Für jeden Wettkampfsportler ist neben der Basiskost insbesondere die Ernährung in den letzten Tagen vor dem Rennen sowie bei längeren Wettkämpfen auch die Verpflegung während der Belastung von großem Interesse. Durch Ernährungsfehler wurden schon viele gute Leistungen im Marathon und anderen Langstreckenwettbewerben verhindert. Es ist sehr ärgerlich, wenn man gut trainiert hat und der Faktor Ernährung einem einen Strich durch die Rechnung macht. Doch was ist bei der Vorwettkampf- und Wettkampfernährung von Ausdauersportlern zu beachten?
Carboloading
Bei einem Ausdauerwettkampf ist es wichtig, gut gefüllte Kohlenhydrat- also Glykogenspeicher zu haben, damit dem Körper während der Belastung möglichst viel von dem effizientesten Energielieferanten zur Verfügung steht und man somit seine optimale Leistung abliefern kann. Während in der Trainingsphase die Basiskost mit hohem Vollkorn-Anteil bevorzugt werden sollte oder eventuell, wie von manchen Quellen empfohlen, relativ wenig Kohlenhydrate (weniger als 50% der Nahrungsenergie) verzehrt werden sollten, steht in den letzten Tagen vor einem wichtigen Langstrecken-Wettkampf das Auffüllen der Kohlenhydratspeicher im Vordergrund. In Kombination mit einem deutlich zurückgefahrenen Trainingspensum und niedrigerer Intensität sollte am Tag X die bestmögliche Form erreicht werden. Hierzu existieren unterschiedliche Varianten. Beim einfachen „Carboloading“ wird in den letzten 3 bis 5 Tagen vor dem Wettkampf der Kohlenhydratanteil in der Kost merklich erhöht. Wichtig für eine optimale Einlagerung der Kohlenhydrate in die Muskel- und Leberspeicher ist zudem eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sowie eine ausreichende Aufnahme von Vitamin B1, Kalium und Chrom. Hierzu empfiehlt sich die Zufuhr von Kartoffeln und stärkereichem Getreide (-produkten) wie Reis, Nudeln, Maisbrei, Haferflocken, Brot etc. Dazu gut verdauliches Obst und Gemüse wie Bananen, Tomaten (-sauce) liefern weitere Kohlenhydrate sowie Kalium. Pilze und unterschiedliche Käsesorten wie Edamer und Gouda versorgen den Körper mit Chrom.
Je weiter der Wettkampf zeitlich noch entfernt liegt, desto mehr kann man Vollkorn-Produkte bevorzugen. Speziell am letzten Tag vor dem Rennen empfiehlt sich hingegen der vermehrte Konsum der ballaststoffärmeren Varianten, also helle Nudeln, heller Reis und helles Brot. Diese sind leichter verdaulich und versorgen den Körper mit großen Mengen an Kohlenhydraten, ohne zu schnell zu sättigen. Was in der „gesunden Basiskost“ gilt, zählt nicht beim Carboloaden: hier ist es am wichtigsten, dem Körper viele Kohlenhydrate zuzuführen, damit die Speicher am „race day“ optimal gefüllt sind. Es wird für diese Phase empfohlen, ca. 8 bis 10 g Kohlenhydrate pro kg Körpergewicht pro Tag zu konsumieren, was bei einem 60 kg schweren Läufer einer täglichen Kohlenhydratzufuhr von 480-600 g entspricht. Es empfiehlt sich, vor allem am vorletzten Tag vor dem Wettkampf auf diese hohe Kohlenhydratmenge zu achten, da die Glykogeneinlagerung eine gewisse Weile dauert und weil man seinen Verdauungstrakt am Vorwettkampftag nicht mehr als nötig strapazieren sollte. Die absolute Menge an Kohlenhydraten ist übrigens wichtiger als die prozentuale Menge an den Gesamtkalorien. Allerdings ist diese hohe Menge schwierig zu realisieren, wenn nebenbei große Mengen an Fett und/oder Eiweiß konsumiert werden, sodass die Kohlenhydrate 70% und mehr der Energiezufuhr ausmachen sollten. „Gesundes“ Gemüse und Salat können in den Carboloading-Tagen deutlich reduziert werden, da sie neben wertvollen Pflanzenstoffen auch jede Menge Ballaststoffe liefern und somit für einen stark sättigenden Effekt sorgen, was in dieser Phase nicht erwünscht ist.
