Manch einer hat es aufgrund von absolut allzeitpräsenter Medien-Berichterstattung über die Fußball-Europameisterschaft (Welche Blumen blühen im Quartier der deutschen Nationalmannschaft? Hat Schweini das Golf-Duell gegen Thomas Müller gewonnen? Und wie gehen wir jetzt eigentlich mit dem Griff in den Schritt von Joachim Löw um?) vielleicht gar nicht mitbekommen, aber: Am letzten Wochenende fanden tatsächlich die Deutschen Meisterschaften der Leichtathletik statt.
Klar EM das ist Europa, und DM ist nun mal „nur“ Deutschland. Dass die deutsche Fußballmannschaft an diesem Wochenende aber gar nicht gespielt hat (Samstag war sogar trainingsfrei…) und dass es in Kassel stattdessen um heiß begehrte Tickets zu den Olympischen Spielen ging (zu denen der DFB ja lediglich seine U21-Delegation sendet), ist irgendwie nicht so richtig rübergekommen.
Wie dem auch sei, man darf sich nicht beschweren. Immerhin haben sich die öffentlich rechtlichen Sender dazu herabgelassen, das Event in der hessischen Stadt zumindest in Ausschnitten live zu übertragen: Samstags im ZDF und sonntags in der ARD.
Dafür bin ich auch tatsächlich sehr dankbar, denn ich wäre zwar natürlich am liebsten direkt vor Ort gewesen – es gab allerdings ein paar Gründe, die mich davon abgehalten hatten, mit meiner Mannschaft zu den Titelkämpfen zu reisen: Erstens hatte ich bis vor kurzem noch mit einer ärgerlichen Knieverletzung zu kämpfen. Ich fühlte mich einfach noch nicht fit genug, um ein zufriedenstellendes Rennen über 5000m abzuliefern. Mein Test bei der Sparkassen-Gala verlief bei weitem nicht so, wie ich es mir gewünscht hatte und ich wollte mir diese Enttäuschung vor noch größerer Kulisse ersparen.
Zweitens passt mein Training für die bevorstehende Halbmarathon-EM nicht unbedingt zur 5000m-Distanz, die ich in Kassel eigentlich in Angriff nehmen wollte. Das einfach ein komplett anderer Trainingsaufbau, weniger Tempoläufe Bahn, verstärkt extensives Training, nicht so viel Schnelligkeit, stattdessen Kilometer machen.
Und zu guter Letzt konnte ich das Wochenende auf diese Weise besser nutzen, um zu trainieren und gleichzeitig ein bisschen zu arbeiten. Von irgendwas wollen die Laufschuhe ja schließlich bezahlt werden, die immer schneller durchgelatscht sind, je mehr Meilen man mit ihnen sich bringt.
Ich kam am Sonntag also gerade noch rechtzeitig aus der Redaktion nachhause, als das 5000m-Finale der Frauen begann, bei dem ich ja ursprünglich selbst dabei sein wollte. Umso gespannter war ich natürlich, wie das Rennen verlaufen würde. Doch was ich zu sehen bekam, war mehr als nur eine Enttäuschung…
Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Das liegt keineswegs an den vielen Läuferinnen, die im Auestadion wirklich einen tollen Wettkampf gemacht haben. Es war die Art und Weise der Berichterstattung, die mir mehr als nur sauer aufgestoßen hat:
Pünktlich um 17 Uhr fiel der Startschuss. Währenddessen waren zeitgleich noch das Weitsprung-Finale der Männer und der Speerwurf-Wettbewerb der Frauen im Gange. Ich kann es absolut nachvollziehen, dass man da immer mal wieder zwischen den einzelnen Disziplinen hin- und herwechseln muss. Von den Speerwerferinnen habe ich allerdings jeden einzelnen Wurf präsentiert bekommen (inklusive Trainer-Beratung sowie Wut- oder Freudenausbrüche nach den Versuchen). Bei den Läuferinnen hatte man dagegen das Gefühl, es laufen eigentlich nur Fate Tola Geleto und Agata Strausa (ich glaube, einmal wurde noch Monika Pletzer genannt). Alle übrigen Athletinnen wurden während des Rennens nicht namentlich erwähnt, geschweige denn irgendwelche Positionen durchgegeben.
