Andreas Katz sorgte im letzten Jahr für sehr positive Resultate in deutschen Skilanglauflager. Absoluter Höhepunkt war dabei sein 8. Platz zur Tour de Ski in Oberstdorf, wo er sich innerhalb der absoluten Weltspitze präsentierte. Doch der Weg dahin war alles andere als klar gezeichnet. Trotz des Ausschlusses im Sommer 2015 aus der Sportfördergruppe entschied er sich auf eigene Kosten weiterzumachen. Das Resultat, die erfolgreichste Saison seiner Karriere. Wie es ihm dabei ergangen ist, was das Besondere war und wie der aktuelle Heilungsverlauf seiner schwerwiegenden Schulterverletzung seit Sommer 2016 sich gestaltet, lest ihr im anschließenden Interview.
Larasch: Hallo Andi, schön dass du dir für dieses Interview Zeit nimmst. Die Skilanglaufsaison 2016/2017 ist bereits gestartet. Leider wirst du auf Grund eines Mountainbikesturzes die erste Saisonhälfte verpassen. Was ist im Juli 2016 genau passiert und wie geht es dir aktuell?
Andi: Eigentlich war es kein großartiger Sturz. Ich machte ein sehr hartes Training am Berg (Tempofahrten) und war am Ende des Trainings schon etwas müde. Wahrscheinlich bin ich deshalb gestürzt und dabei auf die linke Schulter gefallen. Am nächsten Vormittag bin ich dann gleich zum Arzt und musste in Folge leider den DSV-Lehrgang in Norwegen absagen.
Larasch: Wie verliefen die ersten Wochen nach dem Sturz?
Andi: Nach meinem Sturz habe ich mir zusätzlich noch einen Infekt zugezogen und musste allein schon deshalb 3 Tage pausieren. Somit gingen die Schmerzen an der Schulter relativ schnell wieder zurück. Jedoch merkte ich schnell, dass vor allem bei Maximalbelastungen die Schulter nicht mehr perfekt war. Zusätzlich zu den Physiobehandlungen machte ich ein Spezialtraining (Stabilisationsgrogramm) für die Schulter und konnte es ganz gut kompensieren. Im Rahmen der Deutschen Meisterschaft/ Zentralen Leistungskontrolle in Oberhof ließ ich die Schulter vom Mannschaftsarzt des DSV untersuchen. Dabei wurde festgestellt, dass in der Schulter ein Sehnenabriss in der Rotatorenmanschette vorlag, welcher dann sofort operiert wurde.
Larasch: Das war natürlich äußerst ärgerlich, da du nach der sehr erfolgreichen Saison 2015/2016, wo du den Sprung in den Nationalkader wieder geschafft hattest, auf einem sehr guten Weg warst, dich weiterhin konsequent zu verbessern. Wie lief für dich das Frühjahr/Sommer 2016?
Andi: Grundsätzlich lief die Vorbereitung sehr gut. Gleich nach der letzten Saison war ich mit meiner Skifirma Atomic bei Skitests und konnte im Bereich Material das sehr hohe Niveau mit einigen sehr guten Weiterentwicklungen ausbauen. Sportlich konnte ich mich in verschieden Bereichen gut weiter entwickeln und sogar ein paar persönliche Bestzeiten unterbieten. Neben dem sportlichen gab es ein paar Hürden zu nehmen. So schaffte ich es, ab 1.7.2016 wieder in der Sportfördergruppe der Bundeswehr eingestellt zu werden.
Larasch: Diese sehr positive Entwicklung (bis zu deinem Sturz) geht eine sehr schwierige Situation ab Sommer 2015 voraus, indem du deinen Kaderstatus und damit deinen Platz in der Sportfördergruppe der Bundeswehr verloren hattest. Was waren die genauen Gründe für den Ausschluss?
Andi: Für die genauen Gründe kann sicher der Verband oder die Sportfördergruppe mehr dazu sagen.
Aber kurz gesagt: Ich war wohl zu schlecht!
Larasch: Wieso hast du dich trotzdem dafür entschieden, auf eigene Kosten das Training fortzuführen und es noch einmal zu probieren?
Andi: Das ist ganz schnell auf den Punkt gebracht: Langlauf ist einfach meine Leidenschaft und Leidenschaft siegt!
Larasch: Was hatte sich konkret durch die neue Konstellation an deiner Trainingssituation geändert?
