In ein paar Tagen werde ich 21 Jahre alt. Ehrlich gesagt kein besonders aufregendes Ereignis. Für mich ist ein Geburtstag letzten Endes doch nur ein Tag wie jeder andere. Dementsprechend weiß ich selten eine Antwort auf die Frage, was ich mir denn wünsche. Als Belohnung für das Kunststück, dass ich nun ein weiteres Lebensjahr vollendet habe, fällt mir so gut wie nie etwas Konkretes ein. „Irgendwas zum Lesen, vielleicht ja auch was Selbstgemachtes? Ach, wenn dir nichts einfällt, schenk mir einfach einen Gutschein oder so.“
Jetzt weiß ich dagegen ganz genau, was ich gerne hätte, wenn sich meine Anwesenheit auf dieser Welt zum 21. Mal jährt. Das Problem ist lediglich, dass mir ausgerechnet diesen Wunsch niemand erfüllen kann: Gesundheit.
Ich werde nicht gesund sein, wenn ich 21 Kerzen auf dem Kuchen auspuste. Ich werde nicht gesund sein, wenn ich Päckchen öffne und Ständchen gesungen bekomme. Ein Unfall vor wenigen Tagen mit ziemlich drastischen Folgen hat die Hoffnung zerstört, dass meine Verletzungsmisere vielleicht in absehbarer Zeit überwunden sein könnte. Sie wurde stattdessen noch um ein paar Kapitel erweitert.
Das Lebensjahr, das hinter mir liegt, war rein aus sportlicher Sicht eine Katastrophe. Geprägt von Rückschlägen, Enttäuschungen, Verzweiflung. Planmäßiges Training, Fortschritte, Erfolgserlebnisse? Fehlanzeige. Aber was kann ich daran jetzt noch ändern? Ich will das Jahr nicht einfach als nutzlos abstempeln. Damit würde ich es mir zu einfach machen und dafür lebt man zu kurz. Immerhin habe ich in dieser Zeit zumindest Erfahrungen gemacht, die vielleicht irgendwann einmal wertvoll sein können, die mich vielleicht irgendwann weiterbringen. Sei es im Leistungssport oder in anderen Lebensbereichen.
Deswegen möchte ich noch auf keinen Fall behaupten, in irgendeiner Form lebensweise zu sein. Das wäre mehr als vermessen mit gerade mal 20 Jahren. Aber ich möchte sie trotzdem mit euch teilen, diese 21 Dinge, die ich im Leistungssport gelernt habe, bevor ich 21 wurde:
1. Sportler sein bedeutet, allein sein
Als Athlet trainierst du für dich. Natürlich hast du bestenfalls eine Trainingsgruppe, einen Verein, eine Mannschaft um dich – aber letzten Endes bist du ein Individuum mit deinen ganz eigenen Voraussetzungen, Talenten und Zielen, unabhängig davon, ob du eine Einzel- oder Mannschaftssportart betreibst. Sportler sind Einzelgänger aus freien Stücken, die konsequent, für sich selbst auf ein Ziel hinarbeiten. Das muss man mögen.
2 .Allein sein ist okay, wenn man es nicht muss
Dieses Auf-sich-gestellt-sein ist kein Problem, solange du Menschen an deiner Seite weißt, die für dich da sind. Solange du im Zweifelsfall auf Unterstützung und Hilfe durch Mannschaftskameraden, Trainer und Freunde zählen kannst, fällt es gar nicht schwer, zu sagen: „Ich schaff das“.
3. Freundschaft ist ein weit gefasster Begriff
Es ist nicht leicht, wahre Freunde von falschen Freunden zu unterscheiden. Nur den wenigsten Menschen bedeutest du so viel, dass sie tatsächlich immer zu dir halten würden. Deshalb sollst du nicht grundsätzlich allem und jedem misstrauen. Aber es gibt Dinge, die muss nicht jeder wissen, weil manche Leute dir mit zu viel Wissen schaden können. Wenn aber gerade diese Menschen hinter deinem Rücken schlecht über dich sprechen, sich abwenden, dich vergessen, sich nicht mehr für dich interessieren, dann sind es deine Freunde, die noch immer an deiner Seite stehen.
