Viele von uns Läufern benutzen die Polar V800. Die Pulsuhr bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten uns Informationen über unsere einzelnen Trainingseinheiten und unseren Trainingsfortschritt zu geben. Herzfrequenz, Kilometerschnitt, Wochenumfang, Intensitätsbereiche u.v.m. geben uns die Möglichkeit unser Training zu steuern. Eine weitere Funktion wird jedoch nur von den Wenigsten von uns genutzt. Unter der Funktion „Test“ – „Orthostatic Test“ befindet sich ein wirklich hilfreiches Tool zur Trainingssteuerung. Ich habe jedoch festgestellt, dass nicht viele wissen, was sich genau dahinter verbirgt und was mit dem Orthostatic Test anzufangen ist. Ich nutze die Funktion seit über zwei Jahren und möchte Euch meine Erfahrungen weitergeben und vielleicht kann ich auch den ein oder anderen motivieren, den Test in die eigene Trainingsplanung mit zu integrieren.
Was genau verbirgt sich hinter dem Orthostatic Test?
Es ist ein Test, um die aktuelle Tagesform zu bestimmen und er zeigt mir, wie sich meine Herzfrequenz und Herzfrequenzvariabilität durch Training, Schlaf, Stress, Höhe, Temperatur oder Krankheit verändern kann. Durch die regelmäßige Durchführung des Tests lerne ich meine „Herz-Werte“ besser kennen und kann einschätzen, wie belastbar ich für anstehende Trainingseinheiten oder wie gut ich vom letzten Training oder Wettkampf erholt bin. Ich führe den Test regelmäßig am Morgen durch und kann dann mein Training nach Bedarf anpassen. Ich denke der Test hat mir schon öfters geholfen, einzuschätzen, ob ich mich an den Tag nur schlecht fühle oder tatsächlich kurz vor einer Erkältung stehe und das Intervalltraining vielleicht lieber um ein oder zwei Tage verschiebe, um den Ausbruch einer Erkältung zu verhindern. Der Test kann mir helfen, die Signale meines Körpers richtig zu interpretieren. Manchmal mag es sein, dass ich ein Training aufgrund eines schlechten Tests verschiebe, ein anderes Mal freue ich mich über besonders gute Werte und sehe so, dass z.B. ein Trainingslager positiv angeschlagen hat. Der Test ist also ein Tool, den eigenen Erholungszustand zu messen und mit dem eigenen Körpergefühl abzugleichen.
Herzfrequenz und Herzfrequenzvariabilität: Wo liegt eigentlich der Unterschied?
Die Herzfrequenz (HF) ist eine quantitative Größe des Herzkreislauf-Systems und wird als Mittelwert der Anzahl der Schläge pro Minute angegeben bzw. auf der Pulsuhr angezeigt.
Die Herzfrequenzvariabilität (HRV) kennzeichnet die Variation bzw. Schwankung der Herzfrequenz über einen definierten Messzeitraum bei einer Analyse aufeinanderfolgender Herzperioden. Die HRV ist eine Messgröße der neurovegetativen Aktivität und autonomen Funktion des Herzens und beschreibt die Fähigkeit des Herzens, den zeitlichen Abstand von Herzschlag zu Herzschlag belastungsabhängig laufend zu verändern, um sich wechselnden Anforderungen schnell anzupassen. Die HRV ist damit eine qualitative Kenngröße für die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Organismus an exogene und endogene Belastungen.
Die hemmenden vagalen, hochfrequenten elektrischen Impulse des Parasympathikus führen zu einer sehr schnellen Absenkung der Herzfrequenz. Die niederfrequenten Impulse des Sympathikus bewirken eine Steigerung der Herzfrequenz, jedoch ist die Änderungsrate der Frequenz geringer als beim hochfrequenten Parasympathikus. Der Einfluss des Parasympathikus beruht überwiegend auf der Freisetzung von Acetylcholin durch den Nervus Vagus, wodurch eine Stimulierung der langsamen diastolischen Depolarisation hervorgerufen wird und eine abrupte, schnelle Änderung der Herzfrequenz bewirkt werden kann. Die sympathische Stimulation beruht auf einer Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin, die ß-adrenerge Rezeptoren aktiveren, was zu einer Beschleunigung der langsamen diastolischen Depolarisation führt. In Körperruhe dominiert die vagale Stimulation. 1, 3)
Warum also einen Orthostatic Test zum Training?
Der Orthostatic Test ist ein Tool, um eine optimale Balance zwischen Training und Erholung zu finden. Er kann helfen, ein Übertraining zu vermeiden oder frühzeitig einen aufkommenden Infekt zu erkennen. Ein intensives Training bei anklingendem oder bestehendem Infekt kann nicht nur den aktuellen Gesundheitszustand verschlechtern, sondern auch zu längerfristigen Komplikationen wie z. B. einer Herzmuskelentzündung führen. Die während des Orthostatic Tests gemessene Herzfrequenz und Herzfrequenzvariabilität sind gute Indikatoren für Störungen des autonomen Nervensystems1). Die Herzfrequenz-Reaktionen auf Krankheit, Erschöpfung und Übertraining sind jedoch immer individuell und müssen über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, um sie in Bezug auf die eigenen Referenzwerte optimal nutzen zu können.
Wie wird der Orthostatic Test durchgeführt?
Der Test sollte immer unter ähnlichen Bedingungen durchgeführt werden. Es wird empfohlen, den Test morgens nach dem Aufwachen, also vor dem Frühstück anzuwenden. Der Herzfrequenzgurt muss angelegt werden und man sollte versuchen, sich zu entspannen, d.h., ruhig zu liegen und nicht zu reden oder auf dem Handy rum zuspielen. Dann den Test starten. Nach drei Minuten ertönt ein Signal zum Aufstehen. Nach weiteren drei Minuten ist der Test zu Ende.
