„Larasch reist“ nimmt euch mit an die verschiedensten Orte dieser Welt. Je länger wir laufen, radeln, schwimmen, desto weiter kommen wir. Auf unserem Weg entdecken wir Neues, Unbekanntes, Eindrucksvolles, wir erleben Abenteuer und lernen selbst in der Fremde Menschen kennen, die zu Freunden werden. Denn Sport ist eine Leidenschaft, die uns über Grenzen, Länder und Sprachen hinweg verbindet, egal in welche Himmelsrichtung wir uns bewegen. In dieser Folge geht es nach: China.
Als ich Alexander Dautel, den amtierenden deutschen Meister über 100 Kilometer, im Frühjahr anrief und fragte, ob wir zusammen einen Beitrag machen wollen, sind wir beim Plaudern ziemlich schnell auf sein Faible für China und die Chinesische Sprache gekommen. „Das wird ein super Reisethema mit einem spannenden Sportler“, dachte ich spontan und habe mich gefreut, dass wir in seiner persönlichen Geschichte einen lebendigen Aufhänger gefunden hatten.
Nach unserem Treffen sehe ich das ganz anders. Ich habe drei Dauerläufe, eine Schwimmeinheit und eine Fahrradtour lang überlegt, ob ein China-Trip wirklich das eine Alex-Dautel-Thema ist. Meine Antwort heißt nein. Beeindruckt hat mich nämlich vielmehr die Art, wie Alex Begeisterung für China und Chinesisch entstanden und gewachsen ist – insgesamt seine Weise, offen durchs Leben zu reisen.
Begeisterung für China entsteht zufällig
In seinem Lieblingscafé in Berlin-Mitte erzählt mir Alex bei schwarzem Kaffee und Croissant, dass er „gefühlt ständig unterwegs“ ist: „In den letzten zehn Jahren hab ich siebenmal den Wohnort gewechselt und mich immer wieder in neue Lebenssituationen begeben. Das Weiterziehen und Neuentdecken gehört irgendwie zu mir.“
Außerdem sind ihm Fremdsprachen schon immer leicht gefallen. Während seines Volkswirtschaft-Studiums in Augsburg wollte er dann unbedingt eine Sprache mit anderen Zeichen lernen. Chinesisch ist es zufällig geworden. Mit der Aussicht auf ein China-Stipendium lernt er ziemlich schnell und intensiv – Alex setzt sich im Bewerbungsverfahren erfolgreich durch und darf 2010 für ein Jahr nach Shanghai. Dort beginnt er sich mit der Geschichte des Landes zu beschäftigen. Er lernt Chinas Menschen kennen und begeistert sich für deren Gastfreundschaft und Spontanität. „Wenn man an China denkt, hat man meistens zuerst das autoritäre Regime und die wirtschaftliche Macht im Kopf“, so Alex. „Das ist aber schade, weil China so viel mehr ist als das. Es leben dort so herzliche und offene Menschen.“
Plötzlich Ultra-Läufer auf höchstem Niveau
Sportlich befindet sich Alex Dautel jetzt in der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft über 100 Kilometer im September in Kroatien. Es wird seine zweite WM insgesamt. Seine Bestzeit: 7:01 Stunden. Vor fünf Jahren hatte Alex noch keine Ahnung von seinem Talent. Er war ab und zu Joggen und hat hier und da mal einen Fun Run mitgemacht. Erst nachdem seine beiden Schwestern ihn Ende 2013 überredet hatten, beim Kopenhagen-Marathon mit ihnen an den Start zu gehen, fing er an gezielt zu trainieren. Und als er im Mai 2014 die 42,195 Kilometer auf Anhieb in 2:54 Stunden finishte, packte ihn der sportliche Ehrgeiz. Schnell sucht er neue Reize, will sich ausprobieren. Schließlich begleitet er noch im selben Jahr den blinden Läufer Anton Luber bei seinem Wettkampf „100 Meilen (rund um) Berlin“ für 100 Kilometer in einem Tempo von 7:30 Minuten pro Kilometer. „Körperlich war das damals schon absolut an der Grenze“, erinnert sich Alex, „und ich hätte irgendwann bestimmt auch übers Aussteigen nachgedacht“, gesteht er. “Da ich ja aber in der Verantwortung für einen anderen Läufer stand, bin ich durchgelaufen. Ich habe dadurch Ultra-Läufe als machbar erfahren, bevor ich überhaupt irgendwelche Ziele in diese Richtung hatte. Hinzu kam, dass mir damals eine Läuferin aus dem Ultra-Team der LG Nord Berlin zu verstehen gegeben hat: „Wenn Du mit Deiner Trainingsvorgeschichte so etwas leisten kannst, hast Du eine echte Chance, ein richtig guter Ultra-Läufer zu werden!“ Also hab ich die Chance ergriffen.“
Laufen und China – zwei Leidenschaften zufällig kombiniert
Durch seine Aufnahme ins Ultra-Nationalteam bekommt Alex lustigerweise erneut die Möglichkeit nach China zu reisen. Er erhält 2017 eine Einladung zu einem WM-Testevent am Fuxian Lake im Südwesten des Landes und nutzt die Gelegenheit, um zusammen mit seiner Freundin Sofie die Provinz Yunnan zu erkunden, die im Nordwesten sehr unter dem Einfluss des angrenzenden Tibets steht, im Süden kulturell geprägt ist von Laos und Myanmar (Reisetipp folgt).
