Wer oder was lehrt uns den Ehrgeiz? Liegt es in unserer Natur oder entwickelt er sich zwangsläufig aufgrund der Anforderungen, denen wir uns täglich stellen?
Der Leistungssport fordert den Ehrgeiz nicht nur, sondern fördert ihn gleichzeitig.
Sprich, ohne den Ehrgeiz wirst du nicht weit kommen. Du brauchst den inneren Ansporn, einen Grund, um dich täglich aufzuraffen. Ein Ziel, wofür sich der ganze Aufwand lohnt. Zugleich schult der Sport aber auch jenen Ehrgeiz und überträgt sich aufs ganze Leben. Der Ehrgeiz ist in gewisser Weise also eine notwendige Voraussetzung, um den Sport leistungsorientiert zu betreiben, jedoch entwickelt er sich auch und wird erst mit der Zeit stärker.
Allerdings darf der Ehrgeiz in einem nicht zum Hulk mutieren! Ohne die Leidenschaft dahinter, kannst du selbst mit dem größten Ehrgeiz am Ende leer ausgehen, weil sich kein Kampf bestreiten lässt, bei dem das Herz nicht mitredet. Hast du keinen Spaß mehr, funktionierst du nur noch. Folgst strengen Regeln und überhörst körpereigene Signale, weil du MUSST und nicht DARFST. Irgendwann schaltet der Körper aber auf stur und macht anders auf sich aufmerksam.
Im Leistungssport neigt man nämlich gerne dazu, auf Teufel komm raus Leistungsansprüche zu stellen, denen man vermeintlich nur mit überdurchschnittlichem Ehrgeiz und Disziplin gerecht werden kann. Dass aber die Leidenschaft oft eine viel entscheidendere Komponente ist, begreift man oft zu spät. Eine Leidenschaft, die mehr Leiden schafft als Genugtuung, hat ihre Grundintention nämlich ignoriert. Und diese Ignoranz meldet sich irgendwann mit Verletzungen zurück und der Körper holt sich seine Pause in derselben Form, wie du es teils im Training angehst: verbissen, stur und bedingungslos.
Wir gehen oft nicht nur ans Limit, sondern häufig darüber hinaus. Das ist einerseits natürlich notwendig, um gestärkt daraus hervorzugehen und um neuen Herausforderungen gegenüber gewappnet zu sein. Aber das Limit hat auch Grenzen. Und der Sportler ist auch nur Mensch.
Tobias Blum ist jemand, der den positiven und negativen Anprangerungen, die mit dem Ehrgeiz einhergehen, zu 100% gerecht wird. 100% nicht nur, weil er versucht, oft mehr als 100% zu geben, sondern auch, weil er zwei Dinge (Studium und Leistungssport) gleichzeitig zu 100% gerecht werden möchte. „Wenn ich etwas mache, dann richtig“.
Das ergibt aber 200% , was ein Normalsterblicher auch mit Unmengen an Ehrgeiz nicht realisieren kann. Das weiß aber auch Tobi: „Eins leidet immer aufgrund des anderen. Das muss ich akzeptieren.“
Die Einsicht, Abstriche machen und Prioritäten setzen zu müssen, fordert nicht selten genauso viel Kraft, wie das sportliche Ziel selbst. Aber das jenes Ziel oft nur mit jenen Einbußen erreichbar ist, verstehen wir auch erst mit der Zeit. Aber natürlich lieber früher als später – das liegt allerdings an einem selbst.
„Ich habe trotz meiner jungen Jahre schon Vieles im Leben erfahren. Ich habe gelernt, dass ohne Ehrgeiz und Fleiß dir nichts geschenkt wird. Bedeutet für mich, neben der sportlichen auch die berufliche Laufbahn nicht zu vergessen. Man muss sich schließlich absichern, denn mit 30 kann schon Schluss sein. Den Sport mache ich eigentlich nur aus Leidenschaft und Freude. Das richtige Leben wartet dann irgendwann auf uns.“
Trotzdem möchte sich Tobi nach Ende seines Studiums (voraussichtlich im Februar 2017) wirklich erst einmal 100% dem Laufen widmen. Aktuell jedoch muss er beides irgendwie managen und das erfordert neben Ehrgeiz natürlich auch Disziplin.
