Ein Revolutionär möchte meist den gewaltsamen politischen Umsturz – jedoch nicht immer. Gewalt hat Kathrine Switzer nie gebraucht (höchstens gegen den eigenen Fernseher, aber das ist eine andere Geschichte), jedoch viel Mut, sehr viel Kraft und eine Energie, die soweit strahlt, dass sie es mit einem Atomkraftwerk aufnehmen könnte. Die“ Kernspaltung“ fand früh in ihrer Jugend statt, als Kathrines Vater ihr den Rat gab: „Das Leben ist zum Mitmachen da, nicht zum Zuschauen.“ Er riet ihr, jeden Tag eine Meile zu laufen, damit sie zu Beginn der Hockeysaison in Form ist, um es so ins Team zu schaffen. Eine Meile- das waren sieben Runden im Hof, also viel zu viel für die junge Kathrine. Doch der Satz „das ist zu schwer für mich“ wurde im Hause Switzer nicht akzeptiert, man hatte die Pflicht, sich der Herausforderung zu stellen. Und so fing sie an, täglich ihre Meile zu laufen. Um es auch ins Hockeyteam des Colleges zu schaffen, wollte Katherine ihr Laufpensum erhöhen. Sie erfuhr, dass die Jungen im Crosslaufteam täglich drei Meilen liefen- also wollte sie auch drei Meilen täglich laufen und erhöhte wöchentlich ihr Laufpensum um eine Runde. „Jeden Tag errang ich einen kleinen Sieg, den mir niemand streitig machen konnte. Am Ende des Tages hatte ich das herrliche Gefühl, etwas Messbares und genau Bestimmbares erreicht zu haben.“
Das Laufen wurde zu Switzers „Geheimwaffe“ und sie merkte schnell, dass es nicht nur ihren Körper sondern auch ihren Geist veränderte. Wenn Switzer eines nicht akzeptieren konnte, dann waren dies Grenzen, die sie sich nicht selbst setzte, sondern die andere für sie festlegten. Sie hörte von einem Lauf namens Marathon, ihrer Meinung nach das interessanteste Rennen der ganzen Welt. Sie war fasziniert davon und hatte den Wunsch, es selbst zu versuchen. Aber die längste Laufstrecke für Frauen lag bei gerade einmal 880yards, es fehlten also noch 25 Meilen und 495yards. Switzer hatte jedoch ein Ziel: das größte Rennen der Welt. Boston. In den folgenden Monaten musste sie sich vor überwiegend weiblichen Autofahrern in Acht nehmen, die mit gesenktem Kopf auf sie und ihren Trainingspartner zurasten. Als wären die etlichen Trainingskilometer nicht schon anstrengend genug. Um sicherzugehen, dass sie einen Marathon durchstehen wird, lief sie in der Vorbereitung sogar fünf Meilen länger als die Marathondistanz.
Nach diesem Lauf wusste sie, dass sie den Boston Marathon laufen kann. Offiziell wurde es Frauen nicht verboten, an einem Marathon teilzunehmen. Wahrscheinlich jedoch nur aus dem Grund, weil man es nicht für möglich hielt, dass Frauen auf die Idee kommen würden, da Langstreckenlauf sie angeblich „unweiblich“ machen würde. Kathrine wollte diesen Marathon nicht hauptsächlich wegen ihres Egos laufen. Sie wollte nicht zeigen, dass SIE Marathon laufen kann, sondern dass ALLE Frauen es können. Und so meldete sie sich lediglich mit ihren Initialen beim Boston Marathon an, um eine Disqualifikation zu vermeiden. Und, das sei vorweggenommen, sie wird nach den gut 26 Meilen das Ziel erreichen. Bei ihrem Lauf waren die 26 Meilen jedoch nicht das größte Hindernis für das Finishen. Wieder einmal wollten andere ihr erzählen, was sie kann und was nicht und sie nicht nur mit Worten davon überzeugen. Warum sie nur mit Hilfe ihres Freundes, einem Hammerwerfer, das Ziel erreicht, ist eine sehr unterhaltsame Geschichte, die sowohl zeigt, wie man zu der Zeit zum Thema Frauen und Langstrecke stand, aber auch, mit was für einer Willensstärke, Energie und Kraft Kathrine sich dem entgegen stellte.
Als erste Frau lief sie offiziell den Boston Marathon, und durchbrach somit die Männerdomäne. Dies sollte nicht ihr letzter Marathon bleiben. Kathrine Switzer hat mit diesem Marathon in Boston die Tür für den weiblichen Langstreckenlauf ein Stückchen aufgeschoben. In den folgenden Jahren musste sie jedoch enorme Energie aufwenden, dass dieser Spalt nicht mit doppelter Kraft wieder zugehauen wurde. Stattdessen gab sie sich nicht mit diesem Spalt zufrieden, sondern riss die Tür erst richtig auf. Denn sie hatte einen Traum, der zu einem Ziel wurde: Der Frauenmarathon als olympische Distanz.
Wie ambitioniert dieses Ziel war, zeigt das folgende Zitat eines Reporters: „ Das wird die Welt ein bisschen verändern.“ Und ja, das hat er. Das Buch von Kathrin Switzer ist absolut empfehlenswert. Beim Lesen des Buches spürt man die Energie, die diese Frau ausstrahlt. Das Buch zeigt, dass Laufen mehr als nur Sport ist. Es ist eine Lebenseinstellung, eine Lebensphilosophie, die nicht nur jeden selbst, sondern ganze Gesellschaften verändern kann. Nach diesem Buch weiß man, dass“unmöglich“ nur ein Wort, und kein Zustand ist. Danke Kathrine.
432 Seiten
ISBN: 978-3-936376-62-3
€ 22,95
September 2011