Die 36jährige Maja Neunschwander ist nicht erst seit ihrem Schweizer Marathon-Rekord von 2:26:49 h, aufgestellt im Jahr 2015 in Berlin, eine feste Größe in der Schweizer Langstreckenspitze. Neben dem Berlin-Marathon, den sie mehrfach absolviert hat, startete die 29. des Olympia-Marathons von Rio auch schon bei mehreren Straßenläufen auf deutschem Boden. Ansonsten ist sie natürlich in ihrer Schweizer Heimat häufig bei Cityläufen zu sehen, wobei sie nun auch erstmals beim ältesten Schweizer Stadtlauf in Sion an den Start ging. Über die Straßenlaufszene in beiden Ländern, ihre Erlebnisse bei Olympia sowie ihre weiteren Ziele spricht sie nach dem Rennen in Sion im Interview mit Larasch.
Larasch: Hallo Maja, Glückwunsch zu deinem dritten Platz bei der course de Noel in Sion! Hast du eigentlich schon immer die diversen Cityläufe in der Schweiz „mitgenommen“ und wie gefallen dir diese Läufe?
Maja: Ja, seit gut 10 Jahren starte ich fast immer bei vielen dieser Stadtläufe in der ganzen Schweiz. Bis vor einiger Zeit gab es ja auch den sogenannten „Postcup“ für uns Schweizer Läuferinnen und Läufer, der eine schöne und auch lukrative Sache war. Früher bin ich im Dezember auch mal an der Cross-EM gestartet, doch die Prioritäten haben sich dann Richtung Straßenlauf verschoben, sodass ich Ende November/Anfang Dezember zu den meist ziemlich kurzen Stadtläufen in der ganzen Schweiz unterwegs bin. Das ist eine schöne Abwechslung im Trainingsalltag und damit überbrücke ich auch ein bisschen diese „tote Winter-Phase“ für mich als Marathonläuferin, nach dem Wiedereinstieg ins Training und vor dem Start in die nächste Marathon-Vorbereitung. Allerdings bereite ich diese Läufe nicht speziell vor, tapere nicht besonders; somit fallen meine Resultate auch nicht immer sonderlich gut aus. Aber ich finde diese Läufe besser als Training, und dadurch dass die Strecken gerade bei uns Frauen ja zumeist nur 5-7 km lang sind, kann man auch recht häufig starten.
Larasch: Wie gefällt dir speziell der Lauf hier in Sion? Welchen Stellenwert hat dieses Rennen für dich?
Maja: Ich bin in diesem Jahr zum ersten Mal in Sion gestartet! (ansonsten ist Maja an dem Wochenende immer nur sonntags beim Zürcher Silvesterlauf gestartet, den sie in diesem Jahr, nur einen Tag nach Sion, auch wieder bestritten hat, Anm. der Red.). Es war eine schöne Premiere für mich. Schließlich lief es heute für mich auch besser als bei den Wettkämpfen in den vergangenen Wochen. Das Rennen hat eine super Stimmung, ein bisschen vergleichbar mit der course de l’escalade in Genf, und bietet einen schönen, abwechslungsreichen 1km-Rundkurs durch die Innenstadt. Auch wenn solche Kurse Marathonläufern ja nicht unbedingt soo gut liegen.
Larasch: Ganz genau, dir als Marathonläuferin dürften längere Strecken mit weniger „Rhythmus-Brechern“ doch viel besser liegen. Wie fühlst du dich auf diesen kurzen Strecken?
Maja: Ich könnte mir vorstellen, etwas längere Strecken zu laufen, also eher bei 10km-Läufen zu starten. Doch mir machen diese Stadtläufe in der Schweiz auf den Innenstadtkursen mit toller Stimmung einfach Spaß. Die Strecken sind halt so kurz, und ich laufe natürlich auch gerne zu Hause in der Schweiz.
