„Beste Zeit vs. Bestzeit…“ Dieser Gedankenanstoß ist mir heute über den Weg gestolpert.
Zuerst saß ich nur so da und ließ den Satz, die Aussage! oder Frage? auf mich wirken.
Bleibt zwischen den Trainingseinheiten und universitären oder beruflichen Verpflichtungen Zeit, für eine Umarmung? Und wenn ja, passiert diese nur flüchtig zwischen Angel und Tür auf dem Weg zur nächsten Einheit oder nehmen wir uns bewusst diesen Moment – aus Dankbarkeit, Wertschätzung?
Im alltäglichen Gefecht bleibt oft wenig Zeit, für Familie und Freunde. Als Leistungssportler müssen wir oft Prioritäten setzen – leider oft auf Kosten des Miteinanders.
Aber ich frage Euch ganz ehrlich, inwieweit die zwei Kilometer plus oder die extra Runde auf der Bahn uns tatsächlich schneller machen und ob diese fünf Minuten mit der Familie, den Freunden und/oder dem Lebenspartner vielleicht ganz andere Kraftpakete zünden.
Die Frage ist, was bleibt? Wie lange dauert die Genugtuung erreichter Bestzeiten an und mit wem teilen wir den Erfolg, die Freude?
Ist unser Erfolgshunger überhaupt zu sättigen und Siege gänzlich erfüllend oder genauso flüchtig, wie jene schnelle Umarmung zwischen Tür und Angel? Die Frage ist, WER bleibt, wenn wir im zielstrebigen Tunnelblick nicht auch mal nach links und rechts schauen. Oft zeigen uns erst die Menschen an unserer Seite so manche Dinge auf, die wir in unserem ‚Flow‘ übersehen.
Zeit, die wir uns nehmen, ist Zeit, die uns etwas gibt – und erkennen lässt.
Ich spulte meine Gedanken weiter und probierte schließlich, anstelle des VS. ein UND zu setzen. Das euphorisierende Gefühl des Erfolges oder des sich selbst Bezwingens gibt uns schlicht ein gutes Gefühl – „Beste Zeit!“ Diese sind im Moment sogar mehr als erfüllend und rückblickend zaubert es uns immer ein Lächeln aufs Gesicht. Genauso wie so mancher Erfolg erst rückblickend einer ist und wir erst mit der Zeit begreifen, was uns im Eifer des Gefechts vielleicht verloren gegangen ist – nicht nur der ein oder andere Freund an unserer Seite, sondern auch die Einsicht, das Sport nicht alles im Leben ist.
Es ist wichtig, an seine Grenzen zu stoßen und teilweise darüber hinaus zu gehen. Aber genauso gut müssen wir diesem gefährlichen Sog des „immer mehr, immer besser Werdens“ die Schranken weisen. Aus einem guten Grund: nicht nur, um am Ende nicht alleine dazustehen, sondern besonders auch, um sich selbst nicht zu verlieren. So manch ein Profiathlet steht eines Tages nämlich da, völlig ausgelaugt. Leer. Und es ist auch niemand da, der ihn auffängt oder stützend zur Seite steht.
Beistand, den wir nicht nur am Ende unserer Karriere brauchen, sondern genauso gut währenddessen, wo die Karriere mal bedenklich schwächelt, Verletzungen uns einen Strich durch die Rechnung machen und das Vertrauen seitens Sponsoren etc. auf die Probe gestellt wird.
Eine bedingungslose Unterstützung, ein liebevoller Rückhalt bekommen wir aber durch unsere Familie, Freunde und unseren Lebenspartner. Ein Beistand, der keine Forderungen stellt, lediglich Erwiderung unsererseits.
Aber zurück zu dem UND anstelle des VS.
Der Sport bringt wie gesagt viele einmalige Momente und Erfahrungen mit sich. Das was ein Profiathlet, oder einer der es werden will, jeden Tag leistet, um seinem Ziel näher zu kommen, ist mehr als bewundernswert! Eine neue Bestzeit ist ein ganz persönlicher Sieg, der mit Glück und Stolz einhergeht.
Wer auf diesem Weg dorthin des Öfteren mal innehält und sich dankbar umschaut – sprich vielleicht nur EINEN achtsamen Schritt setzt, anstatt ZWEI überstürzte vor – der wird jegliche Hürden besser meistern, weil ihm Menschen dabei helfen.
Jeder Erfolg ist schließlich umso schöner, wenn wir die Freude teilen.
Jede Niederlage fällt uns leichter, wenn wir Zuspruch bekommen.
Ich belasse es daher bei dem UND zwischen „Beste Zeit und Bestzeit“, denn es müssen nicht zwei getrennte Dinge sein. Und genauso gut sind Bestzeiten beste Zeiten und Zeit mit seinen Liebsten ein langfristiger Erfolg.