Nicht jeder würde sich darüber freuen, 80km laufen zu dürfen.
‚Zu dürfen!‘ Für viele bedeuten bereits fünf Kilometer ein wehleidiges Müssen. Aber gleich 80km und dann auch noch durch Tiefschnee, Eis und auf das Höchste im Norden hinauf – den Brocken? Da muss man schon für Extreme brennen und ‚hungrig sein!‘
Die Jurastudentin und ASICS FrontRunnerin Juliane Ilgert hat sich für die Brocken-Challenge beworben und das „glückliche“ Los gezogen.
„Ich dachte eigentlich, dass ernstzunehmende Berge nördlich von Bayerns Staatsgrenze nicht existieren, aber der Brocken im Winter sah tatsächlich nach einer Herausforderung aus.“ Stolze 1.141 Meter misst der im Volksmund genannte ‚Blocksberg‘.
Aber nicht nur der Brocken selbst, sondern bereits die Vorbereitung für die Challenge war eine Herausforderung.
Mal eben im Training einen Marathon laufen? Kann man machen. Ansonsten versuchte Juliane „viele spaßige Trainingswettkämpfe einzubringen (Allgäu Vertical Race, bei dem man eine Skipiste hochläuft, Dortmunder Neujahrslauf mit vielen Bekannten etc.), damit das Laufen gerade im Winter trotz Länge und Intensität weiterhin Spaß macht – hat geklappt.“
Aber nicht nur lange Läufe, sondern auch die konkreten Trainingspläne und Tipps von Hubert Beck (Buch vom Ultramarathon), ihrem Vereinstrainer Hans-Jürgen und ASICS FrontRunner Kollegen, die sich der Brocken Challenge bereits im vergangenen Jahr stellten und so natürlich von ihren Erfahrungen erzählen konnten, wurden umgesetzt.
Wo die einen sich erst einmal der ersten Challenge stellen, sind andere – wie Juliane – mit dem Kopf schon bei der nächsten. Der Ironman-Triathlon steht ebenfalls auf ihrer ToDo-Liste für 2017.
Aber zweispurig zu fahren, muss zwangsläufig ja nicht negativ sein. Das Kraft- und Alternativtraining (Schwimmen und Rad) kam ihr sicherlich auch für die 80km zu Gute.
Mit dem bereits gefinishten 101 km Zugspitzultratrail hat Juliane natürlich bereits einen ordentlichen Kracher hinter sich, der sie mental und körperlich für die neue Hürde wappnet. Wobei nicht die Distanz die größte Herausforderung darstellte, sondern die 5400 zu bewältigenden Höhenmeter: „Man läuft quasi einmal den Mount Everest hoch… :-D“
Aber damit nicht genug: ‚Dank‘ dem zwölfstündigem Starkregen im Hochgebirge, verzögerte sich die Reise etwas: „Insgesamt habe ich 24 Stunden gebraucht und musste die ganze Nacht durchlaufen – das war für mich bisher der extremste Lauf!“
Eine Extrem-Erfahrung, die abhärtet, stärkt und Mut gibt.
Jetzt geht es mit dem echten Gesteins-Krösus alias der Brocken ans Eingemachte. „Kalt, hart, schön“ soll es ja bekanntlich werden. Dementsprechend sah auch die Ausrüstung aus:
„Gegen die Kälte hatte ich vier Schichten Klamotten an, einen Laufrucksack mit noch einer zusätzlichen Jacke und Trinkblase, Stirnlampe (der Start ist um sechs Uhr früh im Dunkeln) und Schneeketten unter meinen ASICS Trabuco – das sind quasi Steigeisen zum Laufen, damit kommt man vertikale Skipisten und auch den vereisten Brocken hoch.“
Gegen zehn Uhr hatte Juliane bereits die ersten 42 km hinter sich, die über Straßen und Feldwege liefen und teilweise vereist waren – „dank der Schneeketten aber kein Problem.“
Das Einlaufen wäre damit geschafft. Denn nach Kilometer 42 begann die Challenge erst richtig: Es ging es in den Nationalpark Harz.
„Laufen, wo andere Ski fahren, ist ja noch ok, aber das Stapfen durch Tiefschnee tat mir irgendwann so in Hüfte, in den Beinen, eigentlich überall weh, dass die letzten 20 km zum richtigen Kampf wurden…
Die Tatsache, dass ein Opa ganz locker bei Kilometer 77 an mir vorbei trabt und erkennt wie ich mich humpelnd quäle, mir seine Laufstöcke mit dem Spruch reicht: „Ich seh‘, die hast du nötiger als ich“, sagt schon alles… :-D!“
Aber gut, dass ihr die älteren Herrschaften unter-STÜTZEND zur Seite standen.