Larasch: Du läufst auch häufig in Deutschland. Wie findest du die Straßenläufe in Deutschland, auch im Unterschied zu den Schweizer Läufen? Und wann sehen wir dich wieder in Deutschland?
Maja: Schwierig zu sagen. Eine große Runde durch die Stadt wie bspw. bei den BIG 25 Berlin (wo Maja anno 2014 mit 1:27:04 h einen Schweizer Rekord lief, Anm. d. Red.), hat einfach nicht so viele Zuschauer pro Kilometer im Vergleich zu den kurzen Innenstadtrunden. Dafür kann man da häufig schnell laufen. Außerdem bieten andere Rennen wie die Marathons in Berlin und Hamburg oder die Berliner Citynacht auch eine tolle Atmosphäre. Und in Deutschland weiß ich, was ich habe; die Organisation ist bei den großen Cityläufen hier einfach top. Gerade beim Berlin-Marathon fühle ich mich sehr gut‚aufgehoben‘, da haben andere Läufe noch‚Entwicklungspotential‘ . Oft sind es die kleinen Details, die den Unterschied ausmachen. Wann ich nächstes Mal in Deutschland laufen werde, kann ich noch nicht sagen. Eventuell nächsten Sommer irgendwo. Aber so genau habe ich das noch nicht geplant.
Larasch: Schildere uns doch mal ein bisschen von deinen Erlebnissen in Rio de Janeiro. Und wie hast du die Zeit nach Olympia erlebt?
Maja: Der Olympia-Marathon in Rio war ein sehr hartes Rennen, das an die Substanz ging, aber auch ein cooles, intensives Erlebnis. Mit meinem 29. Platz war ich sehr zufrieden. Emotional erlebte ich aber die Spiele in Rio weniger intensiv als noch in London. Irgendwie schwappte die Stimmung nicht rüber, man hatte irgendwie das Gefühl, dass die Brasilianer mit Olympia nicht so viel anfangen können. Nach Olympia fiel ich etwas in ein ‚Loch‘, der ‚Nach-Marathon-Blues‘ war deutlich grösser als sonst, mein grosses Ziel der letzten Jahre war nun vorbei – nach der abschliessenden Analyse begann aber sogleich die Planung für die nächste Phase.
Larasch: Seit September bist du richtiger „Lauf-Profi“, nachdem du vorher immer auch gearbeitet hast? Wie macht sich der Unterschied bemerkbar, kannst du jetzt besser trainieren/regenerieren?
Maja: In den letzten Jahren waren meine Arbeitsbedingungen recht flexibel, sodass es mir diesbezüglich ziemlich gut ging. Seit ich mich nur noch auf das Laufen konzentriere, will ich vor allem die Regeneration optimieren, was bislang noch nicht so ganz wie gewünscht funktioniert. Ich habe aktuell noch etwas Mühe, die Balance zu finden. Wie gesagt habe ich nach Olympia auch recht viele Verpflichtungen wahrgenommen, was nicht unbedingt förderlich für die Regeneration ist. Aber ich hoffe, dass es in den nächsten Wochen und Monaten besser klappen wird.
Larasch: Wie sehen denn deine Ziele für die nächsten Jahre aus, was möchtest du im Laufsport noch erreichen?
Maja: Also ich bin immer noch auf der Suche nach der Antwort auf die Frage „wie schnell kann Maja Neuenschwander den Marathon laufen?“. Daher plane ich für 2017 auch nicht mit einem WM-Start in London, sondern mit zwei City-Marathons. Der erste soll jener im April in London sein. Die Leichtathletik-EM 2018 in Berlin ist dann natürlich auch noch ein großes Ziel. Ob ich sogar bis 2020 weitermachen werde, um nach dem City-Marathon auch den Olympia-Marathon von Tokyo zu laufen, möchte ich erst nach den nächsten zwei Jahren entscheiden.
Larasch: Dann danke ich dir herzlich für das Gespräch, Maja, und wünsche dir dir viel Erfolg für die kommenden Jahre!