„Dranbleiben lohnt sich, als Jugendlicher war ich nicht der Überflieger, aber das kontinuierliche Training über die vielen Jahre hinweg zahlt sich am Ende meistens aus.“
Dass Clemens Bleistein diese Aussage ernst meint, hat er spätestens mit seiner Qualifikation zur Hallen-EM im Jahr 2015 unter Beweis gestellt. Damals konnte der jetzt 27-Jährige Medizinstudent bereits im Dress der Nationalmannschaft den Deutschen Leichtathletik-Verband international vertreten. In Belgrad lief der Athlet der LG Stadtwerke München im Vorlauf über 3000m eine Zeit von 7:53,33min, mit welcher er das Finale nur knapp verfehlte. Es folgte ein zweiter Platz bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel über die 5000m sowie einige weitere Verbesserungen seiner persönlichen Bestleistungen über 800m bis hin zu den 5000m.
2017 absolvierte Clemens das praktisches Jahr im Rahmen seines Medizinstudiums, erst Ende August begann er wieder gezielt zu trainieren. „Im Jahresschnitt absolviere ich zwischen 125km und 130 km in der Woche, vor Wettkämpfen können es auch nur 90km oder 100km sein, in intensiveren Wochen dann auch mehr.“ Im Dezember folgte ein Ausdauertest über die 10km, welcher einen neuen Streckenrekord beim 10km-Lauf im Rahmen der Rheinzaberner Winterlaufserie in 29:53min mit sich brachte. Die Form war da. „Eine Hallensaison war geplant, über Silvester war ich mit ein paar Freunden in Nordspanien. Einige waren dort surfen, ich war laufen. Das funktionierte ziemlich gut!“.
Kaum zurück im kalten Deutschland konnte Clemens dieses Gefühl auch in Wettkampfzeiten ummünzen. Bei den Südbayrischen Hallenmeisterschaften am 14. Januar in München lief er 8:10min und damit die Norm für die Deutschen Meisterschaften in der Halle. „Vom Gefühl her merkte ich, dass da noch einiges drin ist.“ Jetzt stellte sich allerdings die Frage, welche Wettkämpfe gut genug sein könnten, um eine Zeit von unter 8min anzugreifen.
Nach zwei Absagen der IAAF World Indoor Tour Wettkämpfe in Deutschland standen die Rennen in Gent, Metz sowie im spanischen Sabadell zur Auswahl. Die Entscheidung fiel dann auf die 3000m in Metz, das Rennen sollte dort in Richtung 7:45min gehen und somit auf jeden Fall schnell genug für einen WM-Normangriff werden. Eine Schlüsseleinheit für die 3000m wurde am 19. Januar absolviert, ungefähr 4 Wochen vor dem Rennen. 3x1000m und danach 2x400m standen auf dem Plan. Zwar alleine, dafür aber in der Halle. Nach 2:34-33min auf die 1000m und 58s auf die 400m war zum ersten Mal seit langem wieder richtig Laktat in Clemens Beinen. „Das Gefühl war gut, eine ähnliche Einheit habe ich bereits vor 3 Jahren absolviert. Jetzt wusste ich, dass die Form da ist und sich in den nächsten Wochen hin zu den 3000m noch weiter verbessern würde.“ Zuvor standen allerdings schnelle 1500m in Luxemburg auf der Agenda. „Zufällig gab es dort günstige Direktflüge von München aus, weshalb das super gepasst hat. Der Rennverlauf war für mich eher ungewohnt, die ersten 1000m waren schneller als geplant. Auf den letzten 400m bin ich von allen Teilnehmern am wenigsten gestorben.“ Mit der Endzeit von 3:41min rangiert der Münchner momentan auf dem ersten Platz der nationalen Bestenliste über die 1500m, persönliche Bestzeit war es ohnehin.
Am 11. Februar war es dann soweit. Zuerst mit dem Zug nach Mannheim zu einem Freund und von dort zu zweit mit dem Auto weiter nach Metz. Eine Unterstützung, für die Clemens sehr dankbar war. Das Rennen verlief zunächst nach Plan. „Wir sind straff angelaufen, am Anfang war ich auf achter bis neunter Position. 2:37min für den ersten Kilometer, das erfuhr ich allerdings erst nach dem Rennen.“ Bis 400m vor Schluss standen die Kampfrichter direkt vor der Uhr, weshalb eine Kontrolle der Zwischenzeiten nicht möglich war. Aber die unterstützenden Rufe waren mehr wert als die Ziffern der Anzeigetafel. „Nach dem ersten Kilometer merkte ich dann, dass das Rennen langsamer wurde und ich was tun musste. Also ging ich weiter nach vorne. Sechs Runden vor Schluss war ich Fünfter, vor mir nur noch die Afrikaner, das war schon ein cooles Gefühl.“ Dann ging Clemens ganz an die Spitze, vorbei an allen Konkurrenten. Eingangs der letzten Runde standen 7:20min auf der Uhr, jetzt war klar, dass die WM-Norm von 7:52,00min zum Greifen nahe war. „Auf den letzten 100m konnte ich nichts mehr zulegen, es wurde laut in der Halle und ich merkte, dass noch jemand an mir vorbeigelaufen ist.“
Clemens Mut wurde jedoch belohnt, die WM-Norm war im Sack. Was ihm direkt nach dem Zieleinlauf durch den Kopf ging? „Ich wusste, ich muss hier hingehen und es machen. Und ich habe es einfach gemacht. Keine Rieseneuphorie. Eher eine Art Erleichterung.“ Auch sein mitgereister Kumpel war begeistert und völlig fertig vom Anfeuern. Nach dem Auslaufen gönnte sich Clemens einige ruhige Minuten für sich, danach wurden die Freunde und Bekannten über das Resultat via Smartphone informiert. Auf dem Weg zurück nach Mannheim gab es noch einen Boxenstopp zum Burgeressen. Burger mit Pommes. „Geredet wurde dann im Auto eher wenig. Wir strahlten zufrieden vor uns hin.“
Am Wochenende stehen die 3000m bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund auf dem Programm. Nach einem gesteigerten Dauerlauf am Dienstag und einigen 200m Wiederholungsläufen am Mittwoch ist Clemens dafür bestens gerüstet. „Ziel ist es jetzt, von Rennen zu Rennen zu denken. Die WM-Norm ist zwar in der Tasche, aber die Deutschen Meisterschaften sind das nächste Ziel.“ Für diese hat sich Clemens vorgenommen, auf jeden Fall eine Medaille zu gewinnen und sich im Spurt so teuer wie möglich zu verkaufen. Die Konkurrenz hat bereits nachgelegt, Richard Ringer ist nur zwei Tage später am Dienstagabend 7:49min über die 3000m gelaufen. Es bleibt spannend!