Es ist inzwischen gang und gäbe, dass jeder Spitzenläufer als Autor in Erscheinung tritt, um sein gesammeltes Wissen, seinen Erfahrungsschatz weiterzugeben und um auch den einen oder anderen Euro zu verdienen. Jan Fitschen und Sabrina Mockenhaupt sind da nur zwei Beispiele. Die Hahnertwins – Anna und Lisa Hahner – reihen sich neuerdings mit ihrem Buch „Time to run“ in die Gilde der schreibenden Läufer ein. Keiner versteht es auf dem hart umkämpften Markt, sich besser zu verkaufen als die beiden laufenden Schwestern. Fast 41.000 Menschen verfolgen auf Facebook, was die Hahners tagtäglich so treiben, können verfolgen, was die schnellen Marathonzwillinge im Training an Kilometern zurücklegen oder erfahren, welcher Friseur ihnen gerade den feschen Haarschnitt pünktlich zum Hannover Marathon verpasst hat. Sogar einen eigenen Club haben die beiden. Da war das erste Buch aus meiner Sicht nur noch eine Frage der Zeit.
„Time to run“ ist „das Trainingstagebuch für alle, die das Laufen lieben“, so der Untertitel. Dass die Hahners das Laufen, das längst auch ihr Job ist, lieben, das merkt man in jeder einzelnen Zeile. Voller Leidenschaft berichten sie vom Laufen, das für sie Profession und Passion in einem ist. „Laufen bedeutet für uns Freiheit und Unabhängigkeit“, sagen sie unisono. Mit ihrem Buch wollen die beiden vor allem eines, den Leser zum Laufen motivieren – egal, ob Leistungssportler, Freizeitläufer oder Einsteiger.
Als Tagebuch begleitet „Time to run“ durch das ganze Jahr. Die absolvierten Einheiten können akribisch festgehalten und kommentiert werden. Unterbrochen werden die Seiten zum persönlichen Eintrag durch viele, viele Tipps und persönliche Anekdoten der 26-jährigen Hahnertwins. Themen, wie Training, Regeneration oder Athletik werden angerissen und sachlich richtig dargestellt, allerdings gibt es für den fortgeschrittenen Läufer wenig Neues. Niemand kann das Rad neu erfinden. Die Lauftechnik- und Athletikübungen sollte jeder Sportler an sich kennen. Zur Vertiefung können die einzelnen Übungen nach dem Scannen des QR-Codes angeschaut werden.
Highlight des Buches ist Anna und Lisa Hahners erfrischend-ehrlicher Rennbericht vom Vienna City Marathon, den Anna ja bekanntlich gewann. Ob die Vorbereitung am frühen Morgen, der Lauf an sich, Lisas Empfindungen als daumendrückende Schwester oder die Party danach – als Leser fühle ich mich mittendrin, erlebe den Marathon hautnah mit. Ich bekomme Gänsehaut, fiebere mit. Ja, schreiben können sie, die sympathischen Marathonzwillinge, die es von Hessen in den Schwarzwald verschlagen hat.
„Time to run“ ist eine Mischung aus allem: Tagebuch, Ratgeber und persönlicher Begleiter durch das Laufjahr. Mein zehnjähriger Sohn Nikolaj hat „Time to run“ für sich entdeckt. Laufbücher waren für ihn, der so gerne läuft, bisher nicht unbedingt seine Lektüre Nummer eins. Die Hahnertwins und ihr Buch haben es ihm aber offensichtlich angetan. Ob es an dem durchaus ansprechenden Layout oder an den farbenfrohen Fotos liegt, entzieht sich meiner Kenntnis. Doch kürzlich fing er beim Abendbrot an, mit mir über das Läuferdreieck zu diskutieren. Etwas verdutzt fragte ich ihn, wo er das denn schon einmal gehört oder gelesen habe. „Aber Mama, das steht doch im Kapitel zur Lauftechnik bei den Hahners“, meinte Nikolaj. Und prompt zeigte er mir beim letzten gemeinsamen Dauerlauf das Läuferdreieck. Seitdem liegt das Buch mal im Kinder-, mal im Wohnzimmer oder eben in meinem Büro.
Hahner, Anna und Lisa: Time to run. Das Trainingstagebuch für alle, die das Laufen lieben. Hamburg: Spomedis, 2016. ISBN 978-3-95590-096-0, 17,95 Euro