Und weiter geht’s in der Serie „Spitzensportreform? So denken die Athleten darüber!“ Wir geben unseren Spitzensportlern in diesen Tagen die Möglichkeit, sich in die Diskussion über die geplante Spitzensportreform einzuklinken und ihre Ansichten und Optimierungsvorschläge bezüglich Leistungssport, Sportförderung und Nachwuchsarbeit mit uns zu teilen. Die Hintergründe dieser Diskussion haben wir bereits in einem vorigen Beitrag dargelegt und möchten jetzt, durch das Einbeziehen der Athleten, näher auf die Problematik eingehen.
Dieses Mal habe ich mit dem Deutschen Marathon-Rekordhalter Arne Gabius sprechen dürfen.
Larasch: Was würdest du am jetzigen System im Leistungssport aus Läufersicht verändern wollen?
Arne Gabius: Grundsätzlich müssen andere Strukturen im Laufbereich geschaffen werden. Ein entscheidender Schritt wären Leistungsstützpunkte fürs Laufen, die Anschluss an eine gute Universität haben und geeignete Trainingsmöglichkeiten bieten – sprich laufgerechte Strecken, nahliegende Wälder, eine Halle, eine Bahn, ein Schwimmbad und ein Reha-Zentrum. Viele Läufer wollen, nachdem sie die Schule absolviert haben, ein Studium anfangen. Als Student und Leistungssportler ist es sehr sinnvoll, wenn Stützpunkt und Universität an einem Ort sind.
Gleichzeitig brauchen wir kompetente, umfassend ausgebildete Trainer, die sich regelmäßig fortbilden und auf der Höhe der Zeit sind, was ihr Fachwissen angeht. Der Berufsstand Trainer muss völlig neu definiert werden. Heutzutage ist ein Trainer oftmals nicht mehr als ein besserer Platzwart. Die Arbeit eines Trainers muss zudem honoriert werden, nicht nur mit Geld, sondern auch mit Respekt und Wertschätzung. Zuletzt muss man angehenden Trainern eine langfristige Zukunftsperspektive bieten und nicht nur Ein- oder Zweijahres Verträge.
Larasch: Kannst du von der Sportförderung aktuell deinen Alltag finanzieren?
Arne Gabius: Ich habe das Glück, dass ich seit ein paar Jahren von meinem Sport leben kann. Von “der Sportförderung“ konnte ich noch nie leben, das kann kein Sportler in Deutschland. Ein Monat als Student, der Leistungssport betreibt, kostet mindestens 850 Euro, soviel bekommt kein deutscher Spitzenathlet. Von Physiotherapie- und Trainingslagerzuschüssen kann man auch keine Miete zahlen. Ohne Sponsoren kann man diesen Sport nicht ausüben!
Larasch: Wie würde eine optimale Sportförderung aussehen/was müsste sie beinhalten?
Arne Gabius: Für den Nachwuchs selbst müssen faire Bedingungen geschaffen werden, die Zukunftsperspektiven bieten. Wichtig ist langfristig zu planen. Eine vernünftige Karriere-Planung, die den Athleten absichert, dass er auch im Falle von verletzungsbedingten Zwangspausen nicht allein da steht und leer ausgeht. Dahingehend bedarf es ein ausgearbeitetes Konzept, was junge Talente noch motiviert, den Weg eines Leistungssportlers zu gehen.
Der Athlet gehört in den Mittelpunkt. Im aktuellen Förderkonzept ist das leider nicht der Fall. Ich habe in meinen 20 Jahren schon viele talentierte Läufer erlebt. Auch welche, die zu 100% alles für den Sport gegeben haben. Leider wurden einige nicht mit dem Erfolg belohnt, den sie verdient hätten. Doch hat der Sport ihnen vieles für ihren Lebensweg mitgegeben, so dass Sie heute einen gefestigtes Leben führen.
Es ist wichtig, die Vielfalt im Sport zu wahren und nicht in Monotonie zu verfallen und nur wenige Sportarten zu fördern. Wir sollten die Vielfalt des Sports fördern, ohne dass Disziplinen dabei untergehen.
Larasch: Erkennst Du auch positive Ansätze in der aktuellen Spitzensportreform? Was ist dein größter Kritikpunkt?
Arne Gabius: Stichwort Zentralisierung. Das ist ein sinnvoller Ansatz, bei dem auf Qualität gesetzt wird. Beispielsweise haben wir bislang 19 Olympia Stützpunkte. Diese sollen nun auf 13 reduziert werden, aber dafür bessere Bedingungen geschaffen werden, von denen der Sportler profitiert, anstatt darin unterzugehen. Damit wären wir wieder bei dem notwendigen Schritt, den Athleten selbst in den Fokus zu setzen und die Umstände danach anzupassen.
Leider ist der sportliche Erfolg weiterhin Maßstab für die finanzielle Unterstützung. Werden die Zielsetzungen erfüllt, Medaillen geliefert, dann wird die Leistung honoriert. Werden sie dagegen nicht erreicht, werden Abstriche gemacht. Damit setzt das Fördersystem erst bei dem erfolgreichen Athleten an. Bis zu diesem Erfolg wird, wenn überhaupt, nur minimal gefördert. Es werden keine Anreize geschaffen, die Leistungssportkarriere anzugehen. Hinzukommt, das niemand sein Leben lang auf Bestzeit-Niveau rennen kann. Vieles ist auch eine Frage des Glücks und das lässt sich bekanntlich nicht berechnen.
Larasch: Wo sollte die Förderung konkret ansetzen?
Arne Gabius: Im Mittelpunkt sollten Trainer und Athlet stehen. Der Trainer kennt seinen Schützling nämlich am besten, wenn man bedenkt, dass manche teils über zehn Jahre miteinander arbeiten. Deshalb gilt es, diese Partnerschaft zu fördern und, wie bereits angesprochen, den Berufsstand des Trainers zu verbessern.
Larasch: Was bedeutet das für den Nachwuchs?
Arne Gabius: Wir haben viele talentierte Sportler in Deutschland. Die Potenziale sind hoch. Fragwürdig ist es allerdings, diese mittels eines mathematischen Systems wie ‚Potas‘ zu berechnen und die Sportförderung davon abhängig zu machen. Unabhängig hiervon wird es sehr schwierig sein, Potenziale frühzeitig zu erkennen. Außerdem entsteht wieder viel Bürokratie und Geld geht verloren, welches besser dem Sportler zugutekommen sollte.
Vielen Dank Arne für deine Zeit und offenen Worte über ein brisantes Thema, das nicht nur seit der geplanten Spitzensportreform nachdenklich macht.