Die Olympischen Spiele neigen sich langsam aber sicher dem Ende zu, aber 42,195km gilt es noch zu überstehen!
Denn heute heißt es für die männliche Fraktion den Marathon zu rocken. Aus deutscher Sicht war es in den vergangenen Wochen ein emotionaler Kampf um den berechtigten Startplatz in Rio. Nur das jener Kampf nicht auf, sondern hauptsächlich neben der Strecke ablief. Aber auch dort bewies der 23-jährige Hendrik Pfeiffer einmal mehr großen Sport, als er seinen Startplatz an Julian Flügel (Asics Team Memmert) abtrat. Ein Marathon-Debütant, der in Düsseldorf zunächst beeindruckend in letzter Minute seinen Startplatz für die Olympischen Spiele (2:13:11h) sicherte und Julian – zu der Zeit Drittschnellster Deutsche (2:13:57h) – doch noch aus dem Team beförderte. Aber ‚befördern‘ klingt so böswillig. Das war es zwischen den beiden nämlich ganz und gar nicht. Julian bewies Sportlichkeit, indem er Hendrik seinen Start gönnte und dem Schnelleren einfach gerechtfertigt den Vortritt ließ – auch wenn es weh tat – und Hendrik bewies das Gleiche, als er verletzungsbedingt schweren Herzens einsah, dass er in Rio nicht das zeigen könnte, wozu er gesund in der Lage wäre und gab schließlich den Startplatz wieder an Julian zurück.
Deshalb – und auch aufgrund seiner erbrachten Leistungen – steht Julian heute verdient an der Startlinie.
Ob er auch in Rio seinem Wesen gerecht wird und wieder tiefenentspannt in Laufdress und Startnummer antanzt, bezweifle ich ja etwas.
„Das einzige Mal, wo ich ihn vielleicht etwas nervös sah, war vor dem Berlin Marathon…“, so sein guter Freund und Teamkollege Sebastian Reinwand. Und dort ging es damals ja auch schon um die Olympischen Spiele – Julian wollte die Norm laufen. Verfehlte die bis dato geltende Norm von 2:12:15 Stunden knapp, aber qualifizierte sich nachträglich, als diese auf 2.14:00 Stunden herab gesetzt wurde.
Ein Kämpfer, der sich von Zweiflern nicht beirren ließ und bewies, wozu man mit Ehrgeiz und Disziplin in der Lage ist und womit man zugleich all jene Skeptiker eines Besseren belehrte. Lediglich sein Trainer Jürgen Stephan (oder nur „Steppke“) hielt und hält an seinem Schützling seit mittlerweile 14 Jahren fest.
Sebastian Reinwand fand einst die richtigen Worte, die alles gut abrunden: ‚Wo Gegenwind ist, weht auch Rückenwind’. Und auch wenn Julian heute einige Rücken vor sich durchs Ziel rennen sehen sollte, ist der Start in Rio das persönliche Highlight seines Sportlerlebens und in jedem Fall siegreich, weil Julian Leistung stets an sich festmacht.
Aber neben Julian fiebern wir selbstverständlich auch für Philipp Pflieger mit. Der 29-Jährige aus Regensburg hatte in den vergangenen Monaten selbst einen harten Kampf zu führen – auch hier vorrangig neben der Laufstrecke. Denn mit seinen mickrigen 35 Sekunden plus, rasselte er einst an der geltenden Norm von 2:12:15 Stunden vorbei. Nur der deutsche Marathonrekordhalter Arne Gabius, der heute verletzungsbedingt nicht starten kann – gute Besserung an dieser Stelle! – war zu dem Zeitpunkt sicher in Rio dabei.
Es war ein Kampf gegen Normen, die eine vermeintliche Endkampfchance versicherten. Normen, die aber im Schatten der Dopingskandale erst hätten Rechenschaft ablegen müssen. Schlussendlich sah dies auch der DLV und der DOSB ein und setzte die Normen herab, nachdem medial der Unmut mehr als lautstark wurde.
Folglich darf nun auch Philipp verdient die olympischen 42,195km ins Auge fassen.
Der „kleine“ Philipp – ob er damals auch schon so groß war, weiß ich nicht – schnürte erstmals mit vielleicht fünf Jahren die Laufschuhe. Damals noch an der Seite seines Vaters, der immer nach der Arbeit laufen gegangen ist. Familiär vorgeprägt also fand auch Philipp seinen Weg über die anfängliche ‚2km-Strecke bis zur Ampel und zurück‘ und der ersten leistungsorientierten Jahre auf der Bahn auf die Straße, wo er nun Deutschlands Spitze mit anführt.
Der zuweilen „hoffnungslose Optimist“, wie er sich selber beschreibt, pinselt im Wettkampf selbst aber zuerst mit schwarzen Farben: „Ich male mir das schlimmstmögliche Szenario aus, dass ich große Schmerzen habe und das vielleicht schon relativ früh. Einfach deshalb, damit ich mich mental darauf vorbereite und dann positiv überrascht bin, wenn es nicht so kommt – oder erst viel später.“ So wie auch seine Nominierung für Rio und der damit nach 20 Jahren wahr werdende Kindheitstraum.
Wie sagte er mir doch? You only live once, chase your dreams. Let’s do it! Toi toi toi euch beiden!