Das Highlight im Trainingslager ist für mich ja immer das Essen am Abend. Zusammen mit der ganzen Truppe wird ausgiebig und verdient geschlemmt. DU DARFST nicht nur, sondern DU MUSST auch!
Ohne adäquate Ernährung kannst du dir das Training auch schenken. Wovon soll der Körper zehren? Von den eigenen Muskeln, die wir doch erst vor wenigen Stunden penetriert haben?
Und genau das ist das Problem. Wer beispielsweise Krafttraining betreibt, um logischerweise Muskel aufzubauen, dem Körper aber keine Bausteine gibt, bewirkt das genaue Gegenteil und die Muskel bauen sich selbst ab.
Stellen wir uns ein Haus vor. Das Grundgerüst steht bereits und der Bauarchitekt (unser Kopf) hat genaue Vorstellung, wie es am Ende auszusehen hat. Also wird geschuftet, angepackt, geschwitzt. Wochen vergehen, aber ohne Baumaterial kann nichts an Masse dazugewinnen. Das Gerüst beginnt bedenklich zu wackeln und anstatt stolz von oben auf sein Werk zu blicken, trainieren wir uns direkt in den Keller.
Wenn wir bereits Material (in Form von ungewollten Fettpolstern) vorliegen haben, kann dieses Fett, nachdem die Zuckerdepots leer sind, herangezogen werden. Allerdings hält man die Gesamtbelastung des Trainingslagers ohne Kohlenhydrate nicht durch, da die meisten hier schließlich doppelt und sogar dreifach so viel trainieren als sonst.
Grundsätzlich muss die Relation aus Energiezufuhr und -verbrauch stimmen, damit wir je nach Wunsch unser Gewicht halten, an Masse gewinnen oder abnehmen.
Jeder muss also die Speicher füllen, um die Trainingsreize umzusetzen. Und bezogen auf die Muskulatur: wer mehr Muskelmasse besitzt, hat ohnehin einen höheren Grundumsatz und verbrennt allein in Ruhe mehr als der schmächtig Gebaute.
Allerdings profitieren auch die Läufer in Ruhe nach ihrer Ausdauereinheit – vom sogenannten „Nachbrenneffekt“. Der Stoffwechsel arbeitet nämlich auch nach der Trainingseinheit auf einem anderen Level weiter, als wenn wir uns nicht bewegt hätten.
Der Nüchternlauf am Morgen – sofern die Muskulatur tatsächlich nüchtern ist und nicht nur der Magen, weil wir am Vorabend noch spät und kohlenhydratreich gegessen haben – trainiert den Fettstoffwechsel bzw. den Kopf darin, im leeren Zustand Leistung zu bringen. Allerdings ist dies bei intensiven Einheiten nicht ratsam. Sofern ein moderater Dauerlauf ansteht, kann man jedoch bewusst vor oder nachher für einige Stunden auf das Essen verzichten.
Sportmediziner Dr. Paul Schmidt: „Stehen keine intensiven Trainingseinheiten an oder zurück, faste ich, sofern es das Gewicht und das Wetter (ich friere dabei sehr schnell) manchmal einen Tag. Das macht emotional stabiler und hilft meines Erachtens auch bei langen Läufen – wie einem Marathon – wo der Kopf eine große Rolle spielt.“ Deshalb sind Ausdauersportler im Alltag oft auch resistenter.
Der Kopf ist es nämlich, der wortwörtlich an obersten Stelle der Versorgungskette liegt. Die Muskel sind in den seltensten Fällen zuerst dran. Wenn dem doch so ist, wird das bei vielen Ultrasportlern als der Sieg der Muskulatur gegenüber dem Gehirn gefeiert. Ironman Jan Frodeno nennt es auch: „Ohnmächtig sein, war ein Kick.“ Denn bekanntlich geht das Licht aus, wenn der Kopf unterversorgt ist.