Um die hohe Kohlenhydratzufuhr zu gewährleisten, empfiehlt es sich, unterschiedliche Kohlenhydratquellen zu kombinieren. Neben den erwähnten stärkereichen Lebensmitteln und Bananen, sollten durchaus auch weitere süße Früchte, Süßigkeiten und Säfte sowie Süßgetränke auf dem Speiseplan stehen. Insbesondere unmittelbar nach den kürzeren, lockeren Trainingseinheiten, die in den letzten Tagen vor dem Wettkampf noch absolviert werden, können kurzkettige Kohlenhydrate effizient in die Muskulatur aufgenommen werden, da nach der Belastung der Glucose-Transporter 4 vermehrt an der Muskel-Zellmembran exprimiert ist, was zu einer verbesserten Glucoseaufnahme führt. Außerdem existieren auf dem Markt Kohlenhydratgetränke z. B. auf Gerstenstärke-Basis, die speziell für die Carboloading-Phase konzipiert sind.
Saltin-Diät
Eine extreme Form des Carboloadings ist die Saltin-Diät, auch Schweden-Diät genannt. Der Name geht zurück auf den schwedischen Sportwissenschaftler Bengt Saltin. Sie umfasst normalerweise den Zeitraum von rund sechs Tagen vor dem Wettkampf. Zunächst werden nach einem „Speicher-Entleerungslauf“ sieben Tage vor dem Rennen drei Tage lang fast keine Kohlenhydrate konsumiert, um die Glykogenspeicher auf ein Minimum zu entleeren. Zum Abschluss dieser Fett-Eiweiß-Phase wird eine kleine intensivere Trainingseinheit (Abschlusseinheit) durchgeführt, die den Athleten zumeist ziemlich schwer fällt, da praktisch keine Kohlenhydrate mehr vorhanden sind. In einem solchen Zustand können sogar 6-7 km im Marathon-Renntempo schwer fallen. Anschließend heißt es jedoch „Feuer frei“ für Kohlenhydrate, um die Glykogenspeicher bis zum Wettkampf-Tag optimal zu füllen. In der Theorie sollen die Speicher nach dem Kohlenhydratentzug nun auf mehr als 100% gefüllt werden können im Vergleich zu einem „einfachen“ Carboloading, da der Körper eine physiologische Anpassung vornimmt. Man spricht in diesem Zusammenhang von Superkompensation.
Viele Ausdauer-Athleten schwören auf die Saltin-Diät. So wird sie in der deutschen Marathonszene unter anderem von den Hahner-Twins, Christian König und Marcel Bräutigam erfolgreich durchgeführt. Marcel hat sie in einem Blog-Beitrag bei Larasch bereits anschaulich beschrieben. Jedoch wird die Saltin-Diät auch mit gewissen Risiken in Verbindung gebracht. So soll in den „No-Carb“-Tagen das Infektionsrisiko steigen, es können bei dieser ungewohnten Kost gastro-intestinale Beschwerden auftreten (die jedoch bis zum Wettkampf-Tag verschwunden sein sollten) und die Stimmung ist zumeist nicht gut, wenn jegliche Kohlenhydrate vom Speiseplan verbannt sind. Diese Diät ist also eher nur etwas für sehr ambitionierte Athleten, die das letzte Quäntchen herausholen wollen.
Wettkampf-Frühstück
Viele Langstrecken-Wettkämpfe starten bekanntlich morgens bzw. vormittags. Nachdem an den Vortagen die Kohlenhydratspeicher gut gefüllt wurden, muss das Frühstück am Wettkampf-Morgen nicht unbedingt sehr üppig ausfallen, was insbesondere für Athleten mit empfindlichem Magen von Vorteil ist. Es sollte Kohlenhydrat-betont und leicht verdaulich sein, um das über Nacht quasi entleerte Leberglykogen wieder aufzufüllen und den nötigen Energieschub für den Wettkampf zu liefern. Also ca. drei Stunden vor dem Start (helles) Brot mit Marmelade, Honig oder Zuckerrübensirup und Banane, oder Cornflakes mit Milch oder ein Porridge. Auch ein Kohlenhydratriegel ist zu empfehlen. Die Fett- und auch die Eiweißmenge sollte eher gering gehalten werden. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr in Form von Wasser, Kohlenhydratgetränk und dazu je nach Gewohnheit Tee oder Kaffee ist ebenfalls wichtig. Wird länger, also vier Stunden vor Rennbeginn gefrühstückt, kann die Mahlzeit etwas üppiger ausfallen, was von vielen Athleten bevorzugt wird.
