Thomas Krejci ist der Gründer des österreichischen Laufvereins run2gether. Seit gut einem Jahrzehnt organisiert der Verein Laufurlaube für Freizeitsportler, die einmal die Höhenluft und Trainingsalltag in Kenia hautnah erleben wollen. Durch den Kontakt mit kenianischen Läufer*innen sind zahlreiche soziale Projekte entstanden und kürzlich ein besonderes Angebot für Elite-Läufer*innen: Der S7-Marathon Ende Mai als letzte Chance, die Olympiaqualifikation im Marathon zu erreichen. Larasch wird das Eliterennen als Medienpartner begleiten und möchte Euch den Initiator und seinen Verein näher vorstellen:
Hallo Thomas, die meisten in Deutschland werden Dich und den Verein run2gether (noch) nicht kennen. Deshalb würden wir Dich kurz bitten, Dich als Person einmal vorzustellen.
Danke für die Einladung zu diesem Interview. Ich wurde in Graz geboren, lebe mittlerweile mit meiner Familie (Frau, 2 Kinder mit 1 und 3 Jahren) auf einem renovierten Bauernhof im Südburgenland und habe meine läuferischen Wurzeln im Orientierungslauf. Dabei habe ich es unter anderem zu zahlreichen österr. Meistertiteln, Platz 13 bei den Weltmeisterschaften 2003 in der Schweiz und Platz 4 und 5 bei der Studenten WM 2000 gebracht, vor allem aber unzählig viele, tolle Erfahrungen auf sportlicher und menschlicher Ebene gesammelt und viele Freunde in ganz Europa kennen lernen dürfen. Neben dem Orientierungslauf fasziniert mich seit vielen Jahren der Berglauf, das Reisen und auch nach wie vor mein „Brotberuf“, die Kartographie. Sprich in meinem Fall die Herstellung von Wanderkarten.
Wie bist Du auf die Idee von run2gether gekommen und welche Laufangebote bietet der Verein?
Mein erster Kontakt zu kenianischen Läufern war 2007, als wir im Rahmen einer Orientierungslauforganisation in der Steiermark kenianische Sportler zu diesem Event einladen konnten. Infolge verbrachte eine von mir betreute Athletin mehrere Monate bei diesen Athleten in Nairobi und im Zuge eines Besuches meinerseits – meinem ersten Aufenthalt in Kenia – lernte ich Geoffrey Gikuni NDUNGU kennen. Daraus entstand in der Zeit danach eine enge Freundschaft, die bis heute anhält. Mittlerweile wurde er zum Taufpaten meines Sohnes, leitet unser 2010 erbautes Camp in Kenia und ist nach wie vor einer der stärksten Athleten unseres Teams. Er siegte zweimal beim Dublin Marathon (2:08:33 h), war der erste kenianische Sieger beim Jungfrau Marathon und 2018 Berglauf-Gesamtweltcupsieger (ebenfalls als erster Kenianer). Mit ihm zusammen entwickelte ich 2008 die Idee von Laufwochen in Europa, im Rahmen derer kenianische Athleten Hobbyläufer betreuen und es zu einem gegenseitigen Profitieren kommt. Daraus enstanden in den Folgejahren unsere beliebten Sommer-Höhenlaufwochen, die bis zur Corona-Krise ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Aktivitäten waren und heuer hoffentlich wieder anlaufen können. Der Austragungsort dafür ist Kals am Großglockner in Osttirol, bisher in erster Linie von unseren kenianischen Athleten und den Laufwochengästen zum Training genutzt, soll es in den kommenden Jahren zu einem international beachtenswerten Höhenlauftrainingszentrum werden. Die Rahmenbedingungen mit Höhenlagen zwischen 1400m und 2400m sind dafür ideal.
Was macht der Verein neben der Durchführung des S7 Elite Marathons- und Halbmarathon (dazu gleich mehr) noch?
