Die Teilnehmer der Laufreise sind eine bunte Truppe unterschiedlicher Charaktere mit ganz individuellen Lauferfahrungen, Einstellungen und Zielen. Aber jeder hat auf seine Art Gefallen an dem ‚einen-Fuß-vor-den-anderen-setzen‘ und hat sich demnach nicht grundlos für die siebentägige Laufreise mit Sabrina und Co. entschieden.
Das laufbegeisterte Spektrum reicht von ‚mutwillig-wieder-ins Training-finden‘ bis ’sich-mehr-als-ambitioniert-auf-den-nächsten-Wettkampf-vorbereiten‘.
Ich könnte jetzt natürlich jeden Einzelnen vorstellen, denn jede Geschichte ist es eigentlich Wert. Aber ich habe mir mal drei vier rausgepickt, die Euch die Vielschichtigkeit dieser Truppe zeigen sollen.
Es sind einfach schöne aber auch beeidnruckende Geschichten. Überraschende Details, die man nebenbei erfährt. Mutmachende Einstellungen, von denen man sich eine Scheibe abschneiden sollte.
Anfangen möchte ich mit der 41-jährigen Malgorzata Di Fazio, die uns junge Hüpfer beim 100m-Sprint alt aussehen lässt. Voller Energie und Motivation. Mit dreifachem Ehrgeiz möchte sie am besten alle Einheiten der Woche gleich an einem Tag abhaken. Mit Herz und Kopf überall gleichzeitig, aber aufgrund des alltäglichen Stresses selten einfach nur im Training, beim Laufen.
So macht sich Malgorzata oft nur zusätzlichen Stress, anstatt die Zeit, die sie für sich nimmt, bewusst zu genießen. Stress abbauen, was eine Runde an der frischen Luft bekanntlich gut kann.
Aber das ist sicherlich auch der Grund für die ein oder andere Verletzung, die sie insbesondere im vergangenen Jahr bremsten. Mit der gebuchten Laufreise wollte sie jetzt zuversichtlich ins neue Jahr starten, auch wenn ihr das ihr Mann erst einreden musste. Sie sollte sich einfach mal nur dem Sport widmen, Sonne tanken und Zeit für sich nehmen.
Rücksichtsvoller, achtsamer und ruhiger die eigenen Ziele verfolgen. Und vielleicht soll eines dieser Ziele nicht der Marathon unter 3:15h sein, sondern doch die kürzeren Distanzen. Mit ihrem Vierzylinder beim Sprinten bewies sie nämlich, dass in ihr eher die Schnellkraft brodelt als Ausdauer.
In jedem Fall ist die lebensfrohe und energiegeladene Malgorzata vom Gesicht abzulesen, dass sie bislang keine Stunde bereut hat, hier zu sein und dafür einfach dankbar ist.
Jürgen Reinhardt wiederum ist ein schlagfertiger Kautz und gehört mit seinen 53 Jahren zu dem etwas älteren Schlag. Mit Witz und einer gewissen Lässigkeit geht er den Alltag entspannt aber motiviert an.
Aufgrund eines Arterien Verschlusses war ihm das Laufen längere Zeit jedoch nicht gegönnt und mit dem Trainingslager soll nun wieder ein mutwilliger Startschuss fürs neue Jahr abgefeuert werden.
Jürgen bleibt ruhig und stresst sich nicht. Er sucht sich einfach eine/seine Alternative und crused mit dem Bike nebenher oder verausgabt sich mit dem Springseil – und das bereits vor sieben Uhr in der Früh, wo wir anderen unsere müden Glieder 20 Minuten laufend durch die Dunkelheit chauffieren.
Motivation, Ehrgeiz. Das legt jeder auf seine Art und Weise an den Tag und bleibt sich treu. Keiner lässt sich unter Druck setzen und läuft Gefahr, dass aus Können (Leistungsfähigkeit) und Dürfen (Spaß am Laufen) ein zwanghaftes Müssen wird.
Sprich, jeder so wie er kann. Und das wird keinem Übel genommen. Warum auch? Es beweist eine andere Stärke, sich zu fördern aber nicht zu überfordern. Sich selbst Grenzen aufzuzeigen, auch wenn der Kopf zuweilen ungeduldig ausschlägt.