Von Christina Obergföll wusste ich dagegen zu jeder Zeit ganz genau, dass sie auf Rang vier lag und damit „überhaupt nicht zufrieden sein konnte“ – wie mir der Sprecher mitteilte.
Als dann der Wurf jener hochklassigen Athletin auch noch verzögert wurde, da die Innenbahn tatsächlich von lauter 5000m-Läuferinnen „blockiert“ war, hatte man zum ersten Mal bemerkt, dass da ja doch mehr als nur zwei Sportlerinnen im Rennen waren.
Anstatt diese wirklich ärgerliche Zwangspause des Wurf-Wettbewerbes damit zu überbrücken, wenigstens ein wenig vom Wettkampfgeschehen auf der Langdistanz zu berichten, kam es ganz beiläufig zur absoluten Krönung der gesamten TV-Übertragung: Man bemängelte, dass man nun so furchtbar lange warten müsse, da sich die vielen Läuferinnen „wie bei einem Volkslauf“ auf die komplette Stadionrunde verteilt hatten.
Eigentlich kann man bei der ARD schon etwas Erfahrung in der Übertragung von Lauf-Wettbewerben haben. Ich kann mich jedenfalls an kein Rennen bei Olympia, WM oder EM erinnern (sowohl bei Frauen als auch Männern), bei dem sich das Feld nicht auf die gesamte Stadionrunde verteilt hätte. Ich finde diese Volkslauf-Bemerkung deshalb mehr als nur unangemessen und in jeder Hinsicht herabwürdigend.
Aber wie dem auch sei: Die Siegerin des Rennens war zum Glück ja bald im Ziel. Ein schnelles „Herzlichen Glückwunsch“ an Fate Tola Geleto. Wo kommt die Zweite? Das dauert aber ganz schön lang. Und endlich ist dann auch die Dritte im Ziel, Anna Gehring. Sehr schön, dann können wir ja jetzt mit Speerwurf weitermachen.
Ich muss gestehen, dass ich nach dieser Berichterstattung mehr als nur fassungslos auf meinen Bildschirm gestarrt habe. Ich weiß nicht, was ein Zuschauer denken soll, der die Starterinnen vielleicht nicht wie ich (größtenteils persönlich) kennt. Aber es ist zu vermuten, dass er nach dieser, ich kann es leider nicht in andere Worte fassen, genervt anmutenden „Abhandlung“ des 5000m-Rennens nicht unbedingt ein besonders positives Bild von der deutschen Langstrecken-Szene bekommen hat.
Für ihn dürfte in etwa so viel hängen geblieben sein: Vorne weg läuft eine Äthiopierin, deren Einbürgerungsverfahren läuft. Der Rest wird überrundet und naja, sind halt irgendwelche Mädels, die man sowieso nicht kennt.
Dass die Siegerin ihre persönliche Bestleistung erheblich gesteigert hat, ist nicht aufgefallen. Dass die Zweitplatzierte Agata Strausa ein famoses Rennen im Alleingang absolviert hat, war wohl nicht erwähnenswert. Dass die blutjunge Anna Gehring mit dem überraschenden dritten Rang mehr als nur über sich hinausgewachsen ist, hat keiner bemerkt. Dass auch alle sieben Frauen, die nach ihr ins Ziel kamen persönliche Bestleistungen oder Saisonbestleistungen liefen, spielte keine Rolle. Dass es insgesamt 24 deutsche Frauen gibt (bzw. noch mehr), die die Qualifikationsnorm für die deutschen Meisterschaften erfüllt haben? Eigentlich total ärgerlich! So viele Starterinnen sind nicht gut für den reibungslosen Ablauf der übrigen Wettbewerbe.
Vielleicht war das 5000m-Rennen keines auf Weltklasse-Niveau. Aber das kann man auch nicht bei jedem einzelnen Wettbewerb erwarten und voraussetzen (vergleiche hierzu sämtliche, in voller Länge übertragene Spiele der Fußball-EM). Eine Würdigung der individuellen Leistungen der Athletinnen wäre dennoch wünschenswert gewesen. Zumindest während der Speerwurf-Unterbrechung hätte man den Läuferinnen deutlich mehr Raum geben können, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Denn wer dazu keine Gelegenheit bekommt, bleibt uninteressant. Zur Förderung des Laufsports trägt es jedenfalls nicht bei. Dass Sponsoren und Unterstützer ausbleiben, ist die logische Konsequenz.