Soweit die herkömmlichen Empfehlungen. Andere Quellen wie Dr. Wolfgang Feil empfehlen auch beim Wettkampf-Frühstück eine geringere Kohlenhydrat-Betonung. So sollte eher ein Brot mit Nuss-Nougat-Creme statt mit Honig verzehrt werden, damit das enthaltene Fett und weitere Nährstoffe dafür sorgen, dass der Blutzuckerspiegel konstant gehalten wird. Hierfür eignet sich übrigens auch Zimt. Auch Kokosblütenzucker (bspw. im Tee oder Kaffee) soll im Vergleich zu herkömmlichem Zucker den Blutzuckerspiegel nicht so schnell ansteigen lassen. Außerdem empfiehlt Dr. Feil einen Gewürz-Quark oder -joghurt und dunkle Schokolade, um die Muskulatur zu schützen. Wichtig ist in jedem Fall die individuelle Magenverträglichkeit. Es sollten vor einem wichtigen Wettkampf keine Ernährungsexperimente durchgeführt werden! In einer Studie mit 53 Teilnehmern einer Triathlon-Mitteldistanz wurde untersucht, welche Nahrungs- und Nicht-Nahrungsfaktoren einen Einfluss auf Magen-Darm-Beschwerden während des Wettkampfs haben (Wilson, 2015). Dabei korrelierte eine höhere Kalorien- und Kohlenhydrataufnahme zum Frühstück mit Problemen im oberen Verdauungstrakt, während eine höhere Koffeinzufuhr vor dem Rennen zu vermehrten Problemen im unteren Verdauungstrakt führte. Es sollte also abgewogen werden zwischen einer ausreichenden Energieaufnahme und der Schonung des Verdauungstraktes.
In den letzten zwei Stunden vor dem Wettkampf empfiehlt es sich, regelmäßig in kleinen Schlucken noch etwas zu trinken. Wasser oder auch isotonische Kohlenhydratgetränke bieten sich hier an. Man sollte mit einfachen Zuckern eventuell etwas vorsichtig sein, damit der Blutzuckerspiegel nicht insulin-bedingt schnell ansteigt und mit dem Startschuss schon wieder gesunken ist. Allerdings führt der erhöhte Adrenalin-Spiegel in der Vor-Start-Phase zu einer Hemmung der Insulin-Ausschüttung. Kurz vor dem Start ist es sinnvoll, den Blutzuckerspiegel etwas ansteigen zu lassen, damit die Blut-Glucose auch als schnelle Energiequelle zur Verfügung steht.
Während der Belastung:
Bei kürzeren Ausdauer-Wettkämpfen wie 5km- oder auch 10km-Läufen oder von der Belastungsdauer ähnlichen Schwimm- oder Skilanglauf-Rennen ist eine Verpflegung während der Wettkampfes normaler Weise nicht nötig. Bei sehr hohen Temperaturen empfiehlt sich bei 10km-Läufen eine Wasseraufnahme. Hierfür sind bei fast jeder Veranstaltung entsprechende Verpflegungsstände eingerichtet. Das Trinken aus dem Becher bei Renngeschwindigkeit sollte allerdings geübt sein.
Mit der Länge des Rennens gewinnt die Verpflegung an größerer Bedeutung. Bei Rennen ab der Halbmarathon-Distanz bevorzugen viele Läufer, neben Flüssigkeit auch Kohlenhydrate zuzuführen. Speziell bei Marathon-Rennen, die ja in jedem Fall länger als zwei Stunden dauern, spielt die Kohlenhydrat-Zufuhr während des Wettkampfs eine essenzielle Rolle, da die körpereigenen Speicher auch bei adäquatem Carboloading und gut trainiertem Fettstoffwechsel zumeist nicht für die gesamte Renndistanz reichen. Hier werden isotonische Elektrolyt-Getränke empfohlen, das heißt, die Teilchen-Konzentration im Getränk sollte der im menschlichen Blut entsprechen. Somit ist eine effektive, rasche Aufnahme gewährleistet. Bei kurzkettigen Kohlenhydraten sollten ca. 5-6% im Getränk enthalten sein. Um bei gleicher Osmolarität (Teilchenkonzentration) eine höhere Energiemenge aufzunehmen, eignet sich die Verwendung von Maltodextrin. Dies ist ein neutral schmeckendes Stärke-Hydrolysat aus 6-10 Glucose-Molekülen und damit größer als die Mono- und Disaccharide wie Glucose (Traubenzucker) oder Saccharose (Haushaltszucker). Hier kann die Kohlenhydratkonzentration des Getränks auf ca. 8% gesteigert werden, ohne dass das Getränk hyperton wird. Neben den Kohlenhydraten sind Elektrolyte wichtig; hier spielt während der Belastung das Natrium die größte Rolle. Den meisten industriell hergestellten Sportgetränken ist Natrium und teilweise auch Magnesium zugefügt, allerdings für lange Ausdauer-Wettkämpfe bei hohen Temperaturen eventuell etwas zu wenig, sodass Salztabletten sinnvoll sein können. Insbesondere bei Triathlon-Langdistanz-Wettbewerben sind diese sehr beliebt.
