Jasha Sütterlin, mehrmaliger Deutscher Juniorenmeister im Zeitfahren und Bronzemedaillengewinner mit Movistar bei der Weltmeisterschaft in Richmond (USA) 2015 im Mannschaftszeitfahren. Wir durften mit Jasha uns nach der Deutschen Meisterschaft in Erfurt unterhalten und führten anschließend dieses Interview!
Larasch.de: Hallo Jasha, zunächst möchten wir dir zur gewonnen Silbermedaille im Zeitfahren hinter Tony Martin bei den diesjährigen Deutschen Meisterschaften in Erfurt gratulieren. Kannst du uns kurz eine kleine Zusammenfassung des Rennens geben? Wie funktioniert Zeitfahren für dich? Was macht die Faszination aus, gerade auch im Team mit mehr als 50 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit über Landstraßen zu rasen?
Jasha: Das Zeitfahren in Erfurt hat mir sehr gelegen. Die abwechslungsreiche Strecke mit den kleinen Hügeln und den vielen Kurven kamen mir deutlich entgegen. Obwohl der Kurs sehr anspruchsvoll war, konnte ich gleich zu Beginn einen guten Rhythmus finden. Hierbei konzentriere ich mich durchweg auf meine Atmung sowie Position auf dem Rad, um möglichst gleichbleibende Wattzahlen auf meinem Radcomputer zu erzielen.
Für mich gibt es nichts Schöneres als den Körper an seine Grenzen zu treiben. Es puscht mich immer wieder auf dem Tacho eine hohe Geschwindigkeit zu sehen und doch nicht zu wissen, zu welcher Platzierung es am Ende reichen wird.
Larasch.de: Du bist in diesem Jahr beim Giro d’Italia gestartet. Wie war es für dich bei einer Grand Tour erstmals teilzunehmen? Wie erfolgt die Krafteinteilung bei einer solchen 3-wöchigen Etappenhatz?
Jasha: Zuerst einmal habe ich mich sehr gefreut mit meinem Team starten zu dürfen. Deswegen war ich unter anderem auch sehr nervös zu Beginn. Die eigenen Erwartungen sind da erst mal sehr hoch geschraubt. In der ersten Woche geht es natürlich für die Sprinter zur Sache. Deswegen sind alle Fahrer auch sehr nervös und es wird hektisch und unruhig gefahren. In den letzten beiden Wochen pendelt sich ein Rhythmus im Feld ein und jeder muss für seine Kapitäne, die auf die Gesamtwertung fahren, arbeiten.
Larasch.de: Seit 2014 stehst du bei Movistar unter Vertrag. Einem Team mit einer sehr glorreichen (positiv wie negativ) und langen Historie im Radsport. Wie verlief bis zum Profidasein deine sportliche Karriere? Hast du dich bereits in sehr jungen Jahren dem Straßenradsport „verschrieben“ oder gab es auch weitere sportliche Schauplätze?
Jasha: Von klein auf saß ich auf dem Rad. Mein größtes Ziel war es auch schon damals, Profiradsportler zu werden. Da mein Vater ebenfalls Radsportler war und an den Olympischen Spielen in Mexico 1968 teilnahm, war und ist er für mich ein großes Vorbild. Ab der U11 verlief mein Weg sehr konsequent bis zur U23 im Thüringer Energie Team. Anschließend bekam ich als erstes ein Angebot von Movistar, welches ich schließlich annahm und damit meine Profi – Karriere starten konnte.
Larasch.de: Neben den zahlreichen Dopingskandalen im Radsport der letzten 18 Jahre und den vermehrten Enthüllungen im Weltsport im Allgemeinen, wie schaffst du es als junger Athlet dich zu motivieren und dich im direkten Wettkampf zu stellen?
Jasha: Es ist einfach ein tolles Gefühl jeden Tag aufs Neue, sowohl im Training als auch im Wettkampf, meine körperlichen Grenzen neu zu entdecken und weiter zu entwickeln.
Larasch.de: Deine Hauptaufgabe im Team ist die Rolle des Domestiken. Das heißt, du kümmerst dich primär um die Aufgaben, welche deinem Mannschaftskapitän/der Strategie zu Gute kommen. Wie können sich die Leser diese Aufgaben vorstellen? Wie schwierig ist es, sich im Peloton zu behaupten und seinen Kapitän aus Massenstürzen raus zu halten?
Jasha: Jeder Renntag verläuft anders. Wenn z.B. die Etappe flach ist, kommt es meist zu einem Massensprint. Hierbei ist meine Aufgabe, meinen Kapitän aus dem Wind zu halten und ihn stets weit vorn zu positionieren, damit er aus den Stürzen rausgehalten wird und somit keine Zeit verliert. Das ist der wesentlichste Punkt auf hektischen Flachetappen. Darüber hinaus vesorge ich unseren Kapitän (auch auf Bergetappen oder wechselndem Terrain) mit Verpflegung oder kümmere mich um zusätzliche Bekleidung bei schlechten Wetterbedingungen.
Larasch.de: Du hast bereits in diesem Jahr bei der Flandernrundfahrt und bei Gent Wevelgem [50. und 48. Platz, Anm. d. Red.] sehr gute Ergebnisse eingefahren, was auch für deine Qualitäten in Eintagesrennen spricht. Liegt hier in Zukunft, neben dem Zeitfahren, dein Schwerpunkt?
Jasha: Mein Hauptaugenmerkt liegt beim Zeitfahren. Jedoch sehe ich meine Stärken natürlich auch in den Eintagesrennen. Ich werde mich in der kommenden Saison mehr auf die Klassiker konzentrieren und spezieller darauf vorbereiten. Die Klassiker sind einfach ein besonderes, einmaliges Erlebnis in der Saison.
Larasch.de: Am Samstag startet die 103. Tour de France in der Normandie am Mont Saint Michel. Was traust du deinen Teamkollegen Quintana oder Valverde zu?
Jasha: Natürlich den Gesamtsieg für Quintana. Mit Valverde, als Edelhelfer an der Seite, ist er unschlagbar!
Larasch.de: Auf dem sehr anspruchsvollen Kurs bei den Olympischen Spielen in Rio werden Tony Martin, Simon Geschke und Emanuell Buchmann als auch Maximillian Levy an den Start gehen. Was traust du diesem Quartett zu?
Jasha: Tony sehe ich im Olympischen Zeitfahren auf dem Treppchen. Für das Olympische Straßenrennen kann ich mir vorstellen, dass Geschke und Buchmann vorne mit dabei sein werden.
Larasch.de: Abschließende Frage: Wie sieht dein Rennprogramm für die zweite – Jahreshälfte aus? Werden wir dich bei der Straßen – WM in Doha Ende Oktober an der Startlinie sehen?
Jasha: Für die zweite Saisonhälfte habe ich derzeit noch keine weiteren Pläne, jedoch stehen EM und WM natürlich ganz oben auf meiner Liste und ich hoffe vor allem im Einzelzeitfahren für Deutschland an den Start gehen zu dürfen. Des Weiteren hoffe ich dieses Jahr wieder die Eneco Tour, sowie die Vattenfall Cyclassics und die kanadischen Rennen [Grand Prix Cycliste de Quebec und Montreal, Anm. d. Red.] fahren zu können.
Lieber Jasha, vielen Dank für das Interview! Wir wünschen dir alles gute und viel Erfolg für die Zukunft. Bleib Gesund!