Und so blieb mir danach auch gar nicht mehr viel Zeit, um weiter fassungslos vor meinem Bildschirm zu sitzen. Stattdessen habe ich für die Zeitung eine Reportage über das Regensburger Currywurst-Wettessen geschrieben. Von irgendwas wollen die Laufschuhe ja schließlich bezahlt werden, die immer schneller durchgelatscht sind, je mehr Meilen man hinter sich bringt.
Marathon Herren: Bei km 38 wird ausgeblendet und auf Handball umgeschaltet.
MTB Cross Country: Kurz vor dem Zieleinlauf des Siegers: Ende Berichterstattung,
Nachrichten. Was soll man da noch sagen?
Hallo Stephan,
das ZDF hat mit Sicherheit die Wettbewerbe gezeigt in denen die Athleten auch in Rio dabei sein werden, was auch ok ist, aber die Diskrepanz zu Wettbewerben wo das nicht so ist, ist einfach zu groß. Zudem, seit wann werden Läufe in voller Länge übertragen? Das Wochenende hat gezeigt, dass das nicht der Fall ist! Du meinst sicher die Sprintwettbewerbe!? Das Du hier anführst das dabei 8mal der Zieleinlauf und fünf weitere Minuten die Athleten gezeigt werden die „um Luft ringen“ finde ich unverhältnismäßig, einfach nicht zutreffend und auch irgendwie frech. Auch wenn du schreibst das soll man „nicht falsch verstehen“ muss ich das aufgreifen. Das die Berichterstattung auf den Speerwurf eingeht, wo die Athletinnen zweifelsohne zur Weltklasse gehören, ist richtig – dabei aber jeden Wurf zu zeigen und beim 5000m Lauf in Summe vielleicht nur 1:30min zu zeigen ist mehr wie unverhältnismäßig. Das Du dann noch anführst, dass Du dann auch keine Athleten „sehen“ willst die Ausgepumpt am Boden liegen … da fehlen mir die Wort. Lauf- und Wurfdisziplinen kann man in der Hinsicht überhaupt nicht miteinander vergleichen, dass ist eine ganz andere Form der Belastung. Ich sehe lieber ausgepumpte Athleten bzw. Läufer die alles gegen haben, als 3 Würfe einer Christina Obergföll die bei 55m landen. Dabei dann mit der Kamera bei jedem Wurf noch „5min“ draufzubleiben wie sie den Versuch ungültig macht, sich dabei tierisch ärgert, die Haare rauft und durch das halbe Stadion spaziert, dass muss nicht sein und da sollte sofort zum Lauf umgeschaltet werden. Das betrifft auch andere technische Disziplinen, warum wird da immer noch eine und noch eine Wiederholung eines ungültigen Versuchs gezeigt? Bei den Laufwettbewerben wird meist nur der Start und der Zieleinlauf gezeigt, wie die Zwischenzeiten waren, ob es Positionskämpfe gegeben hat oder Tempoverschärfungen ist nicht zu sehen – da kann ich mir auch nur die Ergebnisslisten angucken, da weis ich am Ende genauso viel. Ob Weltklasse oder nicht, die Leistungen der Athleten sollte immer Annerkennung erfahren. Der 5000m Lauf mag nicht auf einenm Top Niveau gewesen sein, aber die ersten 10 Läuferinnen diese Laufes sind alle Absolute- oder Saisonbestleistungen gelaufen, das war in anderen Disziplinen nicht annähernd so.
Liebe Franzi,
Willkommen im „daily business“ der technisch begeisterten Zuschauer.
Ich gehe davon aus dass das ZDF das übertragen hat wo wir ganz sicher die Sportler in Rio sehen werden. Normalerweise werden die Läufe in kompletter Länge und in Zeitlupe gezeigt. 8 x der Zieleinlauf und dann noch 5 Minuten wie die Sportler am Boden liegen und um Luft ringen. Nicht falsch verstehen, aber in dieser Zeit sind parallel oft Weltklasse Wettbewerbe in technischen Disziplinen.
Leider wahrer Artikel. Leider gibt es auch nicht die gesamte Aufzeichnung der DM in der ARD Mediathek, in der ZDF gab es hingegen den Samstag noch abrufbar