in der Pflicht, seinen Aufenthaltsort preiszugeben.“
Dennoch gibt es weiterhin Verbandsvorsitzende, Verantwortliche aber genauso Athleten, die Bedenken äußern.
Zwar scheint das alte ADAMS keineswegs sicher vor Datenraub zu sein und hatte erst vor kurzer Zeit mit Hacking-Angriffen zu kämpfen, doch es ist nun mal das durch die WADA weltweit eingesetzte System, dem nach wie vor Vertrauen geschenkt wird.
Doch trotzdem bleiben Jonas Plass und sein Paradise-Team, bestehend aus Wissenschaftlern, Programmierern und Datenschutz-Experten optimistisch und vor allem beharrlich. Die Arbeit geht sichtlich voran, der Zuspruch wächst – nicht zuletzt durch einen Beitrag der Sportschau vom vergangenen Wochenende.
„Ursprünglich sahen wir eves ja nur als Ergänzung zu ADAMS, als eine Erleichterung bei all dem Aufwand. Aber mittlerweile sind wir in der Entwicklung so weit gekommen, dass es aus meiner Sicht deutlich einfacher wäre, die alte Plattform gleich komplett abzulösen“, ist Jonas Plass überzeugt. Der Weg ins Paradies scheint wohl schon nicht mehr ganz so weit…
Was sagt die Szene dazu? Morgen erfahrt ihr, wie sich Athleten, Trainer, Funktionäre und Sportinteressierte zu der Diskussion äußern.
Neugierig auf mehr? In der Sportschau-Mediathek findet ihr weitere Informationen und Videos zum Paradise-Projekt:
GPS-Überwachung für Dopingkontrollen?
Was sagen Sportler zu einem GPS-Ortungssystem?
Udo Di Fabio: „Gegenwärtiges System sehr umständlich“