Wenn der eine also einmal aussetzt oder früher umdreht, dann hat er seine Gründe. Das andere Mal ist er oder sie es, die freiwillig einen Kilometer drauf setzt! Mit den Worten einer Teilnehmerin treffend auf den Punkt gebracht: „Alles kann, nichts muss!“ bzw. alles zu seiner Zeit!
Neben Disziplin und Willenskraft ist also auch Geduld gefragt. Neue Ziele sind wichtig und spornen an, aber manchmal bringen uns zwei kleine Schritte weiter als ein riskanter Sprung. Wobei auch der Mut nicht zu vernachlässigen ist und erst Grenzüberschreitungen uns besser werden lassen.
Aber zurück zu unseren Teilnehmern. Paxi kommt aus Luxemburg und strahlt eine lebensfrohe Leichtigkeit aus.
Paxi: „Das Sinn des Lebens ist glücklich zu sein.“ Hier in Chiclana hat sie natürlich viele Gründe dazu. Die Künsterlin lebt aber nicht als bummelnder Freigeist in der Welt umher, sondern widmet sich den Dingen auf eine kreative Weise.
Der Gegenpol ist dabei die Politik, in der sie sich seit Langem engagiert und mittlerweile auch beruflich Fuß gefasst hat. Das Laufen schafft in vielen Situationen dann neuen Raum für jene Kreativität und gibt ihr die Möglichkeit, durchzuatmen und abzuschalten. Umso mehr genießt sie den Freiraum hier in Chiclana, sich ihrem Hobby freien Kopfes und Gewissens zu widmen.
Luigi De Franceschi wiederum ist Italiener durch und durch. Das Laufen muss stets lebendig gehalten werden und er will nicht nur stumpf vor sich hin traben. Deshalb bahnen sich seine Schuhe am liebsten einen unberechenbaren Weg über Trails.
Seitdem seine Freundin Katrin dank Sabrina Mockenhaupt kontinuierlich auf den Straßen neue Bestzeiten rennt und sie ihn kurzerhand mit für den Berlin Halbmarathon angemeldet hat, musste er zwangsläufig wieder auf den Asphalt wechseln und nimmt dort nun seine bestehende PB von 1:13h über die 21km in Angriff.
Wobei er sich auch keinen Druck macht und sich einfach überraschend lässt.
Das Jahr hat bereits mit dem Silvesterlauf in Backnang auf der Straße geendet und prophezeit nun Vielversprechendes auf der Straße?! Mit seinem ersten Platz in seiner Altersklasse (50) und dem achten Platz insgesamt hat er auf jeden Fall einen aussichtsreichen Grundstein gelegt. Denn seine zurückliegenden Erfolge im Marathon (der zweite Platz bei den Deutschen Meisterschaften in Freiburg 2013 oder der dritte Platz seiner AK 2015 in Frankfurt) sprechen für sich.
So verschieden und eindrucksvoll jede Geschichte ist – und dabei habe ich Euch wie gesagt nur einen Bruchteil der Charaktere gezeigt -, so finde ich hier und da doch gewisse Gemeinsamkeiten.
Einerseits ist es die Einsicht jedes Teilnehmer, dass jeder nach seinem Ermessen sein Bestes gibt und sich dem Flow der Gruppe nur soweit hingibt, dass er/sie sich dabei nicht übernimmt. Jeder bleibt sich treu und beeindruckt als Persönlichkeit!
Dann ist es wiederum die Leidenschaft für das Laufen, das sie alle authentisch teilen. Es ist nichts Zwanghaftes. Der Spaß und die Begeisterung – zwei Dinge, die bei vielen Leistungssportler über die Zeit oft in den Hintergrund rücken – sind hier noch der entscheidender Antrieb. Allerdings ist die Gruppe selbst auch ein wertvoller Ansporn, das Beste aus sich herauszuholen.
Fazit: Es ist für jeden von uns – ob Hobby- oder Profiläufer – eine Bereicherung und eine Win-Win-Situation! Sei es aus sportlicher oder persönlicher Sicht.