Gut 1,5 Jahre liegt die Heim-Europameisterschaft der Leichtathleten in Berlin schon wieder zurück. Und die Zeit rennt: Olympia steht bereits in den Startlöchern. Wir wollten wissen, was bei den Jungs und Mädels seither „gelaufen ist“ und was sie für 2020 vorhaben.
Jonas Koller: Zielzeit: 2:19:16h, zweitbester Deutscher, Platz 28

Jonas, zu Beginn ein kleiner Rückblick auf Deinen EM-Marathon in Berlin. Wie zufrieden warst Du mit Deiner Leistung im Ziel?
Ich war damals ehrlich gesagt mega happy, überhaupt im Ziel angekommen zu sein. Was viele wahrscheinlich nicht wussten: Ich hatte im Frühjahr 2018 massive Knieprobleme und es war eine echte Gradwanderung, überhaupt in Berlin an der Startlinie stehen zu können. Ich habe nur eine sehr abgespeckte Marathonvorbereitung absolvieren können, immer parallel mit intensiver medizinischer Betreuung und Physiotherapie. Deshalb war ich mir nicht sicher, ob mein Knie bis ins Ziel hält und war sehr froh, in Berlin als zweitbester Deutscher so abgeliefert zu haben.
Schade war natürlich, dass Philipp Pflieger im Rennen ausgestiegen ist. Mit ihm wäre vielleicht eine Mannschafts-Medaille möglich gewesen, die natürlich auch für eine stärkere Verbandsförderung der Marathonis wichtig gewesen wäre.
Wie lief es für Dich dann nach dem Saisonhighlight 2018 weiter; auch im Hinblick auf Deine Verletzung?
Ja, wie schon gesagt, die Knieprobleme haben mich eigentlich durch das gesamte Jahr 2018 begleitet. Die Entzündung im Knie hat sich nach Berlin nochmal verstärkt und mich auch im Herbst und Winter stark eingeschränkt. Die Nachbereitung des Marathons lief also nicht wirklich optimal und ich war weiterhin in medizinischer Behandlung. Zum Jahreswechsel hatte ich das dann einigermaßen im Griff und bin im Januar 2019 mit ins Höhentrainingslager nach Kenia, das Philipp (Pflieger), Marcus Schöfisch und ich uns organisiert hatten, gefahren. Im Nachhinein für mein Knie sicher nicht die vernünftigste Entscheidung, aber wenn man im Marathon Ambitionen und Ziele hat, ist Iten eben schon ein „Muss“. Und das Training dort lief auch richtig gut.
Wie würdest Du Dein Niveau nach dem Höhentraining einschätzen?
Wir haben öfter mit den Kenianern trainiert. Und wenn du als Deutscher ein komplettes Programm durchziehst und bei 200 Kenianern am Ende unter den ersten 20 bist, hast du schon das Gefühl, zu „fliegen“. Ja, ich habe mich schon stark gefühlt.
Im Frühjahr und Sommer 2019 hat man Dich dann aber eigentlich kaum im Renngeschehen gesehen – was war los?
Das stimmt. Nach meinem Trainingslager wollte ich in Barcelona einen schnellen Halbmarathon laufen. Ich bin zwar gestartet, aber war am Tag selbst schon leicht kränklich aufgewacht und bin dann ja auch ausgestiegen. Von da an lief es dann überhaupt nicht mehr rund. Im Trainingslager in Monte Gordo ist meine Knieverletzung wieder aufgebrochen und die habe ich auch die gesamte Frühjahr- und Sommersaison trotz Behandlung nicht in den Griff bekommen. Ich habe zwar trainiert – viel alternativ – dann war mal eine gute Laufeinheit dabei und gleich drauf wurden die Knieschmerzen wieder schlimmer. Ich bin einfach überhaupt nicht in einen richtigen Trainingsrhythmus gekommen.
Wie bist Du mit der Situation umgegangen? So ausgebremst zu werden ist sicher, gerade nach dem Erfolg in Berlin nicht einfach?!
Ja, es war eine ziemliche Durststrecke. Vor allem, weil auch die Behandlung nicht richtig angeschlagen hat. Als ich dann eingesehen habe, dass ein strukturiertes Training einfach nicht möglich ist, die WM-Quali ohnehin nicht, habe ich versucht, die Zeit anders für mich zu nutzen. Im Job habe ich für meinen damaligen Vereinssponsor und Arbeitgeber verschiedene Vorträge gehalten. Und ich konnte mein Sponsoren-Netzwerk weiter stärken und war natürlich sehr froh und dankbar, dass ich auch in einem sportlich schwachen Jahr den Rückhalt von meinen Partnern bekommen habe. Das war ein gutes Gefühl, in anderen Lebensbereichen „voran“ zu kommen. Mit meiner ärztliche Betreuung war ich aber zunehmend unzufrieden und hatte das Gefühl, nicht unbedingt immer richtig beraten zu werden: Die vorgeschlagene Behandlung, unter anderem mit homöopathischen Spritzen, hat ja offensichtlich nicht angeschlagen. Nach einigem Hin und Her habe ich mich dann Ende des Sommers zu einem Arztwechsel entschieden. Ich wollte vor allem eine zweite Meinung haben, was genau die Ursache der Verletzung ist und wie ich die dann lösen kann.
Da Du aktuell im Reha-Prozess bist, fiel die Diagnose wahrscheinlich nicht unbedingt positiv aus?!