4. Im Sport ist sicher jeder selbst der Nächste
Trotzdem ist Sport ein Schauplatz der Egoisten, der Ich-Sager, ein Ort für diejenigen, die in erster Linie von sich selbst überzeugt sind. Im Wettkampf darfst du diese Eigenschaft ausspielen, solange du fair bleibst. Im Wettkampf sollst du sogar nur an dich denken. Aber im Vorfeld und im Nachhinein zählen Teamgeist und Zusammenhalt umso mehr. Verhältst du dich nicht kameradschaftlich, wird es auch niemand geben, der dich im Wettkampf anfeuert und schließlich im Ziel mit dir jubelt.
5. Zeige Respekt
Wer Respekt vor anderen hat, wird auch selbst respektiert werden. Es ist niemals richtig bzw. aufrichtig, zu anderen hinabzuschauen. Selbst dann nicht, wenn manche Menschen Dinge tun, Ansichten haben, Meinungen vertreten, die dir absolut abwegig erscheinen. Toleranz ist im Sport die Währung, mit der du Anerkennung erwerben kannst.
6. Die Wahrheit interessiert nicht jeden
Was geglaubt wird, ist selten das, was wahr ist, sondern das, was geglaubt werden will. Im Zweifelsfall fragt dich niemand danach, wie es wirklich ist, sondern man wird Fakten Glauben schenken, die plausibel erscheinen. Welche Wahrheiten oder Unwahrheiten über dich kursieren, kannst du nicht kontrollieren. Aber letzten Endes ist es auch nur wichtig, dass die Menschen die Wahrheit kennen, die dir etwas bedeuten. Sie werden deine Ehrlichkeit schätzen und dir zuhören.
7. Training braucht der Körper, genauso wie der Kopf
Es hilft nichts, nur daran zu arbeiten, den Körper schneller, höher und weiter zu bringen. Wenn der Kopf nicht mitmacht, kann im entscheidenden Moment alles umsonst gewesen sein. Einstellung, Wille, gesundes Selbstvertrauen und mentale Stärke haben schon so manchen Wettkampf gedreht und den vermeintlich Unterlegenen zum Sieger gemacht.
8. Was zählt, ist auf dem Platz
Trainingsweltmeister gibt es überall. Gewonnen haben sie deshalb noch nichts. Nur wer am Tag X an der Startlinie steht, sein Bestes gibt und das Ziel erreicht, kann Sieger sein. Ob nun als Erster oder als Letzter ist schon fast wieder zweitrangig. Denn jeder stellt andere Erwartungen an sich selbst. Sei es eine neue persönliche Bestleistung, eine den Bedingungen angepasste Leistung, ein Rekord oder die Tagesbestleistung unter den Konkurrenten – du gehst mit deinen persönlichen Vorstellungen an das Rennen heran. Aber was zählt, ist ausschließlich das Rennen. Nicht der Tag davor, oder der Tag danach. Es gilt, auf den Punkt fit zu sein.
9. Die richtigen Gedanken zur richtigen Zeit
Gehe niemals unbedacht an eine Sache heran. Nimm niemals eine Herausforderung an, ohne dir bewusst zu sein, was du dir da zumutest. Aber bist du erst mal mittendrin, solltest nicht ständig deine Gedanken kreisen lassen. Skepsis, Unsicherheit und Selbstzweifel bringen dich nicht weiter, sondern kosten deinen Körper unnötig Energie. Die braucht er im Sport für andere Dinge.
10. Hüte dich vor Prognosen
Schätzungen sollten mit Vorsicht genossen werden. Es gibt etliche Zukunftsindikatoren: Wir lesen den Wetterbericht, Horoskope, Wirtschaftstrends – und wie oft lagen sie schon falsch? Persönlich betroffen bist du davon eher selten. Anders sieht es da mit der Selbsteinschätzung vor Sportwettkämpfen aus. Oft werden hohe Töne gespuckt und dann folgt klägliches Versagen. Deshalb mach erst gar keine Prognosen. Lass Spekulationen sein. Staple niemals in irgendeine Richtung, nicht hoch und nicht tief. Beides kann dir später negativ angekreidet werden. Denn du wirst niemals hundertprozentig richtig liegen und am Ende spricht sowieso das Resultat für sich.
