Fast jeder Läufer hat dies schon durchgemacht: man trainiert, trainiert, trainiert, die Zeiten und Werte sind super, doch bevor man sich bei einem Wettkampf beweisen kann, verletzt man sich. Und dann? Finito, Schluss, aus und vorbei. Für was hat man sich in den letzten Wochen so geschunden? Nun geht’s ins Wasser, aufs Rad und auf den Cross-Trainer. Sabrina Mockenhaupt wurde nach dem Silvesterlauf 2011 durch einen Ermüdungsbruch im Mittelfuß ausgebremst.
Nach mehreren Wochen Alternativtraining und intensiver Betreuung in einem Reha-Zentrum ist sie nun seit vier Wochen wieder im Lauftraining und bereitet sich im Höhentrainingslager in Kenia auf die kommende Olympiasaison vor. Und nun ist mentale Stärke gefragt. Die Motivation ist riesig, nach einer Verletzung wieder durchzustarten, am besten gleich dort weitermachen, wo man trainingstechnisch vor der Verletzung aufgehört hatte. Von 0 auf 100 im Training bedeutet aber auch, die Gefahr für eine erneute Verletzung mit annähernd 100%iger Sicherheit einzugehen. Auch wenn man während der Verletzungsphase nicht auf der faulen Haut lag, muss sich der Körper erst wieder auf die laufspezifische Belastung einstellen.
Entscheidend ist auch, wie der Trainer mit der Verletzung umgeht. Denn als Athlet fühlt man sich mit einer Verletzung erst einmal hilflos. „Ein Trainer, der nur da ist, wenn man auch laufen kann, macht nur die Hälfte seines Jobs. Als Athlet braucht man jemandem, der einem Mut zuspricht und sagt, das kriegen wir schon wieder hin“, ist Mocki überzeugt. „Gerade während dieser Zeit kann man Defizite aufholen, für die man sich sonst nicht genügend Zeit nimmt.“ So hat Mocki beispielsweise während ihrer Verletzungspause einen Schwerpunkt auf Athletiktraining und Stretchingübungen gelegt. Und das hat sie beibehalten, auch wenn sie wieder laufen kann. „Schließlich möchte ich, dass dies auch so bleibt. Je stärker meine Sehnen und Bänder sind, desto besser stecke ich auch die Trainingsbelastung weg.“
Schmerzende Schienbeine gehören bei den ersten Laufeinheiten dazu, die kennt jeder Laufanfänger. Aber glücklicherweise geht es von Tag zu Tag immer runder und leichter und Laufen fühlt sich wieder natürlich an. „Der Mensch ist meist von Natur aus unzufrieden und vergisst, was er sich vor drei Wochen noch gewünscht hat, jetzt hat und dann aber schon wieder mehr will“, beschreibt Mocki ihre Gedanken nach den ersten Wochen richtigem Lauftraining. Hier muss man nun mental stark sein, und akzeptieren, dass man kleine Schritte nach einer Verletzung nehmen sollte. Der wichtigste Schritt ist schon einmal, dass man sich selbst darüber klar wird. Denn man wird genügend Möglichkeiten mehr oder weniger freiwillig bekommen, sich erklären zu müssen. „Warum startest du nicht bei diesem oder jenem Wettkampf?“ „Ich hätte dir gleich sagen können, dass das Training so in eine Verletzung führt.“ „Hey komm schon, früher war das doch auch kein Problem für dich“.
Der Druck, den man sich selbst macht, wird durch die Öffentlichkeit verstärkt. „Manchmal bekomme ich das Gefühl, dass man ausschließlich über die Leistung definiert wird. Wenn es läuft, ist man ganz schnell everybody’s darling.“ Als Athlet weiß man das, und man versucht, sich davon zu befreien. Trotzdem geht nicht spurlos an einem vorbei, was die Presse über einen schreibt. „Daher ist es für mich enorm wichtig, meine Familie und meinen Freund zu haben, bei denen ich Kraft tanken kann. Für sie bin ich nicht Mocki, die Läuferin, sondern in erster Linie die Freundin, die Tochter oder die Schwester.“ Bei den Läufen in Kenia wird Mocki von den kleinen Kindern am Straßenrand gefragt „How are you?“ „I’m fine“, gibt sie kurz und bündig zurück und das strahlt sie auch aus. Nicht nur das Training sei wichtig, um an sein Ziel zu kommen, sondern auch mentale Stärke sei gefragt. Und so kann man selbst aus einer Verletzung gestärkt rausgehen.