Ja und nein. Das Ergebnis der neuen Untersuchung, treffenderweise genau einen Tag vor dem Berlin Marathon 2019, war die dringende Empfehlung zur Knie-OP. Das musste ich natürlich erst einmal sacken lassen. Aber dann habe ich mich recht schnell für den Eingriff entschieden. Der fand dann im November 2019 statt und verlief auch sehr gut. Naja, und seitdem bin ich im Reha-Prozess und werde aktuell in Herxheim betreut.
2019 hast Du ja nicht nur Deinen Wohnort, sondern auch den Verein gewechselt. Welche Beweggründe haben dazu geführt?
Erste Überlegungen dazu gab es tatsächlich schon Anfang 2019. Die Vorstellungen von meinem damaligen Trainer und mir gingen mehr und mehr auseinander. Wir hatten keinen Streit oder Ähnliches, aber irgendwie war das Gefühl, für ein gemeinsames Ziel zu arbeiten, nicht mehr da. Ich habe in Regensburg dann ja auch schon nicht mehr im Athleten-Haus gewohnt. Und meine Beziehung zu Miriam Dattke ging auseinander. Das war vielleicht das letzte i-Tüpfelchen, mich neu zu orientieren und von Regensburg weg zu gehen. Dadurch, dass ich Tom (Gröschel) vom TV Wattenscheid 01 ja ganz gut kenne und mich mit ihm gut verstehe, war Wattenscheid 01 mit der starken Trainingsgruppe hier dann eine naheliegende Option.
Hast Du auch andere Vereine in Betracht gezogen? Philipp Pflieger ist ja zum LT Haspa Marathon Hamburg gewechselt.
Ja, es gab kurz den Gedanken, mit Philipp nach Hamburg zu gehen. Aber den habe ich recht schnell wieder verworfen. Philipp wäre sicher ein starker Trainingspartner für mich, aber er ist so viel auf Achse, dass ich in Hamburg wahrscheinlich doch größtenteils alleine trainiert hätte. Und ich bin eben schon ein Team-Player. Mit den Jungs aus Wattenscheid (Hendrik Pfeiffer, Amanal Petros, Tom Gröschel) und Tono (Kirschbaum) als Trainer habe ich eine echt tolle Truppe im Training. Und auch menschlich passt es: Dank der Jungs habe ich super schnell eine Wohnung in Bochum gefunden. Ich wohne direkt unter Tom. Und durch Hendriks Kontakte nach Herxheim habe ich eine super Nachbetreuung nach der OP und es geht gut voran.

Das heißt: Wie sehen Deine Ziele für 2020 aus?
Oberste Priorität ist, die Verletzung, beziehungsweise die OP, völlig ausheilen zu lassen. Plan ist, im März langsam ins Lauftraining einzusteigen und dann ab April mit einem strukturierten Lauf- und Aufbautraining, vielleicht schon mit einem ersten Trainingslager, zu beginnen. Ich merke, dass die Probleme im Knie gelöst sind. Das ist die Hauptsache und Basis, auf die ich aufbauen kann.
Hast du die EM 2020 noch im Hinterkopf?
Natürlich steht das irgendwo im Raum. Aber der Quali-Zeitraum (bis Anfang Juli 2020) ist für mich eigentlich nicht machbar. Drei Monate Vorbereitung mit meiner Verletzungs-Vorgeschichte sind sehr unrealistisch. Schade, aber das Wichtigste für mich ist, wieder schmerzfrei laufen zu können. Und mit 26 Jahren habe ich ja hoffentlich noch ein paar Jahre, um im Nationaltrikot zu laufen. Wenn alles so klappt, wie Tono und ich uns das vorstellen, möchte ich im Herbst dann im Marathon angreifen. Und im Idealfall können wir als Team die Vorbereitung komplett zusammen absolvieren und voneinander profitieren. Das ist natürlich eine vielversprechende Perspektive, die mich super motiviert.
Zum Abschluss: Magst Du noch einmal kurz beschreiben, was Dir in der doch schwierigen und langen Verletzungsphase weitergeholfen hat?
Sehr wichtig war für mich, mich nicht aufzugeben. Man gerät in solchen Situationen schnell ins „Schwarzmalen“. Das ist ja auch mal ok. Aber ich habe versucht, das nie so stehen lassen, sondern mich auf Perspektive nach der Verletzung und meine Ziele, die ich noch erreichen möchte, konzentriert.
Während der Verletzung und auch nach der OP war die medizinische Betreuung ein wichtiger Punkt. Bei mir hat es ja auch eine gute Weile gedauert, bis die richtige Behandlung „gefunden“ war und die will ich auch komplett und gewissenhaft durchzuziehen. Dazu gehört für mich vor allem im Nachgang der OP jetzt viel Physiotherapie und enge Absprache mit den Ärzten.
Die lange „Hängepartie“ im Sommer war aus sportlicher Sicht für mich frustrierend. Aber da habe ich versucht, „die Kirche im Dorf zu lassen“. Ich habe es ganz gut hinbekommen, nach links und rechts zu schauen; welche Ziele ich außerhalb des Laufens habe und was mir wichtig ist. Das hat abgelenkt und mich gleichzeitig motiviert.
Jonas, vielen Dank für Deine Offenheit und die Einblicke!
Wir wünschen Dir, dass Du in Bochum weiter Fuß fasst und es so voran geht, wie Du es dir wünschst. Und dann freuen wir uns, Dich hoffentlich bald wieder gesund an der Startlinie zu sehen!
Sportlerprofil von Jonas Koller
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