Larasch.de: Hallo Vera, vielen Dank, dass du dir für das Interview Zeit nimmst. Du warst selbst eine erfolgreiche Radsportlerin mit zahlreichen Weltcupsiegin und Top – Resultaten bei Rundfahrten und einen vierten Platz beim olympischen Straßenrennen 1996 in Atlanta. Wie viel Kilometer spultest du damals auf dem Rad pro Saison ab und wieviel ist es heute?
Vera Hohlfeld: Damals bin ich in der Spitze bis zu 30.000km gefahren. Allein davon 10.000 km Rennen. Heute sind es sehr wenige, wenn es hoch kommt 1000km im Jahr. Das muss wieder besser werden! Aber inzwischen müssen bei mir 3 Komponenten zusammen kommen: Sonne, Lust und Zeit.
Als Teamchefin des Amateurteams maxx solar Lindig bist du dem Radsport treu geblieben Wie hat sich der Frauenradsport in den letzten 25 aus deiner Sicht entwickelt? Wo siehst du noch Potentiale? Siehst du die Entwicklung positiv?
Der Frauenradsport hat sich auf dem ersten Blick sehr viel verändert. Es gibt viel mehr professionelle Profiteams und vermeintlich mehr Geld. Wenn ich aber so überlege, gab es auch damals schon gute professionelle Profiteams und es gab vor allem mehr lange Rundfahrt. Heute würde man kaum noch auf 10000 Rennkilometer kommen. Potentiale sehe ich immer noch einige. Leider ist der Lohn für unsere Arbeit nicht soweit ausreichend, dass wir investieren können in Personal, in Marketing und in das notwendige Pflegen von Netzwerken. Wir bräuchten aus meiner Sicht endlich mal etwas invest/ Interesse der Medien. Das würde einiges sofort erleichtern.
Welche Rolle spielt dabei die ASO?
Sie sind eine Sportorganisation, die absolute Toprennen veranstaltet. Sie versuchen auch in den Frauenradsport zu investieren, das finde ich gut und kann nur gut sein. Über den Weg, den sie beschreiten, kann man sicher auch andere Ansichten haben.
Ein häufiger Kritikpunkt, warum sich der Frauenradsport nicht so entwickelt ist der Mangel an Spitzenfahrerinnen. Um spannende Rennen zu Veranstaltern braucht es 150 bis 200 Top Fahrerinnen. Aktuell sind es eher 30 bis 40 Damen. Wie kann man diesem Zustand verbessern? Auf welchen Niveau befindet sich Deutschland dabei?
Also Spitzenfahrerinnen gibt es ausreichend. Die internationalen Felder sind sehr groß. Ein Feld mit 150- 200 Fahrerinnen finde ich zu groß. Wenn wir von Deutschland sprechen, dann ist das wohl nicht tatsächlich zufriedenstellend. Auch wenn wir hier einige Spitzenfahrerinnen im eigenen Land haben, kommen wir hier wieder an das Grundproblem wie oben schon genannt. Etwas mehr Interesse seitens der Medien und mehr sportbegeisterte Menschen wären die Lösung. Vorbild für mich ist da Italien, Holland, Belgien, England usw. Aber das kann man nicht erzwingen. Hier in Deutschland ist den meisten das Auto und der Fußball am wichtigsten. Und deshalb geht dort das größte Stück Kuchen hin. Völlig normal und auch gerecht.
Der Männerradsport boomt, warum der Frauenradsport nicht?
