Heute machen wir mal kurz einen Schwenker in die Musik: Stellt euch vor, man hat eure Muskeln mit Verstärkern ausgestattet. Während ihr euch aufs Bike schwingt und euch dem trailigen Abhang nähert, dreht ihr die Lautstärker langsam auf. Sobald es wortwörtlich ab(wärts) geht, passt sich der Bass den Unebenheiten an und gewinnt an ‚Wumms‘ während ihr euch an den Stunts versucht.
Wer solche Tricks wie Lukas Noreik abfährt, muss sich diesem Kick aber konzentriert hingeben und die Spannung halten. Lukas Kopf blendet unnötiges Störfeuer aus und ist einfach nur auf seinem Bike, auf Kurs und gibt sich dem halsbrecherischen Rhythmus der Strecke hin. Nicht denken, reagieren. 100%iger Fokus. Mut zur Spontanität. Vertrauen in jede Bewegung. Ein Hang zum Abenteuer. Spaß. Kind sein.
Das Besondere bleibt für Lucas aber die Natur. „Ich genieße es einfach, Draußen zu sein. Egal bei welcher Witterung und welcher Jahreszeit. Aber klar, auch das Adrenalin und die allgemeine MTB Community. Die meisten Leute sind einfach cool drauf und man lernt sich schnell kennen. Mountainbiker haben irgendwie immer ähnliche Eigenschaften.“
Was muss ein Mountainbiker denn bestenfalls mitbringen? Kann ich mich jetzt auch einfach aufs Bike schwingen? Naja, können sicherlich, aber das ‚Können‘ beschränkt sich dann aufs Treten bzw. Rollen lassen oder „flowig“ wie man in der Szene sagt…
„Es kommt halt immer bisschen drauf an, was man selber erreichen will. Ich persönlich möchte einfach einen optisch sauberen und coolen Fahrstil haben mit dem einen oder anderen Trick. Andere wollen wiederum einfach nur schnell sein. Allgemein gilt aber, dass man sich selber nicht zu schade sein sollte. Vor allem beim Downhill/ Freeride gehört auch Mut dazu, wobei man auch mit einem gewissen Verstand daran gehen muss.“
Egal ob man also stylisch oder schnell unterwegs sein möchte, Ehrgeiz und Übung bringen die Perfektion. „Insofern benötigt man auch einiges an Geduld bis die Tricks sitzen. Und man sollte auch gut mit Verletzungen umgehen können. Die sind in diesem Sport unumgänglich, insofern man ihn ernsthaft und zielstrebig betreibt.“
Mit dem Ziel, sich mit anderen zu messen?
„Beim Freeride gibt es an sich keine Wettkämpfe. Beim Downhill geht es jedoch darum, eine Strecke möglichst schnell zu fahren. Daher gibt es hier auch entsprechende Einzelrennen und Meisterschaften. Von der Mentalität her bin ich aber eher Freerider und fahre meistens am besten, wenn ich keinen Druck habe. Ich habe mir schon öfters überlegt, an einem Rennen teilzunehmen, aber es bisher gelassen. Für mich steht der Spaß an erster Stelle und darum, die Dinge zu erreichen, die in meinem Kopf vorgehen. Sprich Style, Tricks und Sprünge mit denen ich mich beweisen kann und nicht mit Geschwindigkeit.“
Die Strecken selbst bringen schließlich jedes Mal neue Herausforderungen, an denen man seine Fähigkeiten messen kann – anstatt am Tacho oder anderen Konkurrenten.
„Jede Strecke ist einzigartig oder kann verändert werden. Jeder Berg, Steilhang und Wald unterscheidet sich von dem anderen.“ Schwierig wird es nur, wenn die Umgebung nicht das passende Setting bereithält.
„In Deutschland gibt es nicht sehr viele Möglichkeiten das Hobby auf entsprechend geeigneten Strecken auszuüben. Die Anzahl der Bikeparks steigt zwar, aber nur wenige Betreiber haben verstanden und umgesetzt, was die Mountainbiker für Strecken wollen. Zumal kann man zeitlich und auch finanziell einen Besuch im Bikepark jeden Tag oder mehrmals wöchentlich nicht realisieren. Daher bauen sich viele Leute auch eigene Strecken in Wäldern ihrer Region. Da stellt sich immer die Frage, inwiefern der Förster oder allgemein die Behörden dies genehmigen oder es halt verbieten.“
Lucas war eigentlich schon immer gerne auf zwei Rädern unterwegs. Ende 2013 hat er sich dann das erste mal auf Youtube Videos von Freeride und Downhill Mountainbiking angesehen. Mit der Folge, dass der Begeisterungs- und Euphoriepegel dramatisch ausschlug. Er wollte es unbedingt auch mal selbst ausprobieren.
„Anfang 2014 habe ich mir zum 18. Geburtstag dann mein erstes Downhill/ Freeride MTB gekauft. Seitdem ist es meine Leidenschaft und das einzige Hobby, was ich im Kopf habe.“
Natürlich hat das Bike selbst da auch eine besondere Bedeutung… Wenn du tagtäglich daran denkst, das Hobby lebst und liebst, führst du eine Art Beziehung und baust daher auch einen emotionalen Bezug zu deinem Zweirad auf. Traumfrau? Traumbike!
„Optisch habe ich selber noch ein paar Dinge verändert und auch ein paar bessere Parts verbaut als es vom Werk aus hat. Es wird mir nie langweilig, es anzuschauen. Emotional gesehen spiegelt es für mich einfach die Sportart wieder. Kratzer, Schrammen, Steinschläge und kleine Dellen durchziehen den Rahmen genau so wie meinen eigenen Körper.“
Ob mit dem Partner durch dick und dünn oder dem Bike über Stock und Stein – die Erfahrung machen sie gemeinsam. Teilen den Schmerz, die Euphorie, die Leidenschaft.
Dabei ist man öfters im Grenzgebiet zwischen „Tun“ oder „Lassen“. Die Vernunft und der Wille stehen innerlich im Konflikt, wenn es darum geht beispielsweise neue oder größere Sprünge zu probieren.
Kurz um: „Mountainbiking ist naturgebunden mit den Gefühlen von Freiheit, Adrenalin, Respekt und Kreativität. Man liest die Natur und genießt sie.“
Jemand wie Lukas – anfangs eher schüchtern, zurückhaltend, ehrgeizig, ungeduldig, albern – vereint glaube ich wichtige Eigenschaften, um beim Freeride oder Downhill nicht kopflos zu „shredden“, „ballern“ oder „stempeln“ – was so viel wie „fahren“ heißt. Der tollkühne „Luki“ oder „Kaschi“ ist achtsam aber zugleich abenteuerlustig.
„Den Namen habe ich einer Sportveranstaltung in Ungarn zu verdanken, wo ich mit meiner Leichtathletik Gruppe war. Da in Ungarn das „s“ als „sch“ gesprochen wird, wurde ich dort zu Wettkämpfen als „Lukasch“ aufgerufen. Irgendwer hatte dann die grandiose Idee einen verniedlichten Spitznamen daraus zu schustern.“
Niedlich wirken seine Bike-Aktionen aber bestimmt nicht. Aber seht selbst…