Wie schon erwähnt sind diese Laufwochen eine zentrale Aktivität. Daneben konnten wir 2010 in Kenia ein Camp, das run2gether Mt. Longonot Sports & Recreation Centre erbauen und eröffnen, das seither einerseits bis zu 40 kenianischen Athleten eine Trainingsbasis mit Unterkunft und bestmöglicher Betreuung und andererseits rund 30 Gästen eine Laufurlaubs- und Höhentrainingsdestination bietet.
Seit der ersten Stunde des Projektes sind Sozialprojekte ein weiterer zentraler Punkt unserer Arbeit. Wir eröffneten 2013 unsere eigene Schule und finanzieren in der Umgebung des Camps mehrere weitere Schulen mit diversen Aktivitäten sehr tatkräftig. Mittlerweile werden darüber hinaus über 300 run2gether Patenkinder von uns bzw. jeweils einem europäischen Paten betreut und unterstützt und damit deren Schulbildung dadurch ermöglicht.
Last but not least bemühe ich mich als ein bei Worldathletics registrierter „Athletes Representative“ um eine bestmögliche Wettkampfplanung und Betreuung unserer rund 50 kenianischer Athleten, die Teil des run2gether Teams sind. Im kenianischen Leichtathletikverband Athletics Kenya bin ich für den Berglauf mitverantwortlich und versuche das kenianische Trainerteam bestmöglich zu unterstützen. Daneben haben wir mittlerweile eine run2gether Athletics Academy, in der wir unseren Focus auf talentierte Kinder und Jugendliche legen und sie von einem engagierten Trainer betreut Schritt für Schritt an die nationale und hoffentlich später auch internationale Spitze heranführen.
Die Idee ein Olympia-Qualifikationsrennen auf einem noch nicht fertigen Autobahnabschnitt durchzuführen klingt erst einmal recht abenteuerlich, jedoch beim zweiten hinschauen total plausibel. Dennoch, wie bist Du auf die Idee gekommen und warum?
Das Ganze ist relativ kurzfristig entstanden. Ich war im Februar bei unserem Team in Kenia und habe hautnah erfahren, wie schwierig die Situation für unsere Athleten seit knapp einem Jahr ist und dass selbst den besten unserer Läufer (mit Bestzeiten um 60/61 min am HM) trotz aller Versuche unsererseits langsam die Motivation schwindet und Perspektivlosigkeit Einzug hält. Als ich nach meiner Rückkehr Anfang März noch mit einigen österreichischen Olympiaanwärtern plauderte und sie mir von der Problematik der fehlenden Qualichancen aufgrund der Absage aller Citymarathons berichteten, dachte ich mir: Hier müssen wir etwas machen! Da ja auch die zweite Reihe der Athleten, also jene ohne Qualichance bzw. -ambition aber dennoch vollstem Trainingseinsatz und Enthusiasmus seit Monaten fast kein Wettkampfangebot hat, war es für mich irgendwie naheliegend hier quasi „dret Fliegen mit einem Schlag“ erwischen zu können.
Als ich dann mit einem Kollegen bei einer Trainingsrunde zum wiederholten Male in den letzten Jahren an der Autobahnbaustelle vorbeilief und wir gleichzeitig über diese „verrückte“ Idee einer Marathonveranstaltung plauderten, kam der Gedanke warum nicht dort, auf dieser wirklich zum Schnelllaufen einladenden Straße.
Larasch: Hast Du schon einmal einen Test auf der Strecke gemacht, ist sie schnell und gut geschützt vor Windeinflüssen?
Diese Baustraße existiert seit etwas über einem Jahr und normalerweise ist das Betreten natürlich verboten, da es eine Baustelle ist. Unter uns gesagt habe ich sie aber schon hin und wieder für ein Intervalltraining genutzt und mich dabei immer super schnell gefühlt. Hinzu kam, dass mein Kollege bei der ASFINAG, der Autobahngesellschaft,, beschäftigt ist und er dann gleich die ersten Kontakte herstellte. Bis schließlich das finale OK kam dauerte es dann zwar noch recht lange und ging bis in die oberste Etage des Sportministeriums, aber jetzt freuen wir uns riesig auf den Lauf.