Ich finde nicht, dass der Männerradsport boomt. Er hat eigentlich das gleiche Problem wie wir in Deutschland. Dass der Männerradsport historisch anders gewachsen ist und natürlich mehr Interesse erzeugt, ist völlig normal. Aber wenn alle Rundfahrten in Deutschland sterben und auch nicht wieder belebt werden, dann kann man nicht von einem Boom sprechen. Das mit er Deutschlandtour ist was anderes. Hier investiert die ASO einiges an Geld, bisher nur mit roten Zahlen. Ich bin gespannt was passiert wenn es in 5 Jahren immer noch so ist. Ich hoffe es passiert wirklich etwas bis dahinJ
Wo liegt aus deiner Sicht Deutschland? Was müsste verändert werden, damit der Frauenradsport den Zuspruch erhält, den er verdient? Gibt es für dich Sportarten die als Vorbild dienen, gerade da wo die Kluft zwischen den Männer und Frauen nicht so extrem ist?
Einiges dazu haben ich ja oben schon beschrieben. Im Sport und generell geht es leider nicht danach, wer am fleißigsten ist oder wer den meisten Mitleid erzeugt. Es geht ganz klar um Zahlen, Einschaltquoten und Marktwert. Ich denke es geht vielen anderen Sportarten noch viel viel schlechter als uns. Ich will nicht sagen, dass es gut ist wie es ist und ich kämpfe weiter für unseren Sport, aber jammern bringt nix. Vorbild ist für mich der Deutsche Frauenfussball. Hier hat der Verband vor einigen Jahre gut investiert mit eine super Marketingstrategie und vor allem haben die Medien mit gemacht. Das hat den Frauenfußball gepusht. Es wird immer so bleiben, dass wir da hinterher hinken. Den Männerradsport gibt es seit über 100 Jahren, den der Frauen erst seit den 80er Jahre, wie sollen wir denn da aufholen. Das geht gar nicht.
Du organisierst seit 2012 erfolgreich die Internationale Lotto Thüringen Ladies Tour. Was ist die größte Herausforderung ein solches Etappenrennen zu veranstalten?
Wie letzten auch in einem anderen Bericht in der Öffentlichkeit, die immer höheren Sicherheitsanforderungen und dann vielleicht iregndwann die daraus entstehenden Kosten. Diese können wir nicht tragen, damit wäre das AUS vorprogrammiert.
In diesem Jahr gibt es eine Neuerung, das Ladies Camp, welches sehr direkt das Renngeschehen für Hobbysportlerinnen erlebbar macht. Wie bist du auf die Idee gekommen und was sind die Hauptinhalte des Camps?
Ich dachte wir machen mal was, was die Männer nicht bieten können. Bei einem hochkarätigen Etappenrennen gemeinsam mit dem Teams im Hotel 4 tolle Tage erleben. Ladies unter Ladies. Dazu werden wir täglich verschiedene Abschnitte der Etappen abfahren. Außerdem wollen wir noch eine besondere Nähe zu den Fahrerinnen schaffen. So wird beispielsweise Lisa Brennauer sicherlich bei den Ladies vorbei schauen und en paar kleine Insides des Tages erzählen. Es geht uns um Nähe und erleben! Darauf freue ich mich besonders.
Ende Mai werden wieder hochklassige Fahrerinnen in Thüringen zu Gast sein, die um den Gesamtsieg mitfahren. Traust du Lisa Brennauer die erfolgreiche Titelverteidigung zu? Gibt es für dich Fahrerinnen die überraschend ins Rampenlicht fahren können?
Lisa traue ich den Toursieg zu. Aus meiner Sicht liegen die Etappen und die Streckenführung perfekt für sie. Wenn sie in guter Form ist, dann wird sie nicht leicht zu schlagen sein. Es gibt aber natürlich noch einige andere am Start, die für den Sieg gut sind. Ich denke es steht und fällt mit dem Zeitfahren in Meiningen.
Was traust du deinem eigenen Team zu? Was sind die Zielstellungen?
Das wird für mein Team schwer. Einzige Chance ist an einer Etappe die Flucht ergreifen und hoffen die Favoritenteams lassen fahren. So hat Beate ja schon mal eine Etappe gewinnen können. Sie müssen einfach nur mutig sein und angreifen, dann bin ich schon zufrieden. Vielleicht werden sie ja dann auch belohnt für.