Wie angekündigt, geben wir den Athleten in den nächsten Tagen die Möglichkeit, sich in die Diskussion über die geplante Spitzensportreform einzuklinken und ihre Ansichten sowie Optimierungsvorschläge bezüglich Leistungssport, Sportförderung und Nachwuchsarbeit mit uns zu teilen. Die Hintergründe dieser Diskussion haben wir bereits in einem vorherigen Beitrag dargelegt und möchten jetzt, durch das Einbeziehen der Athleten, näher auf die Problematik eingehen.
Angefangen mit dem Marathoni Hendrik Pfeiffer, der die Leitlinien des bislang vorherrschenden Fördersystems während seines verletzungsbedingten Ausfalls am eigenen Leib erfahren musste (mehr dazu lest ihr hier.)
Was würdest du am jetzigen System im Leistungssport verändern wollen?
Immer wieder wird hierzulande das System einer vielfältigen Sportlandschaft gepriesen. Getan wird dafür aber herzlich wenig, sodass sich eine absolute Monokultur entwickelt hat – Stichwort Fußball. Von kaum einer Sportart können die Athleten leben, weshalb sich immer weniger junge Talente für eine Leistungssportkarriere entscheiden. Wenn doch geht die notwendige Regeneration und das Training auf allerhöchstem Niveau für einen Nebenjob drauf. Auf politischer Ebene gibt es das Prinzip des Solidaritätszuschlags. Warum wird das im Spitzensport nicht gemacht? Kein Wunder, dass wir in immer weniger Sportarten nicht mehr konkurrenzfähig sind. Es wäre eine interessante Rechnung, wenn jeder Bundesligaspieler auch nur 1% seines Gehalts als Soli in das deutsche Fördersystem einzahlen würde.
Kannst du von der Sportförderung aktuell deinen Alltag finanzieren?
In diesem erfolgreichen Jahr kam ich über die Runden. Im nächsten Jahr kann es schon wieder ganz anders aussehen, denn alles ist an den sportlichen Erfolg gekoppelt. Ohne die Unterstützung meines Vereins und privater Sponsoren würde ich ungefähr die Hälfte eines Hartz IV-Empfängers verdienen. Ich bin froh, einen starken Verein mit großer Tradition im Rücken zu haben, doch selbst der steckt gerade in enormen finanziellen Schwierigkeiten und kann nur noch von Jahr zu Jahr planen. Vom Verband gibt es höchstens Trainingslagerzuschüsse. Ich gehe zur Uni, betreibe den Leistungssport und habe einen Nebenjob, um wenigstens eine finanzielle Konstante in meinem Leben zu haben, die sich nicht jedes Jahr ändern kann. Das mindert natürlich meine Chancen, irgendwann mal eine olympische Medaille holen zu können, enorm.
Wie würde eine optimale Sportförderung aussehen/was müsste sie beinhalten?
Um im Laufbereich in der Weltspitze mitlaufen zu können, müsste man sich ohne Sorgen ganz auf den Sport konzentrieren können, ohne den Anschluss ans Berufsleben oder eine deutlich geringere Rente in Kauf nehmen zu müssen. Während ein Kenianer Mittagsschlaf hält, sitzen deutsche Athleten in der Uni oder am Schreibtisch. Natürlich ist Bildung wichtig, aber um in die allererste Reihe zu kommen, müssen einige Jahre nur dem Sport gewidmet werden können.
Was denkst du über die aktuelle Spitzensportreform?
Die Reform konterkariert das Ideal einer vielfältigen Sportlandschaft. Es wird gnadenlos ausgesiebt und nur noch auf Edelmetall geschielt. Dabei werden die internationale Konkurrenzsituation und die in einigen Disziplinen vorherrschende Dopingproblematik einfach völlig ausgeblendet. Es ist doch unglaublich, dass viele Sportarten vollkommen aus jeglicher Förderung herausfallen.
Wie nah liegen Fordern und Fördern noch beieinander?
Die Politik hat sich in meinen Augen vom Sport entkoppelt. Die Fokussierung auf einige wenige Sportarten ist paradox.
Was bedeutet das für den Nachwuchs?
Die Fokussierung auf wenige Sportarten wird dadurch noch verstärkt. Ein Leben unter dem Existenzminimum bei einem enorm hohen körperlichen Einsatz kann man einen Jugendlichen nur schwer schmackhaft machen.
Was bedeutet Sport heutzutage? Darf sich Leidenschaft entfalten oder muss sie sich hinten anstellen?
Die Leidenschaft kann sich leider nur soweit entfalten, wie man ihr Raum lässt. Wenn die Politik ein derart ungleich verteiltes Fördersystem duldet und sogar gutheißt, werden in den meisten Randsportarten nur noch einige wenige absolute Idealisten international konkurrenzfähig sein. Gleichzeitig werden die populären Sportarten noch populärer. Diesen Kreislauf kann nur die Politik durchbrechen. In den USA sieht man, dass sich die Menschen für diverse Sportarten begeistern können. Man lässt ihr dort aber auch mehr Raum, zum Beispiel durch TV-Präsenz.