Was bedeuten die gemessenen Werte?
Aus dem Orthostatic Test werden die Herzfrequenz und der RMSSD-Wert als Mittelwert für die liegende und stehende Position berechnet. Zusätzlich wird noch die maximal erreichte Herzfrequenz unmittelbar nach dem Aufstehen angezeigt. Der RMSSD-Wert gibt Auskunft über kurzfristige Veränderungen aufeinanderfolgender Herzperioden bzw. Herzschläge und ist eine Kenngröße des parasympathischen Einflusses auf das Herz. Berechnet wird der RMSSD-Wert als Quadratwurzel des quadrierten Mittelwertes der Summe aller Differenzen sukzessiver Herzperioden2). Mit diesen fünf Werten lassen sich differenzierte Aussagen treffen, was ich nachfolgend anhand von vier eigenen Messungen erklären möchte.
Abb 1: Diesen Test habe ich am 28. Juli 2016, zwei Tage vor einem 10 km Straßenlauf durchgeführt. Erkennbar ist, dass die Ruhe-HF um 4 Schläge höher ist als mein Durchschnittswert aus allen Tests seit April 2014, was aber allein nichts Außergewöhnliches ist. Zusätzlich ist aber mein Puls nach dem Aufstehen um 17 Schläge und im Stehen um 27 Schläge höher als meine Durchschnittswerte und die RMSSD-Werte sind im Liegen und Stehen deutlich niedriger. Der Test bestätigt mein subjektives Gefühl, dass ich noch nicht hinreichend regeneriert bin. In der Woche war ich allgemein auch sehr gestresst. Dies war keine gute Ausgangsbedingung für das anstehende Rennen. Das Rennen war am Ende einer Phase mit vielen Wettkämpfen und lief auch nicht wirklich gut. Als Reaktion darauf haben wir das Training im Hinblick auf die anstehende Deutsche Meisterschaft über 10 km im Straßenlauf am 11.09.2016 in Hamburg umgestellt.
Wie setzte ich den Test im Training ein?
Als ich 2014 mit der morgendlichen Testmessung begonnen habe, war es sinnvoll den Test täglich durchzuführen, um die Auswirkungen von Training und anderen Einflüssen auf das Testergebnis täglich analysieren zu können. Durch die wiederholten Messungen ergeben sich immer stabilere Mittelwerte, womit sich Abweichungen oder Differenzen leicht erkennen lassen. Im Verlauf der Saison kann ich so die Auswirkungen einer erhöhten Trainingsbelastung auf meine Testergebnisse beobachten, indem ich einerseits die Differenz zwischen meinen durchschnittlichen Werten und meinen aktuellen Ergebnissen kontrolliere und andererseits mir die einzelnen Kurven am PC anschaue. Ich habe mittlerweile so viel Erfahrung mit dem Orthostatic Test gesammelt, dass ich den Test nicht immer täglich durchführen muss, sondern ihn gezielt einsetze, beispielsweise bei Änderungen des Trainingsrhythmus, vor Wettkämpfen, nach harten Trainingsbelastungen oder Wettkämpfen, um meinen Erholungszustand zu objektivieren. Die Ergebnisse der Tests sollte man natürlich immer im Kontext mit den Trainingswerten und dem eigenen Körpergefühl abgleichen.
Mehr zum Einsatz der Herzfrequenzvariabilität im Sport und aktuelle Ergebnisse aus der Forschung könnt ihr auf dem HRV-Symposium am 04. März 2017 erfahren (www.hrv-sport.de).
Literatur:
- Hottenrott, K. (2006). Trainingskontrolle mit Herzfrequenz-Messgeräten. Aachen: Meyer & Meyer.
- Hottenrott, K. & Gronwald, T. (2014). Bedeutung der Herzfrequenzvariabilität für die Regenerationssteuerung. Leistungssport 44 (5) S. 9-13.
- Neumann, G. & Hottenrott, K. (2016). Das große Buch vom Laufen.Aachen: Meyer & Meyer. 3. völlig überarb. Neuauflage, 680 Seiten.
Liebe Laura,
vielen Dank für diesen wertvollen Beitrag. Ich würde mir wünschen, dass du die Absätze nach „Wo liegt der Unterschied“ für Nicht-Sportwissenschaftler etwas verständlicher formulierst und du deine weiteren Messergebnisse ab Beispiel 2 auch noch kommentierst. Welche Rückschlüsse hast du gezogen, wie dein Training angepasst, etc. Über einen weiteren Austausch unter Polar-Partnern würde ich mich freuen.
Vielen Dank, Andreas Butz
Hallo Andreas,
es freut mich, dass Dir der Beitrag gefällt.
Die Beispiele 2, 3 und 4 beschreiben die Veränderungen vor, während und nach dem Trainingslager. Aus Beispiel 4 lässt sich auch der Schluss ziehen, dass das Training in der Höhe mich nicht überfordert hat, ich nicht zu hart trainiert habe. Ich werde bei Gelegenheit noch weitere Beispiele aus meinem Training hinzufügen oder einen weiteren Beitrag dazu schreiben und die Unterschiede zwischen HF und HRV nochmals ganz einfach erläutern. Viele Grüße Laura
Es war ein großartiger Bericht sehr , lehrreich manchmal ,zumindest für mich , mit etwas zu vielen Fremdwörtern , die sicherlich notwendig sind .Dennoch vielleicht ein wenig verständlicher wäre leichter alles zu verstehn.
lg Andi