In puncto Wind und Wettereinflüsse ist die Strecke teils gut geschützt, in manchen Abschnitten aber doch etwas offener und eventuell windanfällig. Unser großer Vorteil aber: Wir werden, ähnlich wie bei Kipchoges Weltrekord in Wien, das für die Athleten bestmögliche Zeitfenster von Samstag 22.5. bis Montag 24.5. suchen und erst im Laufe der letzten Tage vor der Veranstaltung je nach Wetterprognose den genauen Startzeitpunkt festlegen. Auch im Falle von hohen Temperaturen ein großer Vorteil, da wir dann in die frühen Morgenstunden ausweichen können. Ziel ist einfach den Athleten bestmögliche Rahmenbedingungen zu bieten.
Wer hat sich bisher schon gemeldet und steht auf der Startliste?
Es wird auf jeden Fall sehr international und noch bleiben auch vier Wochen bis zum Start. Derzeit sieht es wiefolgt aus: Neben unseren Olympiaanwärtern Eva Wutti (sie lief im Dezember österr. Rekord und hat gute Chancen die 2:29:30 h zu knacken) und vermutlich auch Valentin Pfeil, der zuletzt extrem viel Pech hatte (Sturz in Dresden, keine optimalen Bedingungen in Siena), freuen wir uns sehr über Cameron Levins aus Kanada, der bei seinem Marathondebüt eine 2:09:25 h lief und über 10 km fantastische 27:07 min stehen hat. Aus Puerto Rico kommt Alexander Torres, aus den Niederlanden Bjorn Koreman, aus Finnland Arttu Vattulainen, aus Moldawien Maxim Raileanu, aus Äthiopien vermutlich Hailemaryam Kebedew (Bestzeit von 60:01 min imHM) und dann natürlich 10 kenianische Pacemaker unseres run2gether Teams, von denen einige das Ziel haben ebenfalls zu finishen.
Im Damenfeld freuen wir uns neben Eva besonders über Emily Setlack aus Kanada, die die kanadische Quali 2019 um 18 Sekunden verpasst hatte und nun auch eine 2:28er Zeit anstrebt, wie auch Tereza Hrochová aus Tschechien.
Über den Halbmarathon versucht der Österreicher Lemawork Ketema den österr. Halbmarathonrekord anzugreifen (61:42 min) und hat Konkurrenz bzw. Unterstützung durch das bereits für Olympia qualifizierte Herren-Marathonteam aus Mexiko (Bestzeiten von 61 min imHM), David Nilsson aus Schweden, mit 61:40 min und 2:10:09 h einem der besten Europäer, und sicher noch weiteren starken Athleten. Im Damenfeld kommt unter anderem die aktuelle österreichische Meisterin über 10 km Julia Mayer.
Zahlreiche Athleten haben angefragt, müssen aber erst die Visa- und Covidfragen klären. Darunter Läuferinnen aus Kazakhstan, Kirgisien, Uzbekistan, Weißrussland, Marokko,…
Und ganz kurzfristig entschieden: Wir bieten auch drei deutschen Paralympics Anwärtern, die verzweifelt auf der Suche nach einem Qualimarathon waren, die Chance bei uns ihre Normen zu erreichen.
Lassen wir uns überraschen, wer am Pfingstwochenende schließlich am Start stehen wird.
Aktuell sind die Coronafallzahlen wieder steigend. Wie sicher ist euer Konzept und welche besonderen Auflagen existieren?
Das Konzept und die Idee zielt wie bei derartigen Rennen ja üblich auf die Spitze und nicht die Masse ab. Wir sind mit maximal 200 Startern (für HM und Marathon) auch behördlich limitiert. Unser großer Vorteil ist die Abgeschiedenheit der Strecke. Nicht ein einziges Wohnhaus liegt an der Strecke und die Baustelle ist an sich schon eingezäunt und ein Betreten verboten. Diese Rahmenbedingungen machen es wesentlich leichter.
