Unser Olympiakalender ist aus dem Anliegen heraus entstanden, der „medialen Krise des Laufsports“ (Hendrik Pfeiffer) einen proaktiven und innovativen Ansatz zur Förderung der Laufszene und ihrer Athlet*innen engegenzustellen. Die Erlöse des Kalenders fließen unmittelbar in unsere Athletenförderung ein und ermöglichen es, unser bisheriges Engagement und die Medienpräsenz von Athlet*innen im Lauf- und Ausdauersport zu erhöhen.
Wir wollten von den „Betroffenen“, Deutschlands Top-Läufer*innen, direkt erfahren, wie sie die Problematik ihres Sports und ihrer persönliche Situation als Athlet*in einschätzen:
Dazu Kilian Schreiner:
Zu den weiteren Athletenstimmen von Aaron Bienenfeld, Hanna Klein, Deborah Schöneborn u.a.
Kilian, stell Dich doch einfach kurz vor: Was waren bisher Deine größten Erfolge und welche Ziele hast Du in den nächsten Jahren?
Ich bin Kilian, 27 Jahre alt und der Laufsport hat mein Leben entscheidend geprägt. Als laufstarker Fußballer bin ich 2008 zum ersten Mal mit der Leichtathletik in Berührung gekommen. 2012 reichte es dann, um mich für die U20-Cross Meisterschaften zu qualifizieren. Motiviert fasste ich den Entschluss nach dem Abitur meine Laukarriere in den USA weiter auszubauen. Ausgebremst von vielen Verletzungen resignierte ich jedoch nach 2 Jahren und kehrte in die Heimat zurück. Ganz sein lassen konnte ich das Laufen jedoch nicht. Als ich dann 2016 in der Halle überraschend Deutscher Hochschulmeister über 1500 m wurde und mir direkt im Anschluss noch Platz 2 über 3000 m in 8:18 sicherte, war mein Ehrgeiz wieder geweckt. Es folgten 30:00 min auf 10000 m sowie der 6 Platz bei Deutschen Halbmarathon Meisterschaften in 66:20. Dann warf mich die Diagnose Knochenödem im Schienbein aus der Bahn. Es folgten 2 Jahre voller Schmerz und Ungewissheit bis ich im Herbst 2018 schließlich wieder frei auflaufen konnte. 2019 folgte meine bisher erfolgreichste Saison. Bei der Cross DM belegte ich überraschend den 5. Rang. Richtig interessant wurde es jedoch auf der Bahn. Über 5000 m konnte ich mich um mehr als eine Minute auf 13:51 steigern. Bei der DM folgte der 8 Platz in einem sehr guten Feld. Auch in diesem Jahr habe ich den 5 Rang bei der Cross DM belegt und konnte mich mit 29:13 über 10000m zeigen. Mein größter Traum ist es wieder einmal für die Nationalmannschaft zu starten.
Wie finanzierst Du Dich aktuell, wer sind Deine Unterstützer und kannst du ein paar Rücklagen bilden oder gibst Du mehr aus, als Du durch den Sport „verdienst“? Würdest Du Deine Situation als prekär bezeichnen?
Finanziell war ich in dieser ganzen Zeit eigentlich immer am Limit, obwohl ich immer mindestens 10 Stunden pro Woche neben dem Laufen und dem Studium gearbeitet habe. Meine glutenfreie Ernährung ist nicht nur aufwendig, sondern auch kostenintensiv. Dazu kommen erhebliche Kosten für regenerative Maßnahmen. Insbesondere die Behandlung meines Konchenödems war mit Kassenleistungen nicht zu bestreiten. Meine Trainingslager werden etwa zu 50% von meinem Verein (ASC 1990 Breidenbach) getragen. Der Verein erhält für solche Maßnahmen dankenswerterweise immer wieder Spenden von der regionalen Industrie. Fahrtkosten und Meldegebühren übernimmt der Verein zu 100 %. Kleidung und Schuhe bekomme ich mittlerweile vom Laufshop „LauStil“ gestellt. Meine Eltern unterstützen mich monatlich, dennoch wird es regelmäßig heikel, wenn größere Summen auf mich zu kommen etwa für das Auto oder eben ein Höhentrainingslager. Dann greife ich meist wieder auf die Hilfe meiner Eltern zurück, für die ich unendlich dankbar bin. Abgesehen von seltenen Prämien bei Straßenlaufveranstaltungen und ähnlichem kann ich keine baren Einnahmen durch das Laufen verzeichnen.
Im Podcast von „Auslaufen“ gibt es die Rubrik „ Was müsste verbessert werden in der Leichtathletik oder im Laufsport“. Wie ist Deine Meinung dazu, worin genau das aktuelle Problem liegt und wie kann dieses behoben werden?