Des Weiteren können Aminosäuren und hier speziell die verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAA) Leucin, Valin und Isoleucin in Sportgetränken angebracht sein, denn diese werden während der Belastung von der Muskulatur oxidiert. Ein kleiner Teil der Energiebereitstellung erfolgt schließlich immer über Aminosäuren. Und wenn keine zugeführt werden, dann werden muskeleigene Aminosäuren abgebaut. So zeigte eine Studie von Koba et al. (2007) mit leistungsorientierten Langstreckenläufern, dass die Einnahme eines Kohlenhydrat-BCAA-Getränks während eines 25km-Rennens die BCAA-Spiegel im Blut aufrechterhalten kann und einen geringeren Anstieg des Enzyms Laktat-Dehydrogenase, einem Marker für Muskelabbau, im Vergleich zu einem Placebo-Getränk ohne BCAA zur Folge hat. Allerdings sollte die Isotonie des Getränks beachtet werden. Bei Zusatz von Aminosäuren müsste die Kohlenhydrat-Konzentration leicht reduziert werden, damit die Teilchen-Konzentration des Getränks sich nicht erhöht.
Bei sehr langen Ausdauer-Wettkämpfen wird eine Kohlenhydratzufuhr von 60 bis 90 g pro Stunde empfohlen. Das heißt, dass ca. 1 Liter pro Stunde getrunken werden sollte. Außerdem bieten sich Gels an, die jedoch sehr konzentriert sind und möglichst mit Wasser verdünnt werden sollten. Wenn man erst im Rennen Wasser „nachtrinkt“, können Magen-Probleme auftauchen. Auch hier gilt wie bei der gesamten Wettkampf-Verpflegung: es sollte im Training getestet worden sein. Außerdem unterscheidet sich die Nahrungsaufnahme zwischen den unterschiedlichen Ausdauersportarten. Während eines Radrennens ist es viel leichter und magenverträglicher, größere Mengen, auch an fester Nahrung, zu konsumieren. Schließlich ist der Magen hier nicht ständigen Erschütterungen ausgesetzt. Bei Freiwasser-Langstreckenschwimmen muss das Verpflegen ebenfalls gut geübt sein, ist jedoch insbesondere bei sehr langen Wettbewerben enorm wichtig. So wurde eine Fall-Studie mit einer Elite-Schwimmerin durchgeführt, die im Jahr 2014 an sieben Wettkämpfen zwischen 15 und 88 (!) km Länge teilnahm. Hier wurde ermittelt, dass sie während der Rennen im Durchschnitt pro Stunde 83 g Kohlenhydrate, 12 g Eiweiß, 423 mg Natrium sowie 3,6 mg Koffein/kg Körpergewicht (also bei ihren 60 kg Körpergewicht 216 mg Koffein/h) zu sich nahm (Kumstat et al, 2015).
Das Koffein als zusätzlich aufputschende (legale) Substanz ist durchaus beliebt im Ausdauersport. So berichtete vor Jahren der Weltklasse-Skilangläufer Tobias Angerer, dass die deutschen Skilangläufer während eines Rennens mit einem Kaffee-Cola-Getränk versorgt wurden, für den ultimativen Energieschub für die Endphase des Rennens. Es gibt also durchaus viele unterschiedliche Varianten, sich während eines Ausdauer-Wettkampfes zu verpflegen, während einige Empfehlungen unbedingt beherzigt werden sollten, damit dem Erfolg zumindest aus ernährungstechnischer Sicht nichts im Weg steht.
Quellen
http://www.schwellenlauf.de/tag/glykogen/, besucht am 14.3.2016
Wilson PB: Dietary and non-dietary correlates of gastrointestinal distress during the cycle and run of a triathlon. 2015 Jul 29:1-7
Koba T, Hamada K, Sakurai M, Matsumoto K, Hayase H, Imaizumi K, Tsujimoto H, Mitsuzono R: “Branched-chain amino acids supplementation attenuates the accumulation of blood lactate dehydrogenase during distance running.” J Sports Med Phys Fitness 2007 Sep;47(3):316-22.
http://www.fitforlife.ch/ernaehrung/wettkampfverpflegung/artikel/ernaehrung-bei-intensiven-ausdauerbelastungen/ , besucht am 15.3.2016
Kumstat M, Rybarova S, Thomas A, Novotny J: Case Study: Competition Nutrition Intakes during the Open Water Swimming Grand Prix Races in Elite Female Swimmer.Int J Sport Nutr Exerc Metab. 2015 Dec 29