Dort lassen sie sich treiben von den zufälligen Begegnungen mit den Einheimischen und dem kulturellen Alltag, der ihnen auf den Straßen Tag für Tag begegnet. Seitdem ist Alex China-Leidenschaft wieder entfacht. Und nachdem er aufgrund seines Statistik-Master-Studiums in Berlin und Kopenhagen seit 2012 vor allem Dänisch lernen musste und wollte, ist er jetzt auch wieder motiviert, mit Chinesisch weiter zu machen. „Genauso wie ich jeden Tag trainiere, übe ich auch die Sprache jeden Tag ein bisschen. Ich höre chinesische und dänische Podcasts und nutze eine Karteikarten-App (Anki), um täglich die Zeichen und Vokabeln zu wiederholen.“, erklärt Alex und zeigt mir – klar, denn er ist Statistiker – die dazugehörige Auswertung auf seinem Handy.
Raum für den Zufall: Ein Potential für gute Chancen
Alex Dautel sportlicher Werdegang verlief von Null auf 100 – das wusste ich bereits vor unserem gemeinsamen Nachmittag im Café Father Carpenter. Dass er eigentlich alles, was er macht, ziemlich lässig und gelassen immer zu 100 Prozent angeht, hatte ich nach Erzählungen aus seinem Freundeskreis auch erahnen können. Neu erfahren durfte ich das eigentlich besondere und sehr sympathische – das Prinzip Zufall, mit dem Alex sein Leben gestaltet: „Der Mensch tut sich schwer damit, mit Wahrscheinlichkeiten umzugehen und den Zufall zu akzeptieren. Man will wissen, was passiert. Ich versuche, dem Zufall Raum zu geben und zu sehen, welche Möglichkeiten da für mich sind.“
Als Extra hat Alex Dautel für Euch seine zufällige Yunnan-Reise beschrieben, damit Ihr sie, wenn Ihr mögt, geplant nachmachen könnt – Zufallspotential inklusive!
Danke Alex für das schöne Gespräch und Deine Zeit für Larasch!
Hier ist Alex Reisetipp in die chinesische Provinz Yunnan zum Nachmachen für Euch:
Per Flug geht´s in die Provinzhauptstadt Kunming, meistens über Shanghai oder Peking.
Eine Stunde südlich von Kunming liegt der Fuxian Lake, einer der tiefsten und saubersten Seen Chinas. Man kann ihn leicht mit einem Taxi oder Bus erreichen. Im Oktober wird dort wieder der Fuxian Lake Ultramarathon stattfinden: Entweder 50 km (mit einem ordentlichen Anstieg) um den halben See oder 100 Kilometer einmal ganz herum. Bei Interesse am besten eine Mail an Tao unter raceinfo@kirens-cn.com schicken.
Mit dem Nachtzug geht es weiter nach Dali: Dort könnt Ihr Euch einen Elektroroller leihen und einfach herumcruisen und Dörfer und Tempel entdecken.
Per Bus gelangt Ihr nach Shangri-La auf 3400 Meter über dem Meer: Dort findet Ihr bhuddistische Klöster und die größte Gebetstrommel der Welt. Jeden Abend trifft sich die ganze Stadt zum Tanzen auf dem Marktplatz.
Auf dem Rückweg gibt es die Option, in der Nähe von Lijiang die berühmte Tigersprungschlucht zu durchwandern. Vor dem Heimflug könnt Ihr noch ein paar Tage in der Provinzhauptstadt Kunming verbringen. Wer noch nie in China war, sollte außerdem die Gelegenheit nutzen, Shanghai und/ oder Peking zu erleben.
Kennt ihr schon Stephies Kolumne „Lila„? In wunderbar locker-launigen Texten nimmt die Fashionista alles unter die Lupe, was sich um das Thema „Sport und Mode“ dreht. Schaut unbedingt mal rein!
Im Stephies nächsten Lila-Beitrag geht es ebenfalls um eine Reise. Nicht durchs Leben eines Sportlers, aber mit sportlichem Einsatz. Bleibt gespannt…!