11. Sei nicht dein eigener Gegner
Nicht jeder meint es gut mit dir. Nicht jeder will dein Bestes. Und es liegt ja schon in der Natur des Sports, auf Gegenstreiter und Konkurrenten zu treffen. Einen Feind kannst du aber dennoch problemlos zu deinem Verbündeten machen: Dich. Bist du mit dir selbst im Reinen, zusammen kämpft es sich schon viel leichter.
12. „Es könnte immer noch schlimmer kommen“, macht es schlimmer
Als Sportler bist du selbstbezogen. Wenn es dir schlecht geht, helfen Gedanken à la „es hätte noch viel schlimmer kommen können“, nicht unbedingt weiter. Klar, Glück im Unglück ist besser als nur Pech. Und in jeder Niederlage lässt sich vielleicht später noch etwas Gutes finden. Aber in dem Moment, in dem du eine Krise oder ein sportliches Tief durchwanderst, sei es nun ein großes oder ein nur ein ganz kleines, sei in erster Linie daran interessiert, dich da so schnell wie möglich wieder rauszubekommen. Es gibt immer solche mit größeren Sorgen und denen musst du auch selbstverständlich Mitgefühl zeigen. Es ist aber falsch, sich selbst an noch größeren Problemen der anderen hochzuhangeln.
13. Träume sind der Plot unserer Zukunft
Träume lassen sich nicht immer realisieren. Sie dürfen natürlich übers Ziel hinausschießen, solange du nicht enttäuscht bist, wenn sie sich nicht zu hundert Prozent erfüllen. Aber warum sollte man nicht zumindest versuchen, seine Träume zu leben? Sie sind wie der Plot einer Geschichte: Wie sie letztlich ausgestaltet wird, ist immer eine Frage des Autors. Die grobe Handlungsstruktur ist meist schon aus anderen Geschichten bekannt, aber er kann sie auf ganz eigenem Wege erzählen. Träumen ist erlaubt – in alle Richtungen!
14. Sei dankbar
Wenn du dran denken solltest, freue dich über jedes erfolgreiche Training, über jeden verletzungsfreien Tag, über jeden Erfolg und sei er noch so klein. Du kannst nicht jeden Tag über dich selbst hinauswachsen. Es wird immer diese Zeiten geben, an denen nichts so läuft wie es soll. Deshalb genieße die Momente, in denen du dich groß und stark fühlst und sei dankbar für alles, was dir im Training oder im Wettkampf gelingt.
15. Sport ist die schönste Nebensache der Welt
Sport kann ein Beruf sein. Es gibt sie, die professionellen Leistungssportler. Aber egal ob Profi- oder nur Hobbyathlet – du musst dich immer dessen bewusst sein, dass Sport eine Form der Vergnügung ist. Wenn es drauf ankommt, braucht man nicht zuerst einen Sportler, sondern vielleicht eher Ärzte, Bauern, Polizisten. Es ist deshalb wichtig, dass du dich und deinen Sport eben nicht zu wichtig nimmst. Das kann dir in dem Moment zugute kommen, wenn der Körper dir seine Grenzen aufzeigt und Sport für eine gewisse Zeit nicht mehr möglich macht. Dann musst du dich umso mehr auf eine Hauptsache im Leben konzentrieren, deine Gesundheit. Dagegen erhält der Sport im Leben eine verschwindend kleine Nebenrolle.
16 In Leidenschaft steckt das Wort „leiden“
Einfach so ersetzt werden kann der Sport bei gesundheitlichen Problemen trotzdem nicht, wenn du ihn leidenschaftlich gern betreibst. Neben Verletzungen wirst du aber auch noch andere seiner Schattenseiten kennenlernen. Vor allem der Wettkampfsport stellt physische und durchaus auch psychische Herausforderungen, die durchaus mit Qualen oder sogar Schmerzen verbunden sein können. Aber das ist Teil einer Leidenschaft – weil sie Leiden schafft? … Okay, der Wortwitz war wirklich nicht sehr originell 🙂
17. Zeit ist eine relative Größe
Warten bedeutet, dass Zeit verstreicht. Manchmal vergeht sie wie im Flug, manchmal scheint sie stillzustehen. Diese Wahrnehmung hängt davon ab, ob du während dem Warten nur an das Warten denkst, oder dir währenddessen andere Beschäftigungen suchst. Du kannst im Sport nicht damit rechnen, dass immer alles nach Plan verläuft und du ohne Umweg an dein Ziel kommst. Hin und wieder geschehen unerwartete Dinge. Aber gerade dann lernen wir, Zeit als kostbares Gut zu schätzen und sorgsam damit umzugehen.
