Gestern stand das Zeitfahren (Finale der Männer und Frauen) an.
Einmal davon abgesehen, dass das Laktat dabei ohnehin immer ordentlich brennt, die Fahrer schwer in einen Geschwindigkeits-Flow übergehen können und sie dem unrhythmischen Herzklopfen nachgeben müssen, hat es die Strecke (54,5km bei den Männern, 29,9 km bei den Frauen) besonders in sich!
Sie führt von Pontal an der Copacabana über die vom Straßenrennen bekannte Grumari-Runde zurück zur Küste. Zwei Anstiege – „Grumari“ und „Grota Funda“ – galt es mit dem Rad kletternd zu überwinden.
Der physisch zehrende Intervallkampf entspricht auch bildlich der ungleichmäßigen Streckenführung.
Etwa 700 Höhenmeter verteilen sich mit unterschiedlichen Steigungen etappenweise über den Kurs. Trotzdem sind Geschwindigkeiten über 50km/h und bis zu 450 Watt im Schnitt auf dem Tacho abzulesen gewesen. Kann natürlich auch am Nieselregen gelegen haben, der den Wind aerodynamisch am Radler entlang gleiten ließ!?
Am Ende siegte so der Schweizer Fabian Cancellara in 1:12.15 Stunden und ließ auch Topfavorit Chris Froom hinter sich – enttäuschend dagegen der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister aber immerhin noch bester Deutscher Tony Martin landete mit 1:15.33 Stunden auf Platz 12.
Bei den Frauen raste Kristin Armstrong (USA) nach 44:26.42 Stunden ins Ziel und sicherte damit ihr drittes Olympia-Gold im Zeitfahren – beste Deutsche wurde Lisa Brennauer in 45:22.62 auf Platz 8.
Leicht war es also in jedem Fall nicht, wenn schon das Watt-Treten im fünften Gang auf meinem Hollandrad (bei maximal 5%-iger Steigung hinauf zum Bäcker) den Puls beträchtlich anhebt. Schieben wir es getrost auf meine laienhafte Radfitness.
Deshalb lass ich auch lieber den Profi sprechen, ehe ich mich an Fachgauklerei versuche.
Guido Fulst ist Ex-Radrennfahrer, Olympiasieger (Barcelona und Sydney/ 4000m Mannschaftsverfolgung) und mehrfacher Weltmeister. Obendrein kann er sich 15 Mal den Titel des Deutschen Meisters in verschiedenen Disziplinen des Bahnradsports auf den Helm kleben.
Die nasse Straße meidet er also lieber und zieht die trockene Bahn ohne große Unebenheiten im Streckenkurs vor. Lässt aber auch die Bremse links liegen, denn diese gibt es beim Bahnrad nicht und auch keine Schaltung.
„Straßenrennen waren für mich nur Teil des Trainings!“ Deshalb mag er da auch keine Einschätzung geben, inwiefern die Treter auf der Straße abschneiden. Da schaut er lieber auf die anstehenden Rennen auf der Bahn.
Heute qualifizieren sich die Bahnradsportler (Frauen – 21:20 Uhr/ZDF als auch Männer – 22:20 Uhr/ZDF) in der Mannschaftsverfolgung – Guidos Steckenpferd – für das Halbfinale und Finale Morgen (bei den Männern – 21:15 Uhr und 23:20 Uhr /ARD) und Samstag bei den Frauen (16:20 Uhr und 21:55 Uhr/ZDF). Bei den Männern ist Guidos Favorit der 30-jährige Deutsche Roger Kluge.
Guidos Rennen liegen hingegen schon ein Weilchen zurück. Aber besonders an Tagen wie diesen erinnert er sich gerne zurück:
„An meinen ersten Weltmeistertitel 1989 in Lion!“ Obwohl Guido damals zum ersten Mal bei einer WM an den Start ging, wurde er gleich auf drei unterschiedlichen Positionen in vier Läufen in seinem Viererteam Weltmeister.
Beim 4er fahren vier Fahrer 4000m, die sich jede Runde ablösen. Ablösung ist dabei in der Kurve. Jeder Fahrer hat seine „Stammposition“, die er am besten kann. „Bei meiner ersten WM musste ich als sogenannter Ersatzmann dann drei verschiedene Positionen fahren.“ Mit Erfolg!
Sein persönlich größter Erfolg hingegen: als erste Mannschaft unter vier Minuten gefahren zu sein – „damals eine ‚Schallmauer'“.
Aber diese Leistung kommt natürlich nicht von irgendwo her! Es ist die Leidenschaft, die Zielstrebigkeit und seine Willensstärke, die ihn so weit gebracht bzw. so schnell gemacht haben.
„Man muss von dem, was man trainiert, einfach überzeugt sein, während des Rennens die Übersicht behalten und wissen, wo die entscheidenden Konkurrenten sind.“ Die gab es bei seinen Olympia-Teilnahmen bestimmt. Aber es zeigt, dass Training und Einstellung stimmten, dass er sich mit ihnen messen durfte und zur Weltspitze gehörte.
Das besondere an den Sommerspielen war jedoch weniger der Wettkampf, sondern „dass man mit allen Sportlern aus den verschiedensten Sportarten zusammen ist.“
Zusammen ist er heute am liebsten mit seinem Sohn auf dem Rad unterwegs. Das Radfahren spielt also auch heute noch eine wichtige Rolle in seinem Leben.