Andi: Da ich am Stützpunkt Ruhpolding verschiede Dinge, die vom DSV/OSP Bayern oder dem Stützpunkt zur Verfügung gestellt werden, nicht mehr in Anspruch nehmen durfte, änderte sich meine Situation natürlich gravierend.
Ich war mehr oder weniger auf mich alleine gestellt. Zudem musste ich mir ein umfangreiches Konzept erarbeiten, um meinen Sport, den Skilanglauf, weiterhin „professionell“ ausüben zu können. Dieses beinhaltete unter anderem auch, dass ich mir meine Trainingspläne selbst zusammenstellte. Meine vielen Erfahrungen der letzten Jahre kamen mir dabei zugute und ich konnte gut auf diese zurückgreifen. Dabei wurde schnell klar, dass es nicht darauf ankam, mit den vielen verschiedenen Trainingsdaten zu rechnen, sondern dass das Wichtigste ist, jeden Tag so perfekt wie möglich zu trainieren. Dazu gehört, die Pausen dann zu machen, wenn man spürt, dass man sie braucht. An seinen Schwächen stets zu arbeiten, ist ein weiteres wichtiges Element meines Trainings. Kurzum, das System ist ein sehr simples: Leidenschaft gewinnt und ich bin einfach meiner Leideschaft nachgegangen. Ich liebe den Skilanglauf dadurch noch viel mehr!
Larasch: Wie hast du es geschafft, trotzdem qualitativ dein Training abzusichern? Hast du inhaltlich dein Training umstellen müssen?
Andi: Ich hatte Karl Zellner (ehemaliger Trainer von verschiedensten Weltklassesportlern im Bereich Skilanglauf/Biathlon) im Frühjahr mit dem Rennrad besucht und mit ihm über meine Situation gesprochen. Er machte mir nicht nur Mut, sondern war meine größte Unterstützung in dieser schwierigen Zeit. Ihn konnte ich jederzeit anrufen und um Rat fragen. Karl unterstützte mich sehr oft bei den verschiedensten Trainingseinheiten, z.B. wenn ich beim Bergrollern wieder ins Tal gefahren werden musste. Außerdem war ich natürlich immer daran interessiert, mit den besten Langläufern der Welt zu laufen und so bot sich mir zum Beispiel die Gelegenheit mit den Schweizern im Sommer in Ruhpolding einige Einheiten zu trainieren. Der Cheftrainier und das Schweizer Team um Dario Colongoa trainierten wie ich im Herbst am Dachstein. Da ich das ganze Jahr alleine unterwegs war, kam ich auf das Angebot der Schweizer, gemeinsame Trainingseinheiten zu absolvieren, gerne zurück. Besonders forderte mich dabei Dario bei einigen Bergintervallen heraus. Dies war eine gute Abwechslung zu dem sonst meistens alleine absolvierten Trainingsalltag. Auch die Tipps vom Cheftrainer Ivan nahm ich gerne an.
Larasch: Im Februar führten wir ein Interview mit Bundestrainer Janko Neuber. Hier ist vom sogenannten Blocktraining die Rede. Nach welchem Trainingsprinzip trainierst du? Hast du hieraus Ableitungen für deinen Trainingsalltag getroffen?
Andi: Nachdem ich dieses Jahr wieder in der Nationalmannschaft bin, trainiere ich selbstverständlich nach dem System des DSV. Es gibt ein einheitliches System für alle und ich bin wieder in das Stützpunktsystem eingegliedert worden.
Larasch: Du sagst selbst, dass die klaren Qualifikationskriterien für die Weltcups und der Tour de Ski 2016 ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Saison gewesen sind, weil klar nach Resultaten die Einsätze vergeben wurden. Was gefällt dir an diesem System?
Andi: Es muss für jeden Sportler am 1. Mai eines Jahres, sobald das Training wieder begonnen hat, klar sein, was für eine Leistung er bringen muss, um bei bestimmten Wettbewerben am Start zu stehen. Damit kann jeder Sportler für sich einen klaren Plan verfolgen. Außerdem sollte es Möglichkeiten für einen Auf- und Abstieg während der Saison geben. Jemand der in November/Dezember noch nicht in ausreichender Form ist, sollte trotzdem noch Chancen auf einen Kaderplatz haben, auch wenn er erst in der zweiten Hälfte der Saison sehr gute Ergebnisse erzielt. Der Wettbewerb, der dadurch unter den Sportlern entsteht, sollte eine positive Dynamik ergeben.
