Thomas Lurz ist mit zwölf Weltmeistertiteln der erfolgreichste deutsche Schwimmer. Im Jahr 2015 beendete der Langstreckenspezialist überraschend seine Sportkarriere, um sich beruflichen Zielen zu widmen: Schon während seiner Zeit als Profi-Schwimmer arbeitete er für das Unternehmen s.Oliver und ist dort mittlerweile in einer führenden Position tätig. Im „Loslassen“-Interview gibt er Einblicke in seinen momentanen Alltag – fernab des Schwimmbeckens oder immer noch nah am Wasser? Wir haben nachgefragt…
Larasch.de: Lieber Thomas, die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es Dir?
Thomas Lurz: Mir geht es sehr gut. Ich bin gesund und ansonsten läuft alles ganz gut voran.
Wie sieht Dein aktueller Tagesablauf aus?
Ich gehe jeden Morgen von 6 Uhr bis 7 Uhr zum Schwimmen und danach ins Büro zum Arbeiten. Das kann unterschiedlich lange ausfallen. Am Wochenende gehe ich anstatt Schwimmen ab und an mal zum Laufen.
Welche Unterschiede gibt es zu Deinem Alltag als Leistungssportler?
Der größte Unterschied ist natürlich die körperliche Anstrengung: Im Büro sitzen ist was anderes als 20 Kilometer am Tag zu schwimmen. Das war mit Sicherheit die größte Umstellung. Deswegen schwimme ich auch noch einmal Tag – allerdings nur noch eine Stunde, was in etwa 4 bis 5 Kilometern entspricht.
Wie konntest Du früher Sport, Beruf/Ausbildung und Familie unter einen Hut bringen? Musstest Du irgendwo Abstriche machen/ auf etwas verzichten?
Das war sicher nicht leicht, aber das macht auch den großen Unterschied aus. Mir war immer eine gute Ausbildung wichtig, da ich sehr zielorientiert bin und mir somit mein Beruf auch schon immer wichtig war. Denn nach dem Sport geht das Leben weiter und die nächsten Ziele kommen. Es gibt ja sehr viele Optionen, um weiterhin erfolgreich zu sein und sich neue Ziele zu stecken. Aber letztendlich ist auch das nur möglich, wenn man einen großen Willen an den Tag legt und ein gutes Zeitmanagement hat. Natürlich sind auch Familie und das ganze soziale Umfeld extrem wichtig: Alle müssen gemeinsam für ein Ziel arbeiten und sich bewusst sein, was es heißt, zu studieren und gleichzeitig zu versuchen, im Sport Weltmeister zu werden.
Ist Dir das schwergefallen? Hast Du es manchmal bereut, den leistungssportlichen Weg eingeschlagen zu haben?
Nein, ich habe es nie bereut, ganz im Gegenteil. Es ist ja klar: Wenn man was Besonderes erreichen möchte, muss man besondere Dinge tun. Erfolg kommt nicht vom Himmel gefallen und muss knallhart erarbeitet werden – sportlich wie beruflich. Je größer die Ziele sind, desto mehr muss man dafür tun. Letzten Endes kann das jeder für sich entscheiden, wo er sich in Zukunft sieht.
Was denkst Du, hat Dich als Sportler besonders ausgezeichnet? Welche Eigenschaften haben dazu geführt, dass Du Deinen Gegnern weltweit so oft und so lange überlegen warst?
Ich denke, ich hatte einen großen Willen zu gewinnen und somit war der Wille größer als das Gefühl aufzugeben, im Training wie im Wettkampf. Ich habe sicher mehr und intensiver trainiert als viele andere und das über Jahre hinweg. Hinzu kommen aber noch anderen Faktoren die wichtig waren: Ich hatte immer ein super Team um mich herum und mit meinem Bruder auch einen top Trainer. Sponsoren haben mir den Rücken freigehalten und den beruflichen Einstieg ermöglicht. Die Rahmenbedingungen waren nahezu perfekt in Würzburg in meinem Schwimmverein. Die Grundausbildung in Sachen Einstellung usw. habe ich aber allen voran meinen Eltern zu verdanken.
Wie kamst Du zu der Entscheidung, Deine sportliche Karriere zu beenden? War es ein schleichender Prozess, oder kam der Entschluss sehr plötzlich?
Das war ein schleichender Prozess, aber jeder Mensch wird älter und irgendwann muss man sich auch beruflich orientieren und schauen, was man da erreichen möchte. Deshalb war mir 2015 klar, dass Schluss sein muss, da ich meine Karriere auch nicht mit schlechten Platzierungen oder Misserfolgen beenden wollte. Ich bin immer geschwommen, um zu gewinnen und irgendwann wird man nicht mehr schneller. Das muss man einsehen. Im richtigen Moment einen Schlussstrich ziehen und neue Herausforderungen im Leben suchen. Ich wollte auch nicht „ nur“ Sportler sein, sondern auch im Beruf was erreichen. Was ich dann nun auch versuche. Ich finde, das gehört zu einem Champion gehört das auch, finde ich.
Wie ist Dein Umfeld (Familie, Freunde, Trainer etc.) mit dieser Entscheidung umgegangen?
Die wussten das alle schon viel früher, denn die waren natürlich in die Entscheidung involviert. Ich hätte sie nie getroffen, ohne vorher mit meinem ganzen Team gesprochen zu haben.
Hast Du sehr abrupt mit dem Schwimmen aufgehört, hast Du abtrainiert oder gehst Du auch nach wie vor regelmäßig ins Wasser?
Ich schwimme noch jeden Tag eine Stunde, das reicht.
Was hat Dir nach dem Abschied vom Leistungssport am wenigsten gefehlt?
Die Open Water Wettkämpfe, die nicht so gut organisiert waren und bei denen man mehr oder weniger 24 Stunden Anreisezeit einplanen musste, um dort anzukommen.
Was hat Dir am meisten gefehlt?
Die körperliche Bewegung und auch die Wettkämpfe, die Kunst auf den Tag fit zu sein.
Du blickst auf eine lange und in Deutschland einmalige Schwimmkarriere zurück. Was war Dein ganz persönliches Highlight? Woran denkst Du am liebsten zurück?
Ich denke gerne an die Olympischen Spiele in London zurück, da das wirklich gute Spiele waren.
Gibt es etwas, das Du gerne erreicht hättest (z.B. Olympia Gold) und dem Du ein wenig nachtrauerst, oder bist du voll und ganz zufrieden?
Ich bin voll und ganz zufrieden. Klar gewinnt man gerne die Goldmedaille bei den Spielen, aber in Summe meiner ganzen Karriere muss man zufrieden sein. Man muss die Dinge wertschätzen können, das ist extrem wichtig.
Was bedeutet Dir das Schwimmen heute? Bist Du dem Sport treu geblieben, oder ist es nicht mehr fester Bestandteil Deines Alltags?
Ich bin Präsident des Schwimmvereins Würzburg 05. Ich möchte damit dem Verein etwas zurückgeben!
Lieber Thomas, danke für das Interview und weiterhin viele Erfolgswellen auf dem Weg zu neuen Zielen!