Zuerst wollte ich euch ja Fakten an den Kopf werfen, die ich fleißig zusammenrecherchiert habe… aber nach dem gestrigen Tag habe ich mein Vorhaben über den Haufen geworfen und verschone euch von informierten Touri-Köpfen und versuche euch die Stadt Rio mal aus einer anderen Perspektive zu zeigen.
Genauer gesagt aus 700m-Höhe. Denn das hat uns selbst ein ganz anderes Bild von der Olympiastadt gegeben. Unabhängig von dem grandiosen Ausblick mit Blick auf den Zuckerhut – der Glockenberg auf der Halbinsel Urca am westlichen Eingang zur Guanabara-Bucht -, türmte sich der Christus neben uns auf. Dieser Moment, als wir die Köpfe hoben und unsere Augen die 35 Meter hohe und 1145 Tonnen schwere Statue empor wanderten, war ein ganz besonderer.
Ich mag es dies Mal nicht in Worte beschreiben… Denn das Gefühl – ergreifend, warm, friedvoll – ließ die sonst rasende Reporterin für einen Moment inne halten.
Als sich unsere Blicke wieder lösen konnten und das Objektiv gen Panorama schwenkte, bot sich uns wieder dieser Ausblick.
Rio war für uns bis dato ein überflutetes Fleckchen von Touristen und Fans, die die Olympiastadt unsicher machten. Ein farbenfrohes, Energie-geladenes Treiben in Mitten schwer bewaffneter Sicherheitskräfte und freudig gestikulierenden Guides, die dich gen Stadion wiesen, aber kein Wort Englisch verstanden.
Je später es wurde, desto lauter wurde es auch. Die Stadt war gefühlt 24 Stunden wach. Morgens noch etwas träge im Siesta-Modus und abends die lichterlohe Fiesta in Mitten der von Polizeiwagen befahrenen Straßen.
Diese scheinbare Sicherheit seitens der Workaholic-Einsatzkräfte wurde erst auf dem Berg Corcovado, wo unser Christus über der Stadt wacht, wirklich vertrauenswürdig. Dort oben fühlten wir uns einfach sicher. Die Schleierwolken legten sich schützend über die Stadt.
Die zweitgrößte Stadt Brasiliens, die eigentlich für ihre hohe Kriminalität bekannt ist. Sodass man genauso gut behaupten könnte, oben herrsche nur scheinbarer Frieden, denn unten sieht es wieder anders aus…
Die Einwohnerzahl wächst nämlich seit dem 20. Jahrhundert unkontrolliert und unüberschaubar, sodass unzählige irreguläre Siedlungen – so genannte „Loteamentos irregulares“ – und illegale Siedlungen – die Favelas – entstanden. Ein Viertel der Menschen lebt in diesen Gebieten. Und man braucht nicht weit fahren, um die Armut zu sehen. Die Sonne über der Copacabana wirft wortwörtlich Schatten in Großteile der Stadt.
Lebendige Samba-Stimmung in den kleinen Bars entlang des weißen Strandes trifft auf verwahrloste Zustände an der Peripherie. Aber auch die Copacabana hält in den Augen eines idyllischen Zeitgenossen nicht das, was sie verspricht. Der Stand Ipanema ist da schon deutlich ansprechender, wobei die Wellen überall gleich ‚mitreißen‘.
Das Meer brauchen die Cariocas (so werden die Einwohner Rios genannt) besonders im Sommer. Denn dann kann es über 40 Grad heiß werden. Nicht verwunderlich also, dass sie bei 25 Grad mit Jacken umher laufen oder Hunde bei 23 Grad Pullis übergezogen bekommen.
Die Olympiastadt lebt ihre Kontraste dennoch gefühlt mit Leidenschaft. Dieser offenherzige Rhythmus klingt besonders gut während der Olympischen Spiele. Denn er empfängt die Gäste mit offenen Armen. Du bist schier Willkommen! Die ausgebreiteten Arme des Christus stehen sinnbildlich für genau diese warme Gastfreundschaft.