„Kontinuität. Regelmäßigkeit. Darauf kommt es meiner Meinung nach an. Aber man darf es nicht zu verbissen sehen. Man muss sich auch etwas gönnen – Feiern gehen, Zeit für Freunde oder leckeres Essen. So wie man mag. Es ist wichtig, den Körper in harten Zeiten auch zu belohnen. Sonst kann es auch zu einem Kurzschluss kommen. Natürlich sollte man jetzt nicht unbedingt vor einem Wettkampf die Nacht durchmachen, aber ein, zwei Bier hier und da sind erlaubt. Für – ich nenne es mal – die mentale Regeneration.“
Zwar weiß Tobi auch, dass er in Punkto Feiern eigentlich disziplinierter sein müsste, aber auch das bringt die Zeit. „Ich meine, schließlich bin ich auch jung und sollte das schon noch ein wenig ausleben.“
Und diese Auszeit sei ihm gegönnt, schließlich taktet er seinen Alltag sehr genau und investiert viel Energie in seine Ziele. „Manchmal mach ich zu viel. Aber ich möchte abends einfach mit einem besseren Leistungsniveau einschlafen, als ich morgens aufgestanden bin.“
Er geht an sein Limit und darüber hinaus. Wo fängt da der Ehrgeiz an, wo hört er auf?
„In dem Moment fühlt es sich gut an, aber langfristig muss ich mich schon lieber bremsen, sonst schlägt es sich auch ins Gegenteil aus, wie man am Sonntag in Darmstadt gesehen hat.“
Dort musste er das Rennen frühzeitig abbrechen.
„Ich war gut vorbereitet und hab mich auch gut gefühlt. Aber ich glaube der Ehrgeiz war mal wieder zu groß. Ich verkrampfe dann schnell und steh mir selbst im Weg. Aber während des Rennens habe ich mich dann auch echt nicht mehr gut gefühlt. Auch jetzt die Tage danach bin ich einfach nur schlapp. Ich habe deshalb auch einen Bluttest gemacht, um die Sache zu klären. Entweder brüte ich etwas aus oder habe es in den letzten Wochen einfach mal wieder übertrieben.“
Weniger ist manchmal mehr! Das hat auch Tobi aus den Jahren mitgenommen. Er ist sich vielem bewusst, aber an der Umsetzung hapert’s trotzdem.
„Ich habe einfach diesen Bewegungsdrang und Spaß dran. Ich steh‘ drauf, mich jeden Tag zu verausgaben. Aber klar, das ist schon kontraproduktiv. Und ich sollte den Dauerlauf zwischendurch auch mal locker angehen.“
Niederschläge wie in Darmstadt zeigen, dass sich der überambitionierte Ehrgeiz nicht immer auszahlt. Dass die investierte Kraft am Ende umsonst war. Dabei hätte all der Aufwand natürlich die entsprechende Belohnung verdient.
Aber Tobi lässt sich dadurch nie unterkriegen. Er versucht die Fehler zu analysieren und schaut wieder nach vorn. „Ich versuche stärker daraus hervorzugehen. Meistens kam ich dann auch stärker zurück.“
Wir erinnern uns an die Cross EM 2014 in Bulgarien: „Ich habe wieder hart dafür trainiert. Stunden investiert. Und dann knicke ich im Wettkampf um. Muss auch da frühzeitig abbrechen. Das hat mich echt geprägt. Das tat einfach weh. Aber es hat mich motiviert, so wie auch Erfolge motivieren.“
Eine besondere Motivation bleibt sein Vorbild Jan Frodeno. Auch er musste häufiger Niederschläge einstecken, kam letztlich jedoch umso stärker zurück.
„Er zeigt mir, das es geht! Das es möglich ist. Auch vor Wettkämpfen schaue ich mir oft Trainingseinheiten von Frodo auf Youtube und Co. an – das motiviert mich jedes Mal.“
Vielleicht sollte der gute Tobi manchmal aber auch das Sandmännchen anschmeißen, um den Lauf zwischendrin etwas ruhiger anzugehen. Jedes Mal Frodo-like die Straße abzufackeln, ist ja auch nicht der Weg.
„Go hard or go home!“ ist sein Motto. „Aber ja, ich muss auch schauen, dass ich mich nicht immer gleich abschieße.“
Es ist einerseits natürlich eine große Stärke, „dass man ihn mehr bremsen, als puschen muss“ – wie sein Trainer sagt. Wortgemäß eine „Kampfsau“, die bereit ist, alles zu geben.
Am liebsten würde er den ganzen Tag trainieren. Aber genau das zeichnet ihn auch aus. Deshalb arbeitet er langfristig auf die Marathondistanz hin, die jenen Fleiß und jene Disziplin fordert.
„Den Fleiß habe ich auf jeden Fall. Disziplin muss ich noch mehr lernen. Noch bin ich etwas zu jung und ungestüm und muss noch Ordnung in das Ganze bringen. Aber das schaffe ich auch noch irgendwie.“
Du bist auf jeden Fall auf einem sehr guten Weg. Entscheidend dabei ist nur – wie so oft im Leben – die gesunde Mitte zu finden.
Alles Gute dir weiterhin Tobi!