Grundsätzlich interessieren sich zu wenige Menschen für den Laufsport oder die Leichtathletik. Selbst langwierigen Volksläufern sind Namen, wie z.B. „Richard Ringer“, kein Begriff. Es gibt viele Läufer in Deutschland, aber nur wenige Lauffans. Dabei zeigen die Einschaltquoten von Großevents wie Olympia, Weltmeisterschaften und Europameisterschaften, dass der gemeine Fernsehzuschauer zumindest nicht gelangweilt ist. Hier liegt der Fokus meist auf den erfolgreichen Disziplinen, denn die Deutschen lieben nun mal ihre Sieger. Für die gezeigten Sportler scheint es finanziell, so wenigsten mein Eindruck, ganz gut zu laufen. Und das ist eigentlich der springende Punkt. Aufmerksamkeit und damit Verdienstmöglichkeiten bekommen nur die international erfolgreichen Athleten. Aber wie kommt man da hin. Da muss es schon rund laufen von der Jugend an. Man muss auf‘s Ganze gehen. Den Traum vorfinanzieren. Es braucht viel Mut, um voll auf den Sport zu setzen, wenn nur der absolute Erfolg mit einem annehmbaren Auskommen verbunden ist.
Der Vergleich zum Fußball ist leidlich, aber dienlich. Auch jeder junge Fußballer wird von der WM träumen, aber wenn es nicht ganz so läuft findet er in der Hesseliga immer noch sein auskommen. In der Leichtathletik gibt es nur Superstars und Amateure. Dazwischen zumindest nicht viel. Es wäre wichtig, nationale Leistungen und Wettkämpfe mehr zu würdigen. Warum nicht national bedeutende Meetings übertragen, auch wenn sie vielleicht im internationalen Vergleich bedeutungslos sind. Der Zuschauer will unterhalten werden. Es geht nicht darum die Experten anzusprechen, die sich die Mühe machen den Link zu einem Live-Stream zu suchen, sondern die zufälligen Zuschauer deren Interesse vielleicht von einem spannenden Spurtduell geweckt wird. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass selbst meine Leistungen für die meisten Meschen äußerst beeindruckend sind. Die stehen aber nur in der Lokalzeitung. Die Leichtathletik muss besser platziert werden. Große Güte, jedes Abendsportfest zwischen Hamburg und Regensburg ist doch interessanter als Snooker. Viele Athleten betreiben Selbstvermarktung. Der Erfolg schwankt. Der Aufwand ist z.T. groß und neben dem Studium, dem Nebenjob und dem Training oft nicht zu leisten. Viele Faktoren, unter anderem das Aussehen spielen eine Rolle. Soll das etwa das Kriterium für unsere Olympia-Kandidaten sein? Na klar, es gibt noch die Möglichkeit mit der Polizei und der Bundeswehr. Viele Sportler gehen diesen Weg, aber können wir von allen Sportlern erwarten, in diesen Tätigkeiten aufzugehen. Die steile Rampe zum Olympiasieg könnte ein paar mehr Stufen am unteren Ende vertragen.
Was wären konkrete Maßnahmen? Ist es die Unterstützung in Social Media, mehr Livestreams von den Events, Attraktive Wettkampfformate oder Schaffung neuer Serien oder hast Du ganz andere Ideen?
Mehr Unterstützung in Social Media schadet sicher nicht. Ich denke Livestreams sprechen, wie oben angedeutet, überwiegend nur die Experten oder Angehörigen an. Neue Interessenten könnten am ehesten über den allgemeinen Rundfunk geworben werden. Eine nationale Meeting-Serie mit Gesamtwertung wäre vielleicht eine Idee. So ähnlich wie die Anti-Corona-Running-League; nur eben mit echten Wettkämpfen. Eine Art Bundesliga. Das Angebot müsste größer sein als die Anzahl der Wertungswettkämpfe, damit eine individuelle Saisonplanung noch möglich ist. Es sollten bei jedem Meeting mindestens drei Streckenlängen angeboten werden, damit für alle was dabei ist. Jeder Sportler müsste eine Hauptdisziplin erklären, damit eine Disziplinen Wertung möglich ist. Dennoch muss es auch möglich sein, Punkte auf den Unter- oder Überdistanzen zu sammeln vielleicht mit einer anderen Wertigkeit.
Trotzdem, dass die jüngste Reform der staatlichen Sportförderung das Geld eher zu Gunsten der absoluten Topathleten verteilt, wandern diese zunehmend ins Ausland ab. Das Geld reicht nicht und die Politik ist nicht bereit mehr zu geben. Warum also nicht eine Sportler Solidarsteuer einführen. Sportler für Sportler so zu sagen. So könnte das Geld von finanziell erfolgreichen Sportarten zu nicht so populären oder gut vermarkteten Sportarten umverteilt werden. Sportlern die X-Millionen im Jahr verdienen dürfte es kaum wehtun, wenn Sie 1% ihrer Bruttoeinnahmen in einen Topf zur Förderung des Sports geben müssten. Vielleicht würde eine freiwillige Abgabe schon ausreichen. Eine öffentliche Debatte über die Idee würde sicher viele reiche Sportler (Fußballer) zu Großherzigkeit bewegen.
Danke Kilian für Deine offene Meinung und dass Du unser Olympiakalender-Projekt unterstützt!
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