Larasch: Als weiteren wesentlichen Grund gibst du an, dass deutlich weniger Druck auf dir lastete. Wie meinst du das?
Andi: Das ist richtig. Generell war es sehr schwierig damit umzugehen, immer nur für ein paar Monate einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. Zeiten in denen man nicht weiß, wie es beruflich weitergeht und man zum Jobcenter gehen muss, sind z.B. keine gute Grundlage um den Kopf frei zu haben für den Sport. Seit der letzten Saison spüre ich deutlich weniger Druck, da ich jetzt weiß, dass ich es auch aus eigener Kraft und ohne jegliche Hilfe an die Weltspitze schaffen kann.
Larasch: Nun ergibt sich aus deinem Beispiel das Bild des selbstbestimmten Athleten, der ein sehr hohes Maß an Selbstkenntnis besitzt und dieses spezifische individuelle Wissen für sich auch bestmöglich einzusetzen weiß. Wäre dir dies auch ohne dem Ausschluss aus dem Nationalteam möglich gewesen?
Andi: Haha – dass ist eine sehr gute Frage. Ich glaube, dass viele Athleten ein hohes Maß an Selbstkenntnis haben und man sie noch zu wenig in verschiedene Prozesse mit einbindet. Ich hoffe jedoch nicht, dass viele Athleten erst aus dem Nationalteam ausgeschlossen werden müssen, um danach gehört zu werden. Persönlich möchte ich jedoch die Erfahrungen, die ich gemacht habe, im Nachhinein nicht missen. Es gab sehr viele positive Erlebnisse nach dem Ausschluss aus dem Team.
Larasch: Seit dem Rücktritt der sehr erfolgreichen Generation um Sommerfeldt, Teichmann, Angerer und Filbrich steckt der deutsche Skilanglauf in der Krise. Im Jugend und Juniorenbereich werden noch sehr gute Leistungen gebracht, der Durchbruch bei den Herren gelingt jedoch nur sehr schwer. Welche Gründe siehst du hierfür?
Andi: Ich denke die Gründe sind vielschichtig und sehr komplex. Die Strukturen sind für den Leistungssport oft nicht optimal. Es kristallisiert sich heraus, dass das beste Alter im Skilanglauf zwischen 30 und 32 Jahren liegt. Die Konzepte müssen deshalb sehr langfristig angelegt werden und sollten bestimmte Kriterien beinhalten:
- Langfristiger Trainingsaufbau
- Soziale Absicherung
- Duale Karriere
- Individuell langfristig abgestimmte Systeme
Bei all diesen Punkten gibt es deutlichen Handlungsbedarf!
Larasch: Durch die aktuellen positiven Dopingtests [Sundby und Johaug] wird dem Zuschauer der Eindruck vermittelt, dass in der Skilanglaufszene auch nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Wie ist dein Gefühl/Wissen dazu?
Andi: Dazu habe ich leider auch nicht mehr Wissen und Informationen, als die aus der Tagespresse.
Larasch: Wie bereits erwähnt, wirst du die erste Saisonhälfte definitiv verpassen. Trotzdem die Frage, was traust du deinen Kollegen in dieser Saison zu? Welche Chancen räumst du dem offensichtlich wieder erstarkten Tim Tscharnke ein?
Andi: Die Jungs haben täglich ihr Bestes im Training gegeben. Ich hoffe natürlich, auf eine erfolgreiche Saison für uns alle. Tim hat sich meiner Einschätzung nach gut entwickelt. Besonders gespannt bin ich jedoch auf die sogenannten „Aussortierten“… und das nicht nur in Deutschland.
Larasch: Letzte Frage. Wie wahrscheinlich ist es, dass wir dich in dieser Saison im Weltcup, vielleicht sogar bei der Ski- WM erleben dürfen?
Andi: Also mit dem Wahrscheinlichkeitsrechnen hapert es ein wenig 😉 Es ist meine erste große Verletzung und ich habe bisher glücklicherweise keine Erfahrungen in diesem Bereich. Aber eins ist sicher – das Feuer fürs Langlaufen brennt!
Lieber Andi, wir wünschen dir weiterhin eine gute Genesung und freuen uns bereits dich zeitnah wieder im Weltcupzirkus mitmischen zu sehen!