Aber noch einmal zurück zum Krafttraining. Auch dieses sollte bei uns Läufern nicht zu kurz kommen. Denn auch wenn hier im Laufcamp der Fokus auf dem Laufen liegt, kann dies keiner ohne gescheite Muskeln. Obendrein stabilisieren sie dich (besonders wenn der Körper bei einem Longrun ab Kilometer 15 droht, an Haltung zu verlieren) und schützen vor Verletzungen. Denn neben der Technik sind auch die Muskel dafür verantwortlich, dass die Bewegung rund läuft und beispielsweise Fehlbelastungen umgangen bzw. umlaufen werden!
Gleich welches Training man aus welchem Grund betreibt, ist Sport die beste Freizeitbeschäftigung – sofern man ihn achtsam und rücksichtsvoll betreibt. Und dazu gehört u.a. eine gesunde Ernährung.
Und gesund bedeutet nicht nur Salat, Obst und fettarm! Wir brauchen genauso gut das (gute) Fett wie die Vitamine aus dem Obst und dem Gemüse. Aber auch andere Makro- und Mikronährstoffe sollten in einer ausgewogenen, nicht einseitigen Ernährung auf dem Teller landen. Die Mischung macht’s! Jedes einseitige Extreme ist ungesund. Die Basis muss stimmen und dann ist auch das Stück Kuchen erlaubt.
Paul Schmidt: „I run so I can eat. Ich versuche nur gesättigte Fettsäuren zu meiden und auf saisonales Obst und Gemüse Wert zu legen.“ Aber weg von Verbot und Zügelung! Wir sind hier im Trainingslager und leisten tagtäglich körperliche Arbeit. Das ruft nach Belohnung und selbstverständlich auch Genuss.
Natürlich sollte sich jetzt niemand nur von Pommes ernähren oder sich morgens den Magen eine Stunde vor dem Training mit Rührei, Speck und Croissants vollschlagen. Du kannst selbstverständlich, sofern es dich beim Trainieren nicht hindert.
Paul Schmidt: „Jeder macht seine Erfahrungen.“ Und diese Erfahrung sollte man sich zu Herzen nehmen. Bedeutet auf seinen Körper zu hören und ihn nicht ständig mit neuen Maßregelungen zu kontrollieren. Der Körper lernt mit der Zeit von ganz allein, was er wann braucht. Wer ständig auf ihn einredet, der betrügt sein natürliches Empfinden.
Paul Schmidt: „Der Sport ist der Wissenschaft oft Jahre voraus, von daher sollten wir auf ein gesundes Körpergefühl bauen.“ Er vermag so manche Dinge von selbst klären, sofern wir ihn lassen.
Und der Körper lechzt besonders nach intensiven Trainingseinheiten nach Kohlenhydraten. Paul warnt deshalb beispielsweise vor der LowCarb-Tendenz, die zuweilen als Ernährungsschlagzeilen in der Sportszene ihr Unwesen treiben.
„Es darf gerne auch mal Einfachzucker sein, wenn es in direkter Verbindung mit dem Training steht. Denn so wird es unmittelbar insulinunabhängig von den Muskelzellen aufgenommen und das Adrenalin und Cortisol verhindern den Insulinanstieg, was der Übeltäter ist.“
Wie es für den Trainingslager-Alltag üblich ist, stehen meistens zwei Einheiten an. Sich mittags dann zu spät die Portion Nudel mit fetter Soße zu gönnen, könnte allerdings wiederum schwer im Magen liegen und ermüden. Das Buffet in unserer Unterkunft verleitet natürlich, so manche anstehende Einheit erst einmal zu vergessen, aber spätestens nach dem ersten Magengrummeln oder dem ungewollten Boxenstopp lernt man sich zu zügeln.
Oder man weiß es besser: stellt rechtzeitig seinen Wecker, macht einen 20 minütigen Auftakt, kurbelt den Stoffwechsel somit schon einmal an und greift dem Magen-Darm-Trakt bei der Verdauung des Frühstücks unter die Arme. Und wenn dann noch genügend Luft bis ist zur nächsten Einheit, hat man vieles richtig gemacht. Auch die Beine sind für das Tempotraining schön gelockert.
Fazit von Paul Schmidt: „Ich esse eigentlich worauf ich Lust habe, bin mir aber der Konsequenzen bewusst.“