Ob die Laufstöcke des älteren Herren oder die ältere Dame nach Zieleinlauf, die sie stützte, damit Juliane noch irgendwie die Dusche erreichte – „konnte mich kaum noch bewegen.“
Manchmal muss es einfach weh tun, damit wir das Schöne erkennen. Heißt in Julianes Fall: Die Challenge trotz physischer Massakrierung meistern und an wertvollen Erfahrungen, Momenten reicher werden.
„Der Nationalpark Harz ist ein Winterwonderland, bin Öfters gestolpert, weil ich mich umgeguckt und genossen habe, anstatt auf die Strecke zu achten. Die Teilnehmer waren Highlights für sich (nur 160 Teilnehmer, d.h. es war recht persönlich). Der Opa, der mir die Stöcke gereicht hat, den feiere ich noch immer. Dann waren da noch Ines, Katja und Christiane, die mich so lieb in den Arm genommen haben, als ich mal flennen musste. Oder ‚Stulle‘, der den Berlin-Marathon als Brandenburger Tor verkleidet gelaufen ist und es so auf die Titelseite der Berliner Morgenpost geschafft hat – viele, viele Stories vieler toller Trailfreaks.“
Und nicht zu vergessen, die Verpflegung unterwegs: „Veganer Käsekuchen, vegane Grillwurst, vegane Schokolade – habe fast mehr gegessen, als ich gelaufen bin und kein Stück an Substanz verloren, danke dafür Frank! :-D“
Und die Verpflegung selbst war auch das, worauf man sich etappenweise freuen durfte: „Einfach von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation denken, also in ca. 10 km Abständen, dann hat man was, worauf man sich freut und mental sind 10 km auch leichter zu fassen als 80.“
Und ansonsten war die Aussicht auf die ‚Aussicht‘ alias dem Gipfelglück Brocken eine entscheidende Motivation, wenn es mal brenzlig wurde. „Ansonsten habe ich meine Musik laut gestellt, wenn ich mal ein Tief hatte. Nichts pusht mehr als lauter Metal (Vader, Trivium, Lamb of God). Außer der gute vegane Käsekuchen vielleicht.“
Der Zieleinlauf war dann natürlich „Tränenreich…und sehr herzlich. Wurde beklatscht und befeiert und das, obwohl ich ganz erbärmlich die letzten Meter angehumpelt kam – toller Support!“
Mittlerweile geht auch das Treppensteigen wieder. Denn die Schmerzen vergehen bekanntlich und die schönen Erinnerungen, Stories und Bekanntschaften bleiben.
Lust auf mehr?
„Definitiv! Die Brocken Challenge war gutes Training für das 60 km Elbrus World Race in Russland, das im August ansteht: nur wird es bei minus 40 Grad um einiges kälter und mit 4000 Höhenmetern im Hochgebirge noch trailiger.“
Und natürlich der Ironman-Triathlon im Herbst, der 3,8km Schwimmen, 180km Radeln und 42km Laufen mit sich bringt.
Und wieder denkt Juliane nicht nur an heute und Morgen, sondern Übermorgen sprich 2018: „Dort peile ich den 250km Marathon des Sables durch die Sahara an: in sechs Tagen die größte Wüste der Welt durchqueren, das wird geil!“
Ich sag nur, typisch Juliane halt oder wie sie selbst sagt: „Hummeln im Hintern!“
Ihr großer Aktivitätsdrang ist dem ewigen Schreibtischsitzen während des Jurastudiums geschuldet und gepaart mit ihrer extremen Begeisterungsfähigkeit ist sie für jedes neue Outdoorabenteuer zu haben.

Ich glaube ja, es gibt Typen, die sind einfach nicht zu sättigen – unabhängig vom veganen Käsekuchen, für den Juliane seit der Brocken Challenge eine Schwäche hat 😉 Es sind Charakterköpfe, die nach neuen Abenteuern und besonderen Erfahrungen lechzen, die sich eindrucksvoll im Herzen festklammern und sich fest in der Erinnerung abspeichern. Bilder und Emotionen, die sich immer wieder aufs Neue wachrufen und den Serotonin- und Endorpihn-Spiegel steigen lassen.
Damit dein Abenteuer mit neuen waghalsigen Kapiteln weitergeschrieben werden kann, bleibe uns vor allem gesund! Koste jeden Moment aus und jeden Kuchen, der dir zur Stärkung auf deinen Wegen angeboten wird 🙂