18. Wir leben im Jetzt
Mit sorgsamem Umgang ist auch gemeint, sich Prioritäten zu setzen. Und diese sind von Mensch zu Mensch verschieden, so wie ihre Leidenschaften und Vorlieben. Wichtig ist nur, sich dessen bewusst zu sein, dass es um das hier und heute geht. Das, was man am liebsten tun möchte, sollte als Erstes tun und nicht auf die lange Bank schieben. Wir bereuen viel zu oft, dass wir Chancen nicht genutzt, Möglichkeiten nicht ausgeschöpft haben. Das kannst du vermeiden, indem du nicht zu weit nach vorne und nicht zu weit nach hinten blickst, sondern die Gegenwart ins Auge nimmt. Hier spielt das Leben.
19. Plan B, C, D, E, F und Plan Z müssen fast so gut sein wie Plan A
Mache als Allererstes das, was du am Allermeisten willst. Gehe aber nie davon aus, dass Plan A immer so klappt, wie du dir das wünschst (s. Punkt 17). Für dieses Szenario musst du gerüstet sein. Und zwar mit genügend Alternativen, Optionen, anderen Möglichkeiten, die dich nicht sofort abschrecken, wenn du sie in Erwägung ziehst. Wer sich immer verschiedene Wege offenlässt, endet niemals in einer Sackgasse.
20. Verlieren bedeutet nicht versagen
Manchmal muss man trotzdem noch einmal umkehren, weil man den falschen Weg eingeschlagen hat. Irren ist okay. Niederlagen sind okay. Fehler sind okay. Man muss sie nur akzeptieren, daraus lernen und weitermachen. Denn wer aus Optionen, wie aus den in 19 erwähnten Plänen A bis Z, wählen kann, wird sich vielleicht auch mal täuschen. Nur Aufgeben ist keine Option, sondern wäre das Ende.
21. Alles wird gut
Diesen Punkt habe ich vielleicht noch nicht am eigenen Leibe erfahren, aber dafür schon bei so vielen anderen Menschen, besonders im Sport, beobachtet. Es ist außerdem ganz einfach der Satz, den mein Vater sagt, seit ich denken kann und ich ihn deshalb verinnerlicht habe. Im Moment ist bei mir leider ziemlich wenig gut, zumindest was den Sport betrifft. Alles wird gut, das heißt ja aber auch, dass zumindest Teile jetzt schon gut sein können. Nur eben noch nicht alle. Alles wird gut, das heißt ebenso, dass erst am Ende alles gut ist. Das Wort „werden“ zeichnet sich schließlich durch seine Prozesshaftigkeit aus. Es steht für einen Vorgang, der noch nicht abgeschlossen ist. Erst am Ende ist das Ziel. Erst dort ist alles gut. Aber da bin ich ja – zum Glück – noch nicht angelangt. Es geht also darum, weiterzumachen. Morgen, übermorgen und im nächsten Lebensjahr. Ich freu mich drauf.
P.S. ich möchte mich an dieser Stelle für die Reihe an nachdenklichen, melancholischen und doch irgendwie traurigen Texten entschuldigen. Leider ist meine sportliche Situation derzeit wirklich alles andere als erfreulich und mir bleibt noch immer nicht mehr zu sagen als, dass ich daran arbeite, das schon bald wieder anders aussehen zu lassen. Derzeit muss ich mich allerdings wirklich noch sehr in Geduld üben, hoffe aber natürlich, dass ihr mir trotzdem gewogen bleibt und euch schon – wie ich selbst auch – umso mehr darauf freut, wenn es an dieser Stelle wieder ein paar fröhlichere und vor allem optimistischere Zeilen zu lesen gibt! Eure Franzi