Aufgrund der Internationalität bedarf es aber zahlreicher zusätzlicher Vorsichtsmaßnahmen: Es wird im Athletenhotel tägliche, verpflichtende Antigentests geben und erst der letzte Test am Vorabend der Veranstaltung bzw. für am Wettkampftag anreisende Läufer direkt beim Zugang zum Startbereich, berechtigt zum Start (mit einem grünen Armband gekennzeichnet). Da eventuell für manche Nationen Quarantäne vorgeschrieben sein könnte, haben wir auch dafür im Athletenhotel vorgesorgt und es stehen genügend Laufbänder zur Verfügung. Maskenpflicht (FFP2) wird bis wenige Minuten vor dem Start ebenso verpflichtend sein wie auch unmittelbar nach dem Zieleinlauf. Kurz gesagt: Wir werden alles versuchen und über die behördlichen Auflagen hinausgehend Maßnahmen ergreifen, um für alle Beteiligten eine sichere Veranstaltung sicher zu stellen.
Du bist selbst Hobbysportler und veranstaltest einige Lauf- und Orientierungslauf-Veranstaltungen. Kannst Du die Diskussion und den Unmut verstehen, wenn Leute sich beschweren, dass für Profis und sehr ambitionierte Sportler Vieles getan wird, jedoch für die Allgemeinheit nicht?
Ehrlich gesagt: Das kann ich schwer nachvollziehen. Es erinnert mich auch etwas an die manchmal geführte Diskussion über afrikanische Athleten in Europa, die angeblich heimischen Athleten und Hobbyläufern Preisgelder wegschnappen. Beide Diskussionen ignorieren die Tatsache, dass es eben Gott sei Dank auch im Laufsport, wenn auch in kleinem Maße „Profisport“ gibt, der wie bei allen anderen Sportarten seine Berechtigung hat. Der große Unterschied war bisher nur, dass im Laufsport Hobby- und Profisportler an einem gemeinsamen Bewerb starten konnten. Für mich eine echte Besonderheit im Vergleich zu vielen anderen Sportarten, die Vor- und Nachteile mit sich bringt. Der Nachteil wohl das „Verschwimmen“ und die nicht klare Trennung zwischen Hobby und Profisport, derzeit meiner Meinung ein Mitgrund für die Diskussionen.
Warum finden Bundesliga Fußballspiele statt, Profiläufer sollten aber nicht ihren Beruf ausüben dürfen? Ich bewundere jeden einzelnen Leichtathleten und Läufer,, egal ob Europäer, Afrikaner oder sonst woher, der es wagt „Profi“ zu werden. Die Chance damit Geld zu verdienen ist extrem klein, erfordert jahrelangen Einsatz und große Entbehrungen und bringt im besten Fall einen Bruchteil an finanziellem Einkommen im Vergleich zu vielen anderen Sportarten und Berufen. Außerdem sind Profis und Topathleten die Vorbilder für die Jugend. Sie sind diejenigen, die Kinder zum Laufen motivieren können, damit zu einem gesünderen Lebensstil beitragen und gerade in der derzeitigen Situation eine wichtige Funktion übernehmen.
Abschließende Frage. Welche Zeiten traust du den Athleten zu?
Ich wünsche mir, dass möglichst viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zufrieden (und gesund) abreisen und gute Erinnerungen an unseren Marathon mitnehmen. Sprich: Hoffentlich werden viele Qualifikationsnormen geknackt, persönliche Bestzeiten aufgestellt und so wieder eine Perspektive und Motivation für die zukünftigen Monate bei den Athletinnen und Athleten geschaffen.
Thomas, vielen Dank für Deine ausführlichen und interessanten Einblicke in die Arbeit und Projekte von run2gether. Wir freuen uns, Deine Ideen als Medienpartner zu unterstützen und sind gespannt auf